ENERGIE UND TECHNIK
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4|2017
DIFFERENZEN ZWISCHEN VERSCHIEDENEN BEWERTUNGSANSÄTZEN IN DER ENERGIE- UND KLIMAPOLITIK
Objekt
Eigentümer
Nutzer
Produzent
Gesamtwirtschaft Energiewende
Bewertungsproblem
Zweck
Ökologisch – Nach-
weis des energe-
tischen Standards
in Bezug zu EnEV/
EEWärmeG
Ökonomisch –
Evaluation finan-
zieller Effekte
alternativer Maß-
nahmen
Ökonomisch –
Evaluation der Kos-
ten des Wohnens
Ökonomisch –
Analyse finanzi-
eller Effekte auf
Unternehmung
Vermeidung
von negativen
Umweltwirkungen
(Treibhausgas-
emissionen)
Umsetzung der
Energiewende
Ziel
Primärenerge-
tisch effiziente
Lösung zu identi-
fizieren
Wirtschaftlich
effiziente Lösun-
gen zu identifi-
zieren
Wirtschaftlich
effiziente Lösun-
gen zu identifi-
zieren
Minimierung
unternehmens-
bezogener
Kostenstrukturen,
Maximierung leis-
tungsbezogener
Ertragsstrukturen
Kosteneffiziente
Lösungen zu
identifizieren
Wirtschaftlich
effiziente
Lösungen im poli-
tischen Prozess zu
identifizieren
Bewertungsvorschriften
Methode
Energetische
Bilanzierung nach
DIN 18599 bzw.
DIN 4701/ 4108;
Fokus: nicht ener-
getischer Anteil PE
Wirtschaftlich-
keitsanalysen
(idealerweise mit-
tels vollständiger
Finanzplanung)
Finanzplan
Shareholder Value Vermeidungskos-
teneffizienz
Wirtschaftlich-
keitsanalysen
(idealerweise mit-
tels vollständiger
Finanzplanung)
Systemgrenze
horizontal
Gebäude
Gebäude (+ Mobili-
tät, Energiegewin-
nung)
Wohneinheit
(+ Mieterstrom
Gebäude)
Abhängig von der
unternehmerischen
Leistung, i. d. R.
nur ein Teilbereich
der Immobilie
BRD (alle Sekto-
ren)
BRD (Verknüpfung
der Sektoren)
Systemgrenze
vertikal
Nutzungsphase
Bau- und Nut-
zungsphase, ggf.
gebäudeübergrei-
fend
Individuelle Nut-
zungsphase
Alle Phasen im
Lebenszyklus
Bau- und Nut-
zungsphase
Bewertungshinter-
grund
Generalisierende
Eingangsdaten
zur energetischen
Bilanzierung sowie
politisch festgeleg-
te Primärenergie-
Faktoren
Gestehungs- und
Fremdkapital-
kosten, rechtl.
Anforderungen,
Aufnahmefähig-
keit des Marktes
für erforderliche
Umlagen*
Kosten des Woh-
nens (Kaltmiete,
kalte und warme
Nebenkosten)*
Reale Kosten-
strukturen einschl.
Schulungen,
Haftungsrisi-
ko etc., rechtl.
Anforderungen,
Marktnachfrage*
Reale Vermei-
dungskosten,
tatsächliche finan-
zielle Effekte bei
den Stakeholdern
auf Projektebene
vor Ort*
Gestehungs- und
Fremdkapital-
kosten, rechtl.
Anforderungen,
Aufnahmefähig-
keit des Marktes
für erforderliche
Umlagen*
Bewertungser-
gebnis
Technisch
optimale Lösun-
gen unter „Labor-
bedingungen“
Wirtschaftlich
optimale Lösun-
gen für den spez.
Fall vor Ort
Wirtschaftlich
optimale Lösun-
gen amWohnort
Wirtschaftlich
optimale Lö-
sungen für die
Unternehmung
Sektorübergrei-
fend: Vermei-
dungskosten
möglicher Maß-
nahmen (Grund-
lage effizienter
Steuerung)
Wirtschaftlich
optimale Lösun-
gen im politi-
schen Prozess
Prämisse
Wirtschaftlich-
keitsgebot der
objektspezifischen
Bewertung
Bezahlbar- und
Wirtschaftlichkeit;
überfordert die
technische Kom-
petenz des Nutzers
nicht
Wohnkostenbe-
lastungsgrenze,
Behaglichkeit
Geschäftsmodell
und Arbeitsplätze
bleiben erhalten
Kosteneffizienz,
Treffsicherheit,
soziale und wirt-
schaftspolitische
Vertretbarkeit und
Durchsetzbarkeit
Kosteneffizienz,
Treffsicherheit,
soziale und wirt-
schaftspolitische
Vertretbarkeit und
Durchsetzbarkeit
Sichtweise unterscheiden kann, zeigen exempla-
rische Analysen zu verschiedenen energetischen
Standards. Als Fallbeispiel dienten zwei typische
Mehrfamilienhäuser mit sechs und 40 Wohnein-
heiten. Verglichen wurde die Effizienz des über
die EnEV hinausgehenden Standards QP 55% /
H’T 85% (~Effizienzhaus 55) mit der Effizienz
des Standards EnEV 2014. Die Analysen führen
zu den folgenden Ergebnissen: Objektspezifisch
betrachtet ist der energetisch höhere Standard er-
wartungsgemäß der effizientere, weil hier zusätz-
liche (Primär-)Energie eingespart werden kann.
2
Aus der Perspektive von Eigentümern betrachtet,
führt derselbe Standard allerdings zu zusätzlichen
Gestehungskosten in Höhe von rund 10% aufgrund
der zusätzlichen Anstrengungen, die erforderlich
sind, um die höhere Energieeinsparung zu errei-
chen. Unter der Prämisse der eigentümerseitigen
Wirtschaftlichkeit steigen diemieterseitigen Kos-
ten des Wohnens imenergieeffizienteren Standard
zwischen 0,8 und 1 €/m
2
Wohnfläche und Monat,
weil die zur Refinanzierung der zusätzlichen In-
vestitionskosten erforderliche Kaltmiete die nut-
zerseitige Energiekosteneinsparung übersteigt.
Da jedoch der Markt zusätzliche Kosten in dieser
Höhe nicht flächendeckend aufnehmen kann, ist
der energieeffizientere Standard in einigen Fällen
entweder für Vermieter oder für Mieter ineffizi-
ent.
3
Richtet sich der Blick darüber hinaus auf die
Kosten zur Vermeidung von Treibhausgasen als
Quelle: Autoren
*) Reale Eingangsdaten, starke Differenzen aufgrund spezifischer Rahmenbedingungen vor Ort möglich