umweltökonomische Kerngröße, zeigt sich, dass
der energieeffizientere Neubaustandard periodi-
sche CO
2
-Vermeidungskosten in Höhe von 370 bis
1.090 €/t CO
2
einfordert. Kosten in dieser Höhe
übersteigen den Preis der an der Börse für 5 bis
8 €/t CO
2
gehandelten Emissionszertifikate damit
um ein Vielfaches.
4
Dies ist – trotz aller Kritik am
Emissionshandel – im Sinne einer auf die Vermei-
dungskosteneffizienz ausgerichteten Politik als
ineffizient zu werten.
Risiko ineffizienter Anforderungen
Werden also politische Implikationen nur aus den
Ergebnissen einer Perspektive abgeleitet, z. B. aus
der objektspezifischen Betrachtung, besteht das
Risiko, dass zukünftige Anforderungsniveaus vom
Markt mangels Wirtschaftlichkeit vor Ort nicht
umgesetzt werden, und/oder im intersektora-
len Vergleich nicht vermeidungskosteneffizient
sind. Dieses Risiko spezifisch ineffizienter Anfor-
derungen erlangt zusätzliche Relevanz, weil die
einzelnen Bewertungsansätze aufeinander auf-
bauen und sich wechselseitig in den Ergebnissen
beeinflussen (vgl. Abbildung 2 auf S. 37).
Dies soll an zwei Beispielen erläutert werden: Alle
im systemischen Kontext generierten Ergebnisse
bauen zunächst auf der objektspezifischen Bewer-
tung auf. Entsprechen die Ergebnisse hier nicht
hinreichend genau der Realität, weil u. a. der tat-
sächliche Energieverbrauch höher ausfällt als der
nach EnEV bilanzierte Bedarf, schleift sich dieser
Fehler in die hierauf aufbauenden Analysen aus
den anderen Perspektiven ein und verfälscht dort
die Ergebnisse. Ähnliches gilt für die subjektspe-
zifischen Wirtschaftlichkeitsanalysen, aus denen
nur dann treffsicher sinnvolle Anforderungsni-
veaus abgeleitet werden können, wenn diese die
Entscheidungssituation der Akteure realistisch
abbilden.
In Summe betrachtet stellen die hier gezeigten
Ergebnisse den gegenwärtigen energie- und
klimapolitischen Entwicklungspfad für den Ge-
bäudesektor und damit die Zielerreichung des
Klimaschutzplans erheblich in Frage, weil die
bisherige Umsetzungsstrategie sich zu wenig am
Engpass der Finanzierbarkeit und Bezahlbarkeit
orientiert. Bislang geht es zu sehr um das, was
technischmöglich ist, als umdas Nutzen-Kosten-
Verhältnis der Maßnahmen in der Umsetzung der
Oberziele der Energiewende. Um zu vermeiden,
dass der Befreiungstatbestand mangels Unwirt-
schaftlichkeit im Einzelfall zum Regelfall wird,
müssen die verschiedenen Sichtweisen und die
systemischen Abhängigkeiten in dem Politikpro-
zess zur Entwicklung zukünftiger Anforderungs-
niveaus zwingend berücksichtigt werden. Das
gegenwärtige Steuerungssystem ist jedochweder
1
Müller, N. D. und Pfnür, A. (2017): Konzeptionelle
Ansätze zur Umsetzung der Energiewende im
Gebäudesektor – Systematisierung und Diskussion
alternativer Steuerungsindikatoren für die Energie-
und Klimapolitik im Gebäudesektor. In: A. Pfnür
(Hrsg.), Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftli-
chen Forschung und Praxis, Band Nr. 34.
2
IHB GmbH, ITG Dresden, Fraunhofer IBP, Ecofys
Germany GmbH, Schiller, I. (2016). EnEV 2017
– Vorbereitende Untersuchungen – BBSR-Online-
Publikation Nr. XX/2016. Bonn: BBSR.
3
Vgl. für den Sanierungsfall hierzu z. B. Pfnür, A.,
Müller, N. D. (2013). Energetische Gebäudesa-
nierung in Deutschland, Studie Teil II: Prognose
der Kosten alternativer Sanierungsfahrpläne und
Analyse der finanziellen Belastungen für Eigen-
tümer und Mieter bis 2050. In: A. Pfnür (Hrsg.),
Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen
Forschung und Praxis, Band 32.
4
Müller, N. D., Pfnür, A. (2016). Wirtschaftlich-
keitsberechnungen bei verschärften energetischen
Standards für Wohnungsneubauten aus den
Perspektiven von Eigentümern und Mietern – Me-
thodisches Vorgehen und Fallbeispiel. In: A. Pfnür
(Hrsg.), Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftli-
chen Forschung und Praxis, Band 32.
darauf ausgerichtet, die Position umsetzungsre-
levanter Akteure angemessen zu berücksichtigen,
noch die Anforderungsniveaus im intersektora-
len Vergleich auf die Vermeidungskosteneffizienz
auszurichten. Vor diesem Hintergrund erscheint
es zweckdienlich,
a) die Berechnungsvorschriften der EnEV an die
Gegebenheiten vor Ort anzupassen und
b) energetische Qualitäten von Gebäuden zukünf-
tig über die Indikatoren Treibhausgasemissionen
(hinsichtlich der Vermeidungskosten) und End-
energie (x Energieeinheitspreis, hinsichtlich der
Evaluation finanzieller Effekte für Eigentümer und
Nutzer) zu steuern.
1
Fazit: keine schnellen Lösungen
Aufgrund der hier skizzierten Komplexität im
Politikfeld der Energie- und Klimapolitik für den
Gebäudesektor sind die schnellen, einfachen Lö-
sungen erwartungsgemäß nicht diejenigen, mit
denen sich das im Gebäudesektor vorhandene
Potenzial für Energiewende und Klimaschutz ef-
fizient heben lässt. Entsprechend sollte in der wei-
teren Entwicklung des Energieeinsparrechts sinn-
vollerweise Sorgfalt vor Schnelligkeit das Prinzip
der Stunde sein, um ein langfristig auf Effizienz
und Effektivität ausgerichtetes Steuerungssystem
zu entwickeln, welches den verschiedenen Pers-
pektiven gerecht wird. Hierfür ist es insbesondere
auch erforderlich, dass vorhandene Zielkonflikte,
z. B. – wie aufgezeigt – zwischen kostengünstigem
Wohnraumundmaximaler Energieeffizienz, poli-
tisch priorisiert werden.