NEUBAU UND SANIERUNG
36
10|2017
Herr Dr. Dengler, warum hatten Sie am
Anfang Bedenken?
Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment,
als die Stadt mit der Idee an uns herantrat. Es war
kurz vor Weihnachten: 100 Wohnungen in seriel-
ler Holz-Hybridbauweise, qualitativ hochwertig,
die in nur einem Jahr bezugsfertig sein sollten.
Normalerweise hat man ja durchschnittlich eine
Dauer von vier Jahren zwischen Planung und Be-
zug. Da musstenmein Kollege und ich erst einmal
tief durchatmen. Es gab zu dem Zeitpunkt noch
kein konkretes Projekt, nur die Idee von Dr. Böhm
(B&O) zur Parkplatzüberbauung. Hinzu kam, dass
wir keine Erfahrung mit einem Generalunterneh-
mer und nur wenig Know-howmit seriellemHolz-
Hybridbau hatten. Dochwir erkannten schnell die
Chance für die GEWOFAG und den innovativen
Charakter des Projekts. Nach einer Stunde war
alles beschlossen. Aber unter uns gesagt: Nach
dem Gespräch haben wir erst einen starken Es-
presso getrunken, um es zu „verdauen“ (lacht).
Waswar ausschlaggebend für dieEntscheidung:
Kosten, Bauzeit, der hohe Vorfertigungsgrad?
Sicherlich alle drei Punkte, vor allem aber auch
die Gesamtsituation. Man darf nicht vergessen,
dass im Winter 2015 der Höhepunkt der Flücht-
lingswelle war. Wir wussten, dass die Menschen,
die anerkannt werden würden, aus den Gemein-
schaftsunterkünften ausziehen mussten und be-
zahlbarenWohnraumbrauchten. Und inMünchen
waren ja schon zuvor die bezahlbarenWohnungen
sehr knapp. Viele Münchner setzen parallel dazu
große Hoffnungen auf das Wohnungsbausofort-
programm der Stadt, durch das zusätzlich 3.000
bezahlbare Wohnungen innerhalb der nächsten
drei Jahre entstehen sollen. Der Druck von allen
Seiten war daher groß. Es war schon eine glück-
liche Fügung, dass zu der innovativen Idee auch
noch die Tatsache kam, dass der zu überbauende
Parkplatz am Dantebad der Stadt gehörte. Und
wir haben Potenzial für weitere Projekte dieser
Art. Wir werden ab 2018 imDurchschnitt ca. 765
Wohnungen pro Jahr neu fertigstellen. Das heißt,
wir haben immer um die 1.000 Wohnungen im
Bau. Diese Größenordnung geht nicht mehr nur
mit den alten, konventionellen Methoden.
Wie gelang es Ihnen, in extrem kurze Zeit zu
bauen?
Erfolgsfaktorenwaren sicher das hohe persönliche
Engagement von Oberbürgermeister Dieter Reiter
und die eigene Arbeitsgruppe bei der Stadt. Das
bedeutete: kurze Wege und schnelle Entschei-
dungen. Das Genehmigungsfahren dauerte nur
wenigeWochen – normalerweise rechnet manmit
durchschnittlich 90 Tagen. Wir durften auch das
kürzeste rechtlich zulässige Ausschreibungsver-
fahrenwählen. Bei der GU-Beauftragungwar sehr
positiv, dass B&O das überzeugendste Angebot
abgegeben hat. Sie hatten bereits das notwendige
Vorwissen im seriellen Bauen und kannten sich
auch mit Holzbau sehr gut aus.
Was waren die größten Herausforderungen –
technisch, architektonisch oder sozial?
Architektonisch war es sicher die Einpassung in
die gewachsene Umgebung, die hier wunderbar
gelungen ist. Aus sozialer Sicht war es heraus-
fordernd, den ausgewogenen Mietermix hinzu-
bekommen, denwir nun haben. Und technischwar
wohl der Betontisch die Meisterleistung. Er war
eine große statische Herausforderung. Ich per-
sönlich fand die Schnelligkeit und Passgenauigkeit
der seriellen Bauweise und das Einheben der kom-
pletten Bäder äußerst beeindruckend.
Wie lösten Sie das Thema „Unsicherheit“ in
der Nachbarschaft?
Das war tatsächlich ein Thema. Es betraf ja rund
500 bis 1.000 Personen, die imUmfeld des neuen
Gebäudes wohnen. Die anfänglichen Reaktionen
auf das Projekt waren z. T. sehr negativ. Das mach-
te uns schnell klar: Das Projekt funktioniert nur
mit Kommunikation und Transparenz. Wir haben
den Wohnungsschlüssel neu angepasst und mehr
Wohnungen für Familien eingeplant. Das war
entscheidend für die Akzeptanz. Mit Erfolg: Zum
Mieterfest im Juli waren wirklich viele Anwohner
da und kamen mit den Mietern ins Gespräch. Das
ist ein sehr wichtiger Schritt und freut uns sehr.
Was haben Sie aus dem Projekt gelernt? Was
kann an die Branche weitergegeben werden?
Das kann ich klar beantworten: Wagen Sie es, über
modulare Bauweisen nachzudenken. Es muss ja
nicht immer sein, aber oft passt es. Haben Sie auch
keine Scheu vor der Einholung einer Sondererlaub-
nis bei der obersten Baubehörde. Auch bei öffent-
lichen Aufträgen kann ein Generalunternehmer in
einigen Fällen die richtige Antwort sein. Ideal wäre
aus meiner Sicht beim nächsten Projekt eine um
sechs Monate längere Planungszeit.
Gab es Reaktionen von den Einzelhandels-
ketten auf die Idee der Parkplatzüberbauung?
Das Feedback war eher zurückhaltend. Das hat
aber einen Grund, denn viele Einzelhandels-
ketten sind nicht Eigentümer der Grundstücke.
Allerdings sind wir mit ersten Unternehmen im
Gespräch und suchen derzeit nach konkreten
Projektoptionen.
Herr Dr. Dengler, vielenDank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Beatrix Boutonnet.
Interview mit Dr. Klaus-Michael Dengler
„Gerne wieder!“
Wie lässt sich in Ballungsräumen wie München schnell Wohnfläche schaffen?
Wie können Wohnungsgrößen sinnvoll verringert und Wohnqualität anders
definiert werden? Fragen wie diese stellt sich der Sprecher der Geschäfts-
führung der GEWOFAG Holding GmbH täglich. Das Projekt am Dantebad ist
für ihn ein innovatives Modell, das sich übertragen lässt – auch wenn es erst
einmal einen starken Espresso brauchte.
Quelle: GEWOFAG