NEUBAU UND SANIERUNG
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10|2017
immer die Qualität im Auge behalten – von der
architektonischen Qualität bis hin zur Qualität der
Baustoffe. Denn die Gebäude, die wir jetzt erstel-
len, werden über Jahrzehnte bewohnt sein. Dabei
trägt das Mauerwerk viel zur Wohngesundheit bei.
Ziegel emittieren nämlich keine Schadstoffe in die
Raumluft und sind deshalb eine gute Basis für die
Wohngesundheit. Außerdem sind sie kapillar, ha-
ben also eine feuchtigkeitsregulierendeWirkung,
und gewährleisten den sommerlichen wie win-
terlichenWärmeschutz. Grundsätzlich gilt: Wenn
man die Vorteile der unterschiedlichen Baustoffe
kennt und zusammenfügt, kannman einen großen
Nutzen für die Bewohner generieren.
Dazu ein persönliches Erlebnis: Vor zwei Jahren
habe ich für meinen Vater eine Neubauwohnung
gekauft, die sich in einem Kalksandsteingebäu-
de mit Wärmedämmverbundsystem befindet.
Beim Einzug hat der Bauträger meinem Vater ein
Feuchtigkeitsmessgerät geschenkt, damit er im-
mer weiß, wann er lüften muss. Das hat mir die
Augen geöffnet, welche Probleme sich ergeben
können – denn in den ganzen 15 Jahren, in denen
ich bei Wienerberger tätig bin, war ich nie mit
diesem Thema konfrontiert.
GerhardWellert:
Wohngesundes Bauen kannman
nicht singulär betrachten, sondern man muss es
imZusammenhangmit den anderen Aspekten des
Bauens betrachten. Dazu gehört auch das Thema
Lärm, das vor allem wegen der Nachverdichtung
urbaner Räume an Bedeutung gewinnt. Um den
dringend benötigten Wohnraum zu schaffen,
werden immer mehr innerstädtisch interessante
Flächen bebaut, die in der Vergangenheit nicht
unbedingt präferiert waren – ich denke z. B. an
Grundstücke an Gleiskörpern in der Nähe von
Bahnhöfen oder an Aufstockungen bestehender
Gebäude. Da gibt es heute Möglichkeiten, über
intelligente Baustoffe in Fenstern und Fassaden
den Lärmschutz zu gewährleisten. Aber auch in-
nerhalb des Hauses ist das Thema Lärmwichtiger
geworden – gerade auch, wenn es in einem Haus
unterschiedliche Nutzungen gibt. Heute kannman
den Lärmschutz gewährleisten, selbst wenn das
italienische Restaurant imErdgeschoss seine Gäs-
te gern auch einmal bis 23 Uhr bewirtet.
Als Hersteller haben wir die Pflicht, die Grund-
lagen für gesundes Bauen und gesundes Wohnen
zu schaffen, indem wir schadstofffrei bauen. In
unserem Unternehmen legen wir deshalb großen
Wert darauf, natürliche Rohstoffe zu verwenden.
Außerdem setzen wir mittlerweile stark auf in-
terdisziplinäre Ansätze, indem wir als Knauf mit
Uponor, Wienerberger und anderen Unternehmen
zusammenarbeiten und gemeinsamnach den bes-
ten Lösungen für bauliche Herausforderungen
suchen. Dieser interdisziplinäre Ansatz eröffnet
zudem die Chance, wohngesundes Bauen wirt-
schaftlich darzustellen. Wirtschaftlichkeit auf der
einen Seite und gesundes Wohnen auf der anderen
Seite stellen für mich keine Gegensätze dar.
Till Reine:
In diese Richtungmüssenwir noch viel
weitergehen. Denn die Gebäude sind so komplex
geworden, dass ohne Kooperation keine guten
Ergebnisse herauskommen.
GerhardWellert:
Bei der Modernisierung von Be-
standsgebäuden ist meiner Meinung nach das The-
ma Katalytik sehr bedeutend. Denn wenn bereits
Belastungen vorhanden sind, lassen sich diese ja
nicht wegradieren. Wir müssen deshalb schau-
en, wie wir sie katalysieren oder kompensieren
können. Dafür gibt es entsprechende Baustoffe.
Genauso wichtig ist es aber auch, dass die Nutzer
diese Lösungen für sich persönlich annehmen. Ich
kann Mieter nicht mit Formeln und wissenschaft-
lichen Kurven überzeugen, sondern ich muss sie
einzeln emotional mitnehmen.
Axel Gedaschko:
Sie sprechen da einen ganz zen-
tralen Punkt an. Es nützt nichts, wenn wir uns die
tollsten Dinge ausdenken, aber keine Akzeptanz in
der täglichen Nutzung erreichen. Auf meinen Som-
merreisen komme ich ja in der ganzen Republik
herumund sehe dann häufig Situationen, dieman
gar nicht glaubenwill – v. a. bei der Lüftung. Wenn
neue Fenster eingebaut werden, dann setzt der
klugeWohnungsunternehmer ein Dauerlüftungs-
system ein. Und was machen manche Mieter? Sie
legen dieses Dauerlüftungssystem lahm, indem
sie die Ritzen zukleben.
Heinz-Werner Schmidt:
Wenn man vorher in
einem älteren Haus gewohnt hat und dann in ei-
nen Neubau mit einer eingebauten kontrollierten
Be- und Entlüftungsanlage wechselt, ist das ohne
Unterweisung der Nutzer und das damit vorhan-
dene grobe Verständnis der technischen Zusam-
menhänge ein wirklich schwieriges Unterfangen.
VieleMenschenmüssen deshalb erst einmal an das
Thema herangeführt werden.
Wir dürfen die Psychologie und Gewohnheiten der
Bewohner nicht außer Acht lassen. Viele verfal-
len wieder in alte „Wohnmuster“ und setzen z.
T. unbewusst die vollautomatischen technischen
Anlagen zum Erhalt und Schutz der Gebäudesub-
stanz außer Kraft.
Gerhard Wellert:
Es nützt tatsächlich nichts,
wenn wir uns tolle Systeme und Technologien
ausdenken, die dann so komplex sind, dass der
Nutzer überfordert ist. Wir müssen ihn mitneh-
men. Manchmal erleben wir ja – Herr Gedaschko
hat ein Beispiel dafür genannt –, dass die Nutzer
diejenigen sind, die ihre eigene Wohngesundheit
durch ihr Verhalten stark beeinträchtigen. Des-
halb brauchen wir viel Kommunikation und viel
Überzeugungskraft.
Oliver Rühr:
Als Bauingenieur bin ich ein Verfech-
ter baupraktischer Lösungen. Ich bin dafür, ein-
fach zu bauen und immer darüber nachzudenken,
wie man mit weniger Technik in einem Gebäude
auskommen kann. Denn auch wir erfahren immer
häufiger, dass viele Bewohner mit der Anlagen-
technik überfordert sind. In unserem Team für
Projektmanagement betreuen wir Großprojekte.
Meine Mitarbeiter stellen z. B. fest, dass die Spei-
chermasse der Gebäudehülle wieder langsam ins