DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2016 - page 33

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Studie mit Fokus auf Ökologie und Ökonomie
Als wichtigen Baustein seiner umfassenden Nach-
haltigkeitsstrategie beauftragte das Wohnungsun-
ternehmen deshalb das in Köln ansässige Institut
für angewandte Energiesimulation und Facility
Management (ifes) mit einer breit angelegten
Studie zu Wärmedämmsystemen. Die im ifes zu-
ständige Projektingenieurin Britta Birkner meint:
„Die Studie ist sehr umfangreich geworden, denn
die Nassauische Heimstätte wollte keinen Schnell-
schuss – sondern vielmehr belastbare, nachhaltige
und verlässliche Ergebnisse.“
Erster Schritt der Kölner: eine umfassende Be-
wertung aller auf dem Markt befindlichen Sys-
teme. Unterschieden wurden die Stoffe nach
den Kategorien „Synthetische Dämmstoffe“ wie
Expandiertes Polystyrol (EPS) oder Extrudiertes
Polystyrol (XPS), „Mineralische Dämmungen“ wie
Glas- oder Steinwolle sowie Systeme aus nach-
wachsenden Rohstoffen wie Holz, Kork oder Zel-
lulose. Der Ergebnisband listet nicht weniger als
40 verschiedene Wärmedämmsysteme, die unter
anderemauf Einsatzeignung, Wärmeleitfähigkeit,
Baustoffklasse, Entsorgung und natürlich Markt-
preis untersucht wurden. Aufgeführt werden die
Vor- und Nachteile: Polystyrol etwa punktet bei
der Wärmedämmung, vor allem, wennwenig Platz
zur Verfügung steht oder Anbauten Wärmebrü-
cken bilden. Allerdings: Für den Brandschutz
müssen in diesem Fall zusätzliche Brandriegel
aus mineralischer Dämmung in der Fassade ein-
gezogen werden.
KfW-Effizienzhäuser als Referenz
Im nächsten Schritt definierte die Arbeitsgruppe
aus ifes-Fachleuten und einem Team der Nassau-
ischen Heimstätte die Referenzgebäude: Für den
Neubaubereich wählten sie einen Wohnblock im
Wiesbadener Künstlerviertel und für den Bestand
eine sanierungswürdige Immobilie in Frankfurt-
Unterliederbach. Festgelegt wurde außerdemdie
Berechnungsgrundlage für beide Häuser. Der Neu-
bau sollte das Niveau KfW-Effizienzhaus 70 und
der sanierte Altbau nach Abschluss der Maßnahme
die Werte eines KfW-Effizienzhauses 115 errei-
chen. Ein neues Gebäude darf – diesen Referenzen
folgend – max. 85% vom Transmissions-Wärme-
verlust des EnEV-Referenzhauses aufweisen, das
Bestandsgebäude immerhin noch 130%.
Unter diesen Vorgaben erarbeitete die Gruppe
jeweils eine zusätzliche bauliche Ausführung der
beiden Musterhäuser. Danach entwickelten die
Fachleute Varianten mit unterschiedlichen Ma-
terialkombinationen für die Dämmung. EinMate-
rialmix war immer ein rein ökologischer, bei dem
möglichst nur Dämmstoffe aus nachwachsenden
Rohstoffen berücksichtigt wurden. Für jedes Ge-
bäude definierte das Teamzudem„Zielvarianten“,
die alle Materialien enthielten, die für das jewei-
lige Haus bautechnisch am sinnvollsten erschie-
nen. Für jeweils zwei Gebäudetypen im Neubau
und im Altbau standen am Ende 14 verschiedene
Varianten zur Auswahl. Britta Birkner berichtet:
„Wir haben für alle diese Varianten einen EnEV-
Nachweis gerechnet mit den Dämmstärken, die für
die Einhaltung der geforderten Werte notwendig
sind.“
Empfehlung: Steinwolle im Neubau,
Polystyrol bei der Sanierung
Die Ergebnisse waren überraschend: Rein von den
Kosten her gewann im Neubau eine Variante das
interne Ranking, derenMaterialienmix aus Stein-
wolle an der Wand, EPS auf demDach und Schaum-
glasgranulat unter der Bodenplatte besteht. Die
Kostenersparnis resultiert dabei imWesentlichen
aus demgünstigeren Preis für das Granulat imVer-
gleich zum XPS. Die kostengünstigere Dämmung
verursacht bei ihrer Herstellung rund vier Tonnen
CO2-Äquivalent mehr als der bislang eingesetzte
Stoffmix. Die verschiedenen Kombinationen von
Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen
führen über alle Varianten hinweg zu einer Kos-
tensteigerung von bis zu 3% bezogen auf den
Lebenszyklus. Dafür entsteht bei der Produktion
der natürlichen Materialien bis zu 30% weniger
CO2-Äquivalent.
Eingeflossen sind bei der ökologischen Betrach-
tung alle Faktorenwie Herstellung, Einbau, Trans-
port und Entsorgung. Die LCC (Life Cycle Costs)-
Berechnung berücksichtigt alle Kosten, die über
den Zeitraum von 50 Jahren entstehen – inklusi-
ve der Aufwendungen für Bau, Nutzung, Betrieb,
Wartung, gegebenenfalls nötige Erneuerung und
Entsorgung.
Bei der Sanierung von Altbauten konnte sich der
bisher bereits angewandte Dämmstoffmix bei
der LCC-Kostenbetrachtung durchsetzen. Nur
1.242 €/m2 BGF kostet der Materialmix aus EPS
an Wänden und Dächern sowie Mineralfaser an
der Kellerdecke über einen Lebenszyklus von fünf
Jahrzehnten. Gut 1.278 € sind es hingegen bei der
teuersten ökologischen Variante aus nachwach-
senden Rohstoffen. „Das ideale Dämmmaterial,
das allen Aspekten gleich gut Rechnung trägt, gibt
es nicht“, erklärt Ingenieurin Birkner. „Überall da,
wo man wenig Raum hat, aber gute Dämmergeb-
nisse erzielen muss, haben synthetische Dämm-
stoffe klare Vorteile gegenüber mineralischen
und natürlichen. Steinwolle hingegen weist beim
Brandschutz Vorteile auf, nachhaltigeMaterialien
punkten in Sachen Ökologie.“
Belastbare Ergebnisse auf breiter Datenbasis
Unter Abwägung aller Faktoren kann die Un-
ternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/
Wohnstadt somit eine wissenschaftlich begrün-
dete Empfehlung aussprechen. „In der nun fer-
tiggestellten Untersuchung wurden verschiedene
gängige Dämmstoffe unter brandschutztechni-
schen, ökologischen, bautechnischen und ökono-
mischen Aspekten untersucht und bewertet. Für
eine unter Sicherheits- sowie Nachhaltigkeitsge-
sichtspunkten tragfähige Investitionsentschei-
dung müssen alle Aspekte sorgfältig abgewo-
gen werden. Die Studie stellt sicher, dass wir mit
dem uns zur Verfügung stehenden Gesamt-
Quelle: Nassauische Heimstätte, Foto: Fotolia
Welcher Dämmstoff ist für welches Einsatzgebiet der Beste? Wie sieht seine Nachhaltigkeitsbilanz
aus? Das ließ die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt untersuchen
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