DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2016 - page 57

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3|2016
Forschungsvorhaben
Da es unterschiedliche Möglichkeiten zur Um-
setzung von Mieterstrom gibt, wurde in einem
Forschungsprojekt
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untersucht, welche Praxi-
serfahrungen Wohnungsunternehmen mit Mie-
terstromprojekten gesammelt haben (siehe DW
9/2015, S. 31) undwelcheModelle sie umsetzen.
Grundsätzlich muss jedes Unternehmen für seine
individuelle Situation prüfen, ob Mieterstrom in
der Muttergesellschaft, in einem Tochterunter-
nehmen oder in Kooperation mit einem Partner
umgesetzt werden soll (siehe Abb. 1). Zentraler
Punkt ist die Stromlieferung innerhalb des Ge-
bäudes (Kundenanlage), ohne dass das Netz der
allgemeinen Versorgung genutzt wird. Dadurch
entfallen die Netznutzungsentgelte und eine Rei-
he weiterer Abgaben, wodurch Mieterstrom erst
wirtschaftlich interessant wird.
Pioniere und ihre Handlungsansätze
Es konnten nur wenige Wohnungsunternehmen
gefunden werden, die Erzeugung und Vertrieb
direkt im Mutterunternehmen umgesetzt haben.
Mieterstrom wird entweder in einem Tochter-
unternehmen realisiert oder in Kooperation mit
einem lokalen Energieversorger oder Contractor.
In der Kooperation profitieren die Unternehmen
wechselseitig
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(siehe Abb. 2). Einige umgesetzte
Beispiele sind im Folgenden dokumentiert.
Blockheizkraftwerke
Die Städtische Wohnungsgesellschaft Bremerha-
ven mbH (STÄWOG) erneuert ihre Heizungsanla-
gen seit 2007 überwiegend durch BHKW-Anla-
gen. Ca. 10% des gesamten STÄWOG-Bestandes
sind mittlerweile mit BHKWs versorgt. Die Mut-
tergesellschaft STÄWOG errichtet die Anlagen,
das Tochterunternehmen STÄWOG SERVICE be-
treibt die Anlagen und liefert Strom und Wärme
an die Mieter. Bei der Neuvermietung können
fast alle Mieter für den Mieterstrom gewonnen
werden, bei Bestandssanierungen ist ein erhöh-
ter Akquisitionsaufwand zur Gewinnung von
Stromkunden erforderlich. Durch die natürliche
Fluktuation schließen im Lauf der Zeit ca. 2/3
der Mieter einen Stromlieferungsvertrag ab. Das
Wegwechseln von Stromkunden hat bislang nicht
stattgefunden.
Bei dem Neubau der bauverein AG in Darmstadt
mit 88 geförderten Wohnungen und einer Kita
wird der Mieterstrom in Kooperation mit dem
lokalen Energieversorger, der ENTEGA AG, an-
geboten. Diese errichtet und betreibt ein BHKW
und übernimmt die Vermarktung an die Mieter.
Um eine möglichst hohe Teilnahmequote zu
erreichen, erfolgt die Ansprache der Mieter ge-
meinsammit demWohnungsunternehmen direkt
beimAbschluss des Mietvertrags. Das Wohnungs-
unternehmen beteiligt sich außerdem mit einem
Baukostenzuschuss an den Investitionskosten der
Wärmeversorgung.
PV-Stromanlagen
Das ThemaMieterstromwird zukünftig an Bedeu-
tung gewinnen, wenn verstärkt Photovoltaikan-
lagen zur Erfüllung der Anforderungen der Ener-
gieeinsparverordnung (EnEV) installiert werden.
Auch bei Mehrfamilienhäusern imFeldversuch zum
Effizienzhaus-Plus-Standard der Forschungs-
Quelle: STÄWOG
Wohnblock mit BHKW
der STÄWOG Bremerhaven
Die wesentlichen Elemente des Mieter-
oder Direktstroms sind:
• Die dezentrale Erzeugung von Strom,
die entweder regenerativ oder mit hoher
Effizienz in Blockheizkraftwerken erfolgt.
• Die Erzeugungsanlage befindet sich im
Gebäude oder auf dem Grundstück.
• Zwischen der Erzeugungsanlage und den
Kunden besteht ein räumlicher Zusam-
menhang.
• Der Strom wird ohne die Nutzung der
Netze der allgemeinen Versorgung über
eine Kundenanlage an die Endverbrau-
cher (Mieter) geliefert.
WAS IST MIETERSTROM?
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