DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 28

ENERGIE UND TECHNIK
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1|2016
Geoinformationssysteme
Open eQuarter unterstützt energetische Planungen
auf Quartiersebene
Das Forschungsprojekt „Open eQuarter“ nutzt die Möglichkeiten moderner Geoinformationssysteme (GIS)
zur teilautomatisierten Erfassung und Auswertung georeferenzierbarer Informationsquellen verschiedens-
ter Art. Im Zentrum steht die Entwicklung einer Softwareumgebung, die den energetischen Status eines
Blocks oder Quartiers bei möglichst geringem Erfassungsaufwand zeit- und gebäudegenau abbildet.
In einem zweigliedrigen Projektansatz aus Soft-
wareentwicklung und Quartiersanalyse verfolgt
das transdisziplinäre Forscherteamder Universität
der Künste Berlin und der DMSW Architekten die
Entwicklung einer freien und kostenlosen Open-
Source-Lösung. Das Projekt wird mit Mitteln der
Initiative „ZukunftBau“ des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit BMUB gefördert.
Hilfsmittel Geoinformation
Die größten Hindernisse für den alltäglichen Ein-
satz einer rechnergestützten Quartiersanalyse
zur energetischen Bewertung liegen in der Erfas-
sung und Aufbereitung qualitativ zuverlässiger
Grunddaten für eine große Anzahl von Bauwerken.
Betrachtet man ein Einzelgebäude, so ist es mit
relativ überschaubarem Zeitaufwand möglich,
die notwendigen spezifischen Informationen für
eine zuverlässige energetische Beurteilung zu-
sammenzutragen. Handelt es sich dagegen um
hunderte oder sogar tausende von Gebäuden, so
wird diese detaillierte Eingangsdatenakquise spä-
testens unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten
zum unlösbaren Problem.
Bisherige Ansätze rechnergestützter Quartiers-
analyse setzen das Vorhandensein entsprechender
gebäudespezifischer Daten einfach voraus oder
begegnen dieser Schwierigkeit durch Abstraktion,
Typisierung oder Vergleichsdaten. Diese Vorge-
hensweisen führen jedoch zwangsläufig zu einer
deutlichen Einschränkung der Anwendungsmög-
lichkeiten oder zu einer erheblichen Verminderung
der erreichbaren Präzision und/oder der räumli-
chen Auflösung.
Geoinformationssysteme (GIS) finden im Pla-
nungsbereich zunehmend Verbreitung und er-
möglichen eine völlig neue Herangehensweise.
Mit ihrer Hilfe können beliebige räumliche Infor-
mationen zu übersichtlichen Karten aufbereitet
werden und spezielle Werkzeuge ermöglichen,
ortsbezogene Informationen zu extrahieren.
Relevantes Kartenmaterial steht in block- oder
sogar gebäudeweiser Auflösung je nach Region in
immer größeremUmfang und zu immer mehr The-
menbereichen öffentlich und frei zur Verfügung
(z. B. Daten zu Gebäudealter, solare Nutzbarkeit,
Sozialstruktur etc.).
Die Open-eQuarter-Erweiterung für das Open-
Source-GIS QGIS
tzt dieses
Potenzial in erster Linie zur energetischen Sta-
tus-quo-Analyse. Die Ergebnisse werden in einer
Gebädedatenbank festgehalten und visualisiert.
Sie können so direkt für Prognosen über die Aus-
wirkungen baulicher, gebäudetechnischer und in-
frastruktureller Maßnahmen genutzt werden. Das
zu diesem Zweck neu entwickelte „Pin-Piercing-
Verfahren“ ist auch auf ökonomische, soziologi-
sche und demografische Daten anwendbar. Damit
werden über die energetischen Aspekte hinaus
auch Vorhersagen über die wirtschaftliche und po-
litische Durchsetzbarkeit entsprechender Sanie-
rungsmaßnahmen im Quartierskontext möglich.
Aufbau und Funktionsweise
Das Konzept des Open-eQuarter-Tools stützt sich
im Wesentlichen auf eine viergliedrige Struktur,
in deren Zentrum eine Gebäudedatenbank steht.
Flankiert wird diese Datenbank durch ein GIS für
die Datenakquise. Zusätzlich stellt ein Webserver
die Auswertungsfunktionalität und deren Ergeb-
nisse im Internetbrowser zur Verfügung.
Im GIS werden räumliche Lagedaten der vom
jeweiligen Untersuchungsraum umfassten Bau-
werke auf einem „Bezugslayer“ angelegt. Dafür
kommen z. B. digitale georeferenzierte Raum- und
Katasterdaten zu Gebäudeumrissen sowie amtli-
che Gebäudekoordinaten in Betracht.
Alle verfügbaren Informationsquellen, die für die
energetische Beurteilung der Gebäude relevant
sein könnten, werden als „Informationslayer“
in das GIS importiert, ggf. georeferenziert und
mit inhaltsspezifischen Aus- und Bewertungs-
algorithmen verknüpft. Die Themenpalettemög-
licher Quelldaten ist dabei ebenso breit wie die
Vielfalt verwendbarer Formate (Vektordaten, Ras-
terdaten, Tabellendaten, Datenbanken). Heutige
Geo-informationssysteme verfügen über umfang-
reiche Import- bzw. Einbindungsmöglichkeiten,
dass nahezu jede georeferenzierbare Quelle ge-
nutzt werden kann. Im Anschluss wird das Pin-
Piercing-Verfahren auf jedes einzelne Gebäude
angewandt und die Gebäudedatenbank aufge-
baut. Sie dient als Basis für Quartiersanalysen
Michael Färber
DMSW Architekten und Deutscher
Verband für Wohnungswesen,
Städtebau und Raumordnung
sowie TU Berlin
Werner Kaul
UdK Berlin am Institut für Archi-
tektur und Städtebau – Fachgebiet
Versorgungsplanung und Versor-
gungstechnik
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