DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2016 - page 33

31
1|2016
Auch dies kann die Versorger belasten. Heben
die betroffenen Versorger den Wasserpreis an,
forciert dies wiederum die Sparbemühungen der
Nutzer. Die sinkenden Wasserabnahmemengen
verursachen Probleme in der bestehenden Infra-
struktur. Zuwenig genutzte Trinkwasserleitungen
müssen zur Erhaltung der Trinkwassergüte ver-
mehrt gespült werden. Hinzu kommen Probleme
imAbwasserbereich. Auch hier muss mehr gespült
werden, in der Regel mit Trinkwasser.
Um diesem Dilemma zu entkommen, wird in Ver-
sorgerkreisen vermehrt die Änderung der Tarif-
struktur erwogen. Die Mehrzahl der Preis- oder
Gebührensysteme für Trinkwasser und Abwasser
haben mengenunabhängige Entgeltanteile, die
unter den entsprechenden fixen Kostenanteilen
liegen. Eine Verlagerung der Preisanteile auf den
Grundpreis wird als Ausweg erachtet: Denn diese
Kosten fallen an, unabhängig ob das Netz gering
oder in hohemMaße genutzt wird. Die Infrastruk-
tur muss auch dann finanziert werden, wenn sie
weniger oder vonweniger Kunden gebraucht wird.
Mit der Verlagerung wird der Wasserverbrauch
geringer gewichtet. Dennoch soll ein Anreiz er-
halten bleiben, angemessen mit der Ressource
Trinkwasser umzugehen.
Verursachergerechte Kostenallokation?
Ansätze zur Tarifänderung, die die Kostenallokati-
on nicht verursachergerecht spiegeln, werden von
derWohnungswirtschaft abgelehnt. Hinzu kommt,
dass bei einer Mehrgewichtung des Grundpreises
Wenigverbraucher, i. d. R. sparsame Alleinste-
hende, relativ stärker belastet werden. Mehrver-
braucher wie Familien mit Kindern werden dafür
geringfügig entlastet. Durch dieMehrgewichtung
des Grundpreises entstehen auch Verschiebungen
bei der Verteilgerechtigkeit zwischen Ein- (EFH)
und Mehrfamiliengebäuden (MFH). Dieser Kon-
flikt ist mit dem Wasserzählerpreismodell nicht
aufzulösen, da bei MFH unter 30 WE die gleichen
Zähler einzusetzen sind.
Verschiedene Wasserversorger haben das Wohn-
einheitenmodell eingeführt und einen Grundbe-
trag pro Wohneinheit verlangt. In der Grundkon-
stellation wird damit ein EFH genauso bewertet
wie jede einzelne Wohnung in einem MFH. Dies
führt zu enormen Betriebskostensteigerungen
für Mieter in Mehrfamilienhäusern. Aus Sicht der
Wohnungswirtschaft verletzt dies eklatant den
Grundsatz der Kostenverteilungsgerechtigkeit.
Es ist mitnichten so, dass die Vorhaltung eines
Wasseranschlusses eines 30-WE-Gebäudes 30-
mal teurer ist als die eines EFH. Bezieht man die
Vorhaltekosten auf die vorzuhaltende Leistung
des Hauswasseranschlusses, so liegt der Faktor
bei 10 WE im Vergleich zu 1 WE bei 1,7 und nicht
bei 10 und für 200 WE bei nur 2,5. Dies begrün-
det sich mit der Gleichzeitigkeit bzw. dem nicht
gleichzeitigen Auftreten von Wasserentnahmen
im MFH.
Beispiele aus Bad Liebenwerda und Herzberg
zeigen, dass bei einer Umstellung auf den Wohn-
einheitenmaßstab der Mischpreis für Abwasser,
Trink- und Niederschlagswasser um 31 bzw. 22%
stieg. Am Beispiel des BBU-Modellmehrfamilien-
hauses bedeutet das eine Steigerung auf 6,53 bzw.
6,84 €/m
3
. Die Proteste vor Ort erforderten eine
Neufestsetzung der Gebühren in Bad Liebenwer-
da, so dass der Mischpreis im Jahr 2015 nur noch
rund 5 €/m
3
beträgt. Klagen von Wohnungsun-
ternehmen in Cottbus gegen die Umstellung auf
den Wohneinheitenmaßstab beschäftigen die
Gerichte.
Alternativen
Als Ausweg wird von Versorgern und ihren Bera-
tern die degressive Gestaltung des Wohneinhei-
tenmodells gesehen. Hier sinkt der Grundpreis für
jede weitere Wohneinheit. Auch Stufenmodelle
sind denkbar. Professor Dr. Gawel von der Univer-
sität Leipzig hat das Tarifmodell als Alternative
zu dem von ihm verworfenen linearen Wohnein-
heitenmaßstab beschrieben (Der Gemeindehaus-
halt, Heft 4, Jahrgang 2010, S. 73-82). Auch die
Stadtwerke in Mühlheim/Ruhr haben ein Modell
entwickelt (Systempreismodell, Prof. Oelmann,
Hochschule Ruhr West), das einen Grundpreis-
anteil generiert, der 50% der Gesamtkosten de-
cken soll, aber gleichzeitig die Kostenänderung
für jeden einzelnen Mieter auf ± 5% begrenzen
soll. Kernpunkt ist eine degressive Gestaltung
der Grundgebühr basierend auf der Anzahl der
Wohneinheiten! Folglich sollen die Grundkosten
pro WE in großen Mehrfamilienhäusern sinken.
Allerdings benötigt natürlich jede Versorgungs-
region ihre eigene Betrachtung und spezifische
Ausgestaltung.
Es ist denWohnungsunternehmen zu empfehlen,
ein von ihren Versorgern neu eingeführtes Modell
grundsätzlich hinsichtlich der Auswirkungen auf
die Betriebskosten zu prüfen. Die Wohnungs-
unternehmen sollten ferner auf einen offenen,
transparenten Gestaltungsprozess des Preismo-
dells und eine offene Kommunikation drängen.
Es müssen die Wohnungsunternehmen aber auch
aktiv in einemGebührenumstellungsprozess mit-
wirken, da nur so die Eigenheiten des eigenen
Bestands Berücksichtigung finden können. Die
degressive Ausgestaltung des WE-Preismodells
könnte einen Kompromiss bieten. Weiterhinmuss
darauf geachtet werden, dass nicht Preiserhöhun-
gen und Gebührenmodellumstellung vermischt
werden.
Aus Sicht des Autors wäre eineMischung aus Was-
sergrundkontingent (xm
3
Festpreis, ob verbraucht
oder nicht) pro Person und Woche mit aufbauen-
der mengenmäßiger Tarifierung zielführend. Dies
würde die hygienischen Probleme aufgrund von
Fehlanreizen minimieren, aber Verschwendung
begrenzen. Hierfür fehlt aus heutiger Sicht jedoch
die Erfassungstechnik. Weiterführende Informa-
tionen bietet der BDEW in der Broschüre „Praxis-
leitfaden Wasserpreismodelle“ und das Internet
unter „Mühlheimer Tarifmodell“.
Weitere Informationen:
un
d
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
Beispiele von Wasserzählern, wie sie von verschiede-
nen Anbietern in der Wohnungswirtschaft eingebaut
werden. Hier ein Messkapsel-Wärmezähler ...
... und hier ein sog. T-Stück-Zähler für Warmwasser
mit Rosette
Quelle: Techem
1...,23,24,25,26,27,28,29,30,31,32 34,35,36,37,38,39,40,41,42,43,...76
Powered by FlippingBook