DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2016 - page 50

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10|2016
Mieterstrom
Innovatives Projekt in Hannover
In einem Sanierungs- und Bauprojekt in Hannover-Garbsen wurde ein in-
novatives Energiekonzept realisiert. Projektentwickler Rainer Burmester
und Investor Harmut Büsche wollen zeigen, wie es im Wohnungsbau mög-
lich ist, Konzepte unter Nutzung der erneuerbaren Energien umzusetzen,
die sowohl nachhaltig als auch wirtschaftlich sein können. Die Vision der
Beteiligten ist es, der Wohnungswirtschaft Ideen aufzuzeigen, wie die ca.
40 Mio. Mieter in Deutschland langfristig gesehen an der Energiewende
beteiligt werden können.
Im ersten Bauabschnitt wurde die Vollsanierung eines historischen Gebäu-
des auf den KfW-70-Standard vorgenommen. In dem Gebäude befinden
sich vier Wohneinheiten mit insgesamt ca. 400 m
2
Wohnfläche. Die ersten
Wohnungen wurden bereits bezogen. Im zweiten Bauabschnitt sollen ab
2017 vier bis sechs Reihenhäuser mit ca. 600 m
2
Wohnfläche entstehen
und an das vorhandene Energieversorgungssystem angeschlossen werden.
Konzept, Projektenwicklung, Realisierung:
Rainer Burmester, RBP-Energielösungen
Bauherr, Vermieter und Energieversorger:
Hartmut Büsche, Büsche Energieversorgung GbR
Stromerzeugung:
38 KWP PV-Anlage (Erweiterung für 2. Bauabschnitt geplant)
• Ost-Westbelegung
• 143 Module (polykristallin)
Stromspeicherung zur Nachtabdeckung:
E3DC Farming System
• zwei Speicher a 13,8 KWh Nettokapazität
Wärmeerzeugung: Luft-Wärmepumpenkaskade
• 2x Ochsner GMLW 9 plus
• 2x Ochsner Trennspeicher 500l und 300l
• Backupsystem 4x Heizstab a 6 KW
Energiemanagement:
Schalt-Aktoren des Speichers verbunden mit SG-Ready-Schnittstelle
der Wärmepumpen
Erwarteter Energiebedarf inkl. des 2. Bauabschnittes (insgesamt
35 Mieter):
prognostizierter Stromverbrauch ca. 60.000 KWh p.a.,
prognostizierter Wärmebedarf (Heizung + WW) ca. 80.000 KWh
ZUM PROJEKT
Der Bauherr ist nicht nur der Eigentümer und Vermieter der Wohnein-
heiten, sondern auch der Energieerzeuger und -versorger seiner eigenen
Mieter. Hierzu hat er eigens eine Energieversorgungsgesellschaft
gegründet.
Eine Photovoltaikanlage nimmt die Rolle des Generators ein und liefert somit
die Energiebasis. Ein installiertes E3DC-Farming-System dient der Abdeckung
des Nachtstrombedarfes. Die Wärmeerzeugung findet über eine lastgesteuerte
Wärmepumpenkaskade und Ausnutzung der Außenluft statt. Abgerundet
wird die Wärmeerzeugung durch ein entsprechend dimensioniertes Puffer-
speichersystem. Zur Optimierung des ohnehin hohen Eigenverbrauches ist ein
Energiemanagementsystem im Einsatz, das die Einzelkomponenten zu einem
intelligent handelnden Gesamtsystem zusammenschließt und bei Energie-
überschüssen automatisch Verbraucher schaltet. Um saisonale Ertragslücken
abzudecken, soll „Grünstrom“ beim örtlichen Stadtwerk zugekauft werden.
Somit wird die Energieversorgung CO
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-neutral gewährleistet. Auf einen Gas-
anschluss wurde verzichtet.
Um den gesetzlichen Forderungen (BGB, EEG, Energierecht und Miet-
recht) zu entsprechen, mussten passende Vertragswerke erarbeitet
werden. Um verbrauchsabhängige Nachweise erbringen zu können,
wurde ein Datenmodell mit dem entsprechenden Messkonzept von Sun
Energy Europe entwickelt, das die Abnahmen von Strom, Wärme, Warm-
und Kaltwasser in Echtzeit misst. Abgerundet wird dieses Konzept durch
einen Abrechnungsservice, der nicht nur die monatlichen bzw. jährli-
chen Abrechnungen für den Energieversorger (Vermieter) übernimmt,
sondern auch die aktuellen Verbrauchszahlen (Umsatz) pro Mieterein-
heit im Internet bereitstellt. Der prognostizierte Eigenverbrauch liegt
bei ca. 75% für Strom und 100% für Wärme.
Für die Mieter wurde ein Anreizsystem zur Abnahme der lokal erzeugten
Energie geschaffen, sodass der Strompreis aktuell 2 ct unter dem Refe-
renzpreis (Ökostrom) der Stadtwerke liegt. In Bezug auf die Wärmever-
sorgung wird für das erste Jahr testweise eine „Flatrate“ ausprobiert. Hier
ist der durchschnittliche Verbrauch im Mietpreis enthalten.
Als Weiterentwicklungsperspektiven des Projekts sehen die Beteiligten
die Einbindung einer Kleinwindkraftanlage, die Erweiterung durch eine
Ladestation mit Elektroautos für die Bewohner, Einbindung der E-Cars in
die Haustechnik sowie die Ergänzung um einen thermischen Speicher als
Langfristspeicher zum Ausgleich saisonaler Ertragsschwankungen.
Nach Abschluss der ersten Heizperiode wird die DW erneut über die Erfah-
rungen mit dem Projekt berichten.
ENERGIE UND TECHNIK
Quelle: RBP-Energielösungen
Ostdachbelegung
Speicherfarmingsystem
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