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10|2016
Bei der Wahl des Aufdoppelungssystems sollten
auch feuchteschutztechnische Aspekte beachtet
werden. Krus/Rösler haben in ihrer Veröffent-
lichung zur „Hygrothermische Berechnung der
Einsatzgrenzen unterschiedlicher Systeme bei
der Aufdoppelung von Wärmedämmverbundsys-
temen“ (Bauphysik, Heft 3, 2011) den klimabe-
dingten Feuchteschutz untersucht. Unkritisch sind
danach Wandaufbauten, bei denen ein Alt-WDVS
mit EPS durch eine neue EPS-Dämmschicht er-
gänzt wird. Feuchtetechnische Probleme sind un-
ter definierten Randbedingungen in Fällen mög-
lich, bei denen auf eine Wand, in der imAlt-WDVS
und/oder im Neu-WDVS eine Dämmschicht aus
Mineralwolle verbaut wurde, bei der der Altputz
einen hohen sD-Wert aufweist und bei der zugleich
ein äußeres Putzsystemauf Basis eines Kunstharz-
putzes gewählt würde. Will man so aufdoppeln, ist
eine genaue Feuchteschutzberechnung sinnvoll.
Markt und Potenziale
Aus Daten des Fachverbands WDV-Systeme und
unter Berücksichtigung von Verschnitt ergibt sich,
dass in Deutschland von 1976 bis Ende 2015 ca.
1.032,8Mio. m
2
Außenwandfläche anWohn- und
Nichtwohngebäudenmit WDVS gedämmt wurden.
53%dieser Fläche wurde vor 2002 gedämmt (vgl.
Abbildung 1).
Für Wohngebäude wurde auf der Basis der Ergeb-
nisse der „Datenbasis Gebäudebestand“ (Hrsg.
Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt sowie
Bremer Energie Institut, 2010 errechnet für das
Jahr 2009 - neuere Angaben liegen nicht vor),
dass bei 53,5% aller Außenwandflächen, die eine
Dämmschicht an der Außenwand aufweisen, die
Dicke der Dämmschicht maximal 9 cm beträgt.
Die Abschätzung ergab, dass bei ca. 490,8Mio. m
2
Wandfläche der Wärmeschutz des Alt-WDVS aus
heutiger Sicht unzureichend ist. Das sind ca.
47,5% aller bis Ende 2015mit WDVS gedämmten
Wandflächen. Umgerechnet auf Gebäude heißt
das, dass ca. 2,2 Mio. Wohngebäude mit einem
Alt-WDVS ausgestattet sind, das aus heutiger Sicht
aufgedoppelt werden sollte, um zukunftsfähig zu
sein, vor allem, wennman die Erfüllung der Klima-
schutzziele für 2030 und 2050 anstrebt. Nunwird
man nicht jedes Alt-WDVS aufdoppeln können.
Deshalbwurde ein Abzug von 15% vorgenommen.
Es verbleibt ein realistisches Potenzial von ca.
417 Mio. m
2
aufdoppelbarer Wandfläche.
Wenn imJahr 2030 alle „realistischen“ Alt-WDVS-
Flächen nachgedämmt wären, die aus heutiger
Sicht unzureichend nachgedämmt sind, würde
gegenüber demStand von 2015 eine Endenergie-
einsparung von ca. 9,2 TWh pro Jahr (ca. 33,0 PJ
pro Jahr) erzielbar sein.
In vielen Fällen wird die Aufdoppelung energe-
tisch suboptimaler WDVS vor allem dann sinnvoll
sein, wenn ohnehin Instandhaltungsmaßnahmen
anfallen. Bei einemWDVS ist das insbesondere der
Zeitpunkt, an dem ein solches System zumindest
mit einemneuen Anstrich versehenwerdenmuss.
Umstände, Gründe und Erfahrungen mit
Aufdoppelung
Bei 73 Gebäuden, bei denen bereits eine Aufdop-
pelung vorgenommenwurde, wurden die Eigentü-
mer 2015/16 nach den Umständen, Gründen und
Erfahrungenmit der Aufdoppelung befragt. Zu 16
Gebäuden liegen Antworten vor. Die Rücklaufquo-
te betrug 22%und ist recht gut. Hervorzuhebende
Ergebnisse sind:
2
• Aufdoppelungen wurden im Wesentlichen bei
Gebäuden vorgenommen, bei denen das Altsys-
tem vor 1995 angebracht wurde.
• Aufdoppelungen finden vor allem in wachsen-
den Städten statt, weniger in stagnierenden/
schrumpfenden Städten und nicht im ländlichen
Raum.
• Wenn aufgedoppelt wird, werden i. d. R. alle
Außenwände aufgedoppelt.
• Gründe für die Aufdoppelung sind an erster Stelle
die Verbesserung des Wärmeschutzes, an zwei-
ter Stelle die Sanierung des Altsystems und an
dritter Stelle die Verbesserung der Gestaltung.
(siehe Abbildung 2).
• Aufdoppelungen finden fast immer imZuge einer
umfassenden Modernisierung statt.
• Die Aufdoppelung ist gut planbar: Nur in 6% der
Fälle traten unvorhergesehene Zusatzarbeiten
auf.
• Durchschnittlich fand eine Verbesserung des
Wärmeschutzes der Außenwände um 63%
statt (durchschnittlicher U-Wert alt = 0,54 W/
(m
2*
K), durchschnittlicher U-Wert neu = 0,20
W/(m
2*
K)).
• Die durchschnittliche Dämmschichtdicke des
Alt-WDVS beträgt 5,6 cm. Die durchschnittliche
Dicke der neuen Dämmschicht beträgt 11,8 cm
und die durchschnittliche Gesamtdämmschicht-
dicke liegt bei 17,4 cm.
• Die durchschnittlichen Kosten der Aufdoppelung
betrugen inkl. MwSt. pro m
2
Bauteilfläche:
- inkl. Gerüst, Verbreiterung Ortgang usw.:
107,33 €
- ohne Gerüst, Verbreiterung Ortgang usw.:
97,63 €
• Die Akzeptanz der Aufdoppelung z. B. bei Mie-
tern, Nutzern, demAufsichtsrat etc. war in aller
Regel gut bis sehr gut.
Wirtschaftlichkeit
Für vier Modellgebäude wurden Wirtschaftlich-
keitsberechnungenmit einer Kapitalwertmethode
vorgenommen. Diese Berechnungen wurden
EINSPARPOTENZIAL IM JAHR 2030 GEGENÜBER 2015
BEI AUFDOPPELUNG ALTER, UNZUREICHENDER WDVS BEI
WOHNGEBÄUDEN IN DEUTSCHLAND
1
Endenergieeinsparung Primärenergie-
Einsparung
CO
2e
-Reduktion
pro m
2
aufgedoppel-
ter Wandfläche
22,0 kWh/(m
2
Wand
*
a)
24,2 kWh/(m
2
Wand
*
a)
4,7 kg CO
2e
/
(m
2
Wand
*
a)
Bei 417,2 Mio. m
2
realistisches Potenzial
ca. 9,2 TWh/a
ca. 10,1 TWh/a
ca. 1,9 Mio. t
CO
2e
/a
Quelle: eigene Ergebnisse
ABB. 2: GRÜNDE FÜR DIE AUFDOPPELUNG
Quelle: eigene Ergebnisse
Verbesserung des
Wärmeschutzes
Verbesserung des
Brandschutzes
Sanierung des
Altsystems
Verbesserung der
Gestaltung
Nennungen in %
0
100
60
80
40
20
1 Sehr wichtig
3
2
4
6 völlig unwichtig
5
69
19
38
31
44
25
25
6
6
19
6
6
13
13
13
44
25