ENERGIE UND TECHNIK
56
10|2016
Alte Wärmedämmverbundsysteme aufdoppeln
Update für alte WDVS
Viele alte Wärmedämmverbundsysteme genügen nicht mehr den Klimaschutz-Anforderungen.
Um ein Gebäude fit für die Zukunft zu machen, ist bei einem Alt-WDVS nicht nur der Putz neu
anzustreichen, sondern die Dämmschicht zu verstärken. Bei dieser Gelegenheit können auch der
Brandschutz und die Gestaltung verbessert werden.
Im Bereich der Heizung ist es mittlerweile selbst-
verständlich, Heiztechnik der dritten Generation
(Niedertemperaturkessel) durch die vierte Gene-
ration (Brennwertkessel, BHKWs undWärmepum-
pen) zu ersetzen.
Im Bereich des Wärmeschutzes besteht hier ein
Rückstand in Deutschland: Zwar sind seit den
1980er Jahren bereits zahlreiche ungedämmte
Außenwandflächen (erste Generation) nachträg-
lichwärmegedämmt worden (zweite Generation),
viele davon jedoch in einer aus heutiger Sicht un-
zureichenden Dämmstärke und –qualität.
Geförderte Studie
Unterstützt durch die WDVS-Systemanbieter Al-
secco, Brillux, Caparol und Sto hat das Fraunhofer
IFAM im Rahmen des Programms „Zukunft Bau“
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit die Perspektiven alter
WDVS untersucht. Ziele und Aufgaben der Studie
waren vor allem:
• die Beschreibung der Randbedingungen der
Aufdoppelung (rechtliche, bauphysikalische,
technische)
• die Abschätzung der Potenziale der Aufdoppe-
lung älterer WDVS an Wohngebäuden auf der
Zeitachse bis 2030 (Flächen, Energiesparwir-
kung, CO
2
-Reduktion),
• die Auswertung von Erfahrungen mit WDVS-
Aufdoppelung und
• die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit vonWDVS-
Aufdoppelungen.
Zukunftsfähige Dämmqualität
Als nicht zukunftsfähig sind Alt-WDVS anzusehen,
deren Dämmschichtdicke bei einer Wärmeleitfä-
higkeit von 0,40W/(m
*
K) weniger als 10 cmoder
bei denen der Wärmedurchgangskoeffizient der
Außenwand mehr als 0,35 W/(m
2*
K) beträgt.
Solche Alt-WDVS sollten so aufgedoppelt werden,
dass U-Werte von höchstens 0,20 W/(m
*
K) er-
reicht werden. Ist vorher ein Alt-WDVS mit einer
Dämmschichtdicke von 6 cm auf üblichem Mau-
erwerk vorhanden, so wird diese U-Wert-Anfor-
derung bei einer Aufdoppelung mit einer 10-cm-
Dämmschicht bei einer Wärmeleitfähigkeit von
0,035 W/(m
*
K) erreicht.
Gute Zeitpunkte für die Aufdoppelung sind die,
bei denen ohnehin etwas an der Fassade verändert
werden muss oder soll, sei es eine Putzausbesse-
rung, eine neue Gestaltung oder gar eine umfas-
sende Modernisierung des Gebäudes.
Anhand von vier beispielhaften Mehrfamilien-
häusernwurde berechnet, welche Energieeinspa-
rung bei einer Aufdoppelung rechnerisch unter
Standardnutzungsbedingungen zu erwarten ist.
Dabei wurde jeweils ein Alt-WDVS mit d=6 cm
Dämmschicht und einer Wärmeleitfähigkeit von
λ
= 0,040W/(m
*
K) und, imFall der Aufdoppelung,
eine neue zusätzliche Dämmschicht von d=10 cm
einer Wärmeleitfähigkeit von
λ
= 0,035 W/(m
*
K)
angenommen. In Bezug auf die Bauteilfläche (Au-
ßenwandfläche) wird bei den Beispielgebäuden
durch Aufdoppelung eine Endenergieeinsparung
von 19,4 bis 27,2 kWh/(m
2*
a) erzielt. Flächenge-
wichtet (die Beispielgebäude haben unterschied-
lich große Außenwandflächen) sind es 22,0 kWh/
(m
2
Wand
*
a).
Anforderungen an Aufdoppelungen
Die Aufdoppelung eines bestehenden WDVS darf
nicht mit irgendwelchen Produkten oder Bauarten
Dr. Klaus-Dieter Clausnitzer
Fraunhofer-Institut für
Fertigungstechnik und
Angewandte Materialforschung
(IFAM)
Bremen
ABB. 1: WDVS-GEDÄMMTE WAND-
FLÄCHEN NACH ERRICHTUNGSJAHR
bis 1981
1982-1991
2002-2015
100% =
1.032,8 Mio. m
2
1992-2001
35%
47%
13%
5%
Quelle: eigene Berechnungen
durchgeführt werden, sondern nur mit zugelasse-
nen. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt)
hat als Zulassungsgeber mit bauaufsichtlichen
Zulassungen geregelt, unter welchen Vorausset-
zungen Alt-WDVS aufgedoppelt werden dürfen.
Rechtlich ist es dann zulässig, ein Alt-WDVS auf-
zudoppeln, wenn die Bestimmungen der bauauf-
sichtlichen Zulassung eingehalten werden.
Eine besondere Rolle spielt der Brandschutz. Hier
ist es wichtig, dass sich die Brandklassifizierung
nach dem schwächsten Glied richtet: Ein normal-
entflammbares Alt-WDVS kann durch eine Auf-
doppelung nicht zu einem schwerentflammbaren
System umgewandelt werden.
Um die Auswirkungen von Bränden zu verringern,
die von Quellen außerhalb des Gebäudes erfolgen
(z. B. brennendeMüllcontainer), wurden vomDIBt
2015 ergänzende Anforderungen an die Ausfüh-
rung vonWDV-Systemen gestellt. Diese gelten auch
im Falle von Aufdoppelungen, und zwar für das
Gesamtsystem, also inklusive des Alt-WDVS. Diese
Anforderungen führen u. U. dazu, dass zusätzliche
Brandriegel geschaffen werden müssen.