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Wirft man einen Blick auf die im letzten Jahr tat-
sächlich fertig gestellten Wohnungen, so zeigt
sich: Mit rund 247.700 Wohnungen blieb die
Zahl deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Schätzungen aus dem letzten Jahr hatten auf
mindestens 260.000 neue Wohnungen gehofft.
Die Fertigstellungen im Mehrfamilienhausbau
sind zwar um 4% angestiegen. Allerdings nah-
men hier die Eigentumswohnungen mit + 5,4%
Axel Gedaschko
Präsident
GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und
Immobilienunternehmen e. V.
Berlin
Quelle: Simone M. Neumann
stärker zu als der reineMietwohnungsbau, wo der
Zuwachs nur + 2,4% betrug. Der magere Anstieg
von insgesamt nur 2.400Wohnungenmehr als im
Vorjahr zeigt, dass der Wohnungsbau weiterhin
nicht ausreichend in Schwung kommt. Und: Der
überwiegende Teil der neu gebauten Wohnungen
entsteht im hochpreisigen – und eben nicht im
dringend benötigten bezahlbaren – Segment.
Die Bilanz beimWohnungsbau ist also derzeit nur
eines: ernüchternd. Das Ziel, den Neubaubedarf
von 400.000 Wohnungen jährlich insbesondere
in den Ballungsräumen zu decken, rückt in im-
mer weitere Ferne. Doch statt den Neubaumotor
endlich anzuwerfen, sorgt die Politik mit einer
immer weiter steigenden Auflagenflut und feh-
lenden Anreizen für denWohnungsbau dafür, dass
die Dynamik bei den Wohnungsfertigstellungen
schon wieder deutlich abebbt. Hohe Baukosten,
steigende Grunderwerbsteuern und hohe energe-
tische Anforderungen in Kombinationmit Diskus-
sionen umdie Verbreiterung des Mietspiegels und
ein Absenken der Modernisierungsumlage führen
dazu, dass der Wohnungsbau nicht ausreichend an
Fahrt aufnimmt. Konkret müssten in Deutschland
bis zum Jahr 2020 jährlich rund 140.000 Miet-
wohnungen mehr als im letzten Jahr gebaut wer-
den. Davon 80.000 Sozialwohnungen und 60.000
Einheiten im bezahlbaren Wohnungssegment.
Baukosten sind die Wohnungsbaubremse
Ein massives Hindernis für den Bau bezahlbarer
Wohnungen sind die enorm gestiegenen Baukos-
ten in Deutschland. Ein detaillierterer Blick in die
Teuerungsfaktoren beim Wohnungsbau liefert
folgende Ergebnisse: Die Bauwerkskosten von
Mehrfamilienhäusern sind seit dem Jahr 2000
um rund 49% gestiegen (Kostengruppe 300 und
400). Bei den reinen Baupreisen gab es im glei-
chen Zeitraum lediglich einen Anstieg von rund
31% – leicht höher als die Lebenshaltungskosten
mit 25%. Die Baukosten insgesamt (Kostengruppe
300 bis 700), die neben den Kosten des Bauwerks
auch die Außenanlagen, Ausstattungen und die
Baunebenkosten enthalten, gingen zwischen den
Jahren 2000 und 2016 sogar um 60% nach oben.
Zudem wird das Ordnungsrecht immer schärfer.
Seit dem Jahr 2000wurde die Energieeinsparver-
ordnung (EnEV) vier Mal novelliert – in Verbindung
mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in
der gültigen Fassung sind die Bauwerkskosten
allein dadurch bis heute um 15% gestiegen.
Das Problem: Bei ambitionierten energetischen
Standards steigen die Kosten aufgrund des ho-
hen baukonstruktiven und anlagentechnischen
Aufwandes exponentiell an, während die Kurve
des möglichen Einsparpotenzials beim Energie-
verbrauch immer weiter abflacht. DieWirtschaft-
lichkeit von Wohnungsneubauten verschlechtert
sich also zunehmend, je höher das energetische
Anforderungsniveau ausfällt. Bereits für den
energetischen Standard, den die Energieein-
sparverordnung ab 2016 vorschreibt, kann die
Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen werden.
Die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ist
damit für den mehrgeschossigen Wohnungsbau
bereits mit der EnEV 2009 erreicht worden.
Politik muss Wohnungsbau anfeuern
Beim bezahlbaren Wohnungsbau ist die Politik
am Zug. „Gas geben statt bremsen” muss das
Motto jetzt lauten. Doch das Gegenteil passiert.
Das unglückliche Ende der geplanten Sonderab-
schreibung für den Wohnungsbau ist ein großes
Versäumnis der Koalitionspartner, sich endlich
gemeinsam für mehr bezahlbaren Wohnraum
stark zumachen. Eine solche Sonderabschreibung
sowie eine gleichwertige Investitionszulage für
die Wohnungsunternehmen, die die Sonder-Afa
meist nicht nutzen können, wäre angesichts der
Not vieler Wohnungssuchender in den Ballungs-
räumen notwendiger denn je.
Die aktuellen Diskussionen um die Einführung
einer neuen Gemeinnützigkeit sind dagegen nur
als weiteres Placebo für den Wohnungsmarkt zu
werten: Dadurch entsteht keine einzige zusätz-
liche Wohnung. Stattdessen ist das Stichwort
Gemeinnützigkeit bestens geeignet, um von den
grundlegenden Problemen schwieriger Rahmen-
bedingungen für den Bau ausreichend preiswerter
Wohnungen abzulenken.
Aber es führt keinWeg daran vorbei, die Rahmen-
bedingungen für den bezahlbarenWohnungsneu-
bau zu verbessern. Die ersten Schritte sind mit
den Ergebnissen des Bündnisses für bezahlbares
Wohnen und der Baukostensenkungskommissi-
on getan, aber die Umsetzung lässt derzeit noch
auf sich warten. Fehlendes Bauland, unflexible
Standards, steigende Grunderwerbsteuern und
zu lange Genehmigungs- und Planungsverfahren
stehen uns im Weg. Was der Wohnungsbau jetzt
definitiv braucht, sindwirksame Anreize. Es müs-
sen mehr Bauflächen zur Verfügung gestellt und
durch die Kommunen verstärkt nach Konzeptqua-
lität vergeben werden. Neben einem Stopp der
Preisspirale ist zudemeine Erhöhung der linearen
Abschreibung für Abnutzung von 2% auf mindes-
tens 3% notwendig. Sollte sich hier nicht zügig
etwas ändern, werden die Neubauzahlen trotz des
vermeintlichen Anstiegs bei weitem nicht an das
heranreichen, was eigentlich gebraucht wird.
Höchste Zeit also für die Politik, den Bremsmodus
beim Wohnungsbau zu verlassen und der Woh-
nungswirtschaft endlich das „Go“ in Form der
passenden Bauvoraussetzungen zu geben.