STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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9|2016
Stiftung und Genossenschaft
Saniert wurde Zug um Zug, je nach Finanzlage.
Rund 7 Mio. € hat der Verein in das Anwesen
gesteckt, finanziert durch Eigenarbeit, Spen-
den, Bürgschaften, private Darlehen und einen
Bankkredit. Um das Grundstück dauerhaft der
Spekulation zu entziehen, übertrug es der Verein
der Stiftung Trias und schloss mit dieser einen
Erbbaupachtvertrag für die Nutzung: „Die Stif-
tung stellt sicher, dass dieser Ort auch über die
nächsten Generationen hinaus als Ganzes erhalten
bleibt“, erläutert Tschörner.
Für die Realisierung der 34 Wohnungen, die in
der Steinscheune und den beiden Gutshäusern
geplant waren, ging der Verein eine Kooperati-
on mit der Mietergenossenschaft Selbstbau e.G.
ein. Die Genossenschaft, die auch die Verwaltung
der Wohnungen übernommen hat, setzt seit ihrer
Gründung im Jahre 1990 auf gemeinschaftliche
Wohnprojekte, selbstbestimmtes Wohnen und
das Prinzip der Muskelhypothek: Die künftigen
Bewohner packen bei der Sanierung selbst mit an
und kommen dafür in den Genuss günstiger Mieten
(siehe auch DW 8/2016, S. 60).
Wer heute das Stadtgut Blankenfelde besucht,
merkt nichts von den Mühen der Vergangen-
heit. Auf den Wiesen hinter dem Gutshaus gra-
sen Schafe, im alten Park wiegen 100-jährige
Ulmen, Platanen und Kastanien ihre mächtigen
Kronen imWind und auf demweitläufigen Spiel-
platz toben die Kinder der Freien Naturschule,
die ihre Räumlichkeiten in der ehemaligen Stell-
macherei hat.
Außerdem sind auf dem Gelände zwei Therapie-
zentren für psychisch Kranke untergebracht sowie
Werkstätten und Handwerksbetriebe, darunter ein
Gartenbaubetrieb, zwei Schreinereien und eine
Imkerei.
Die Stadtgut-Bewohner
Das Konzept, Wohnen und Arbeiten am gleichen
Ort zu vereinen, scheint aufgegangen zu sein:
„Die meisten, die hier einen Betrieb haben, woh-
nen auch hier“, berichtet Oskar Tschörner. Der
73-Jährige und seine Frauwohnen imehemaligen
Herrenhaus. Die Jahre des gemeinsamen Engage-
ments für ihre Idee haben die Stadtgut-Bewohner
zu einer stabilen Gemeinschaft werden lassen.
Zentrum ist der Hof: Hier wird oft gemeinsam
getafelt, Geburtstag gefeiert und am Lagerfeuer
gesungen.
Das nächste Gemeinschaftsprojekt haben die
Bewohner schon ins Auge gefasst: Auf dem Gut
soll eine Naturschutz- und Tourismusstation mit
Café für das nahegelegene Naturschutzgebiet
eingerichtet werden. „Das alles hier hat sich ganz
organisch entwickelt“, sagt Tschörner. „Und es
entwickelt sich weiter.“
Warum sollten Grundstücke keine Spekulati-
onsobjekte sein?
Grund und Boden ist kein Privateigentum, sondern
Gemeingut der Menschheit. Anders als ein Auto,
bei dessen Kauf man das geistige Eigentum der
Entwickler mitbezahlt, ist Boden einfach nur da.
Boden ist auch nicht vermehrbar und sollte schon
deshalb keine Handelsware sein.
Wie geht Ihre Stiftung vor, um diesem
Anspruch gerecht zu werden?
Wenn jemand mit einer Projektidee an uns he-
rantritt, beispielweise für gemeinschaftliches
Wohnen oder einen Kindergarten, versuchen wir,
das Grundstück dafür zu kaufen und in unser Stif-
tungsvermögen zu überführen. Auf diese Weise
wird ein Weiterverkauf des Grundstückes verhin-
dert. Für die Nutzung verlangenwir einen Erbbau-
zins, mit demwir weitere Grundstücke kaufen und
unsere laufenden Kosten decken.
Welcher Art sind die Projekte, die Sie
unterstützen?
Wir beteiligen uns schwerpunktmäßig an ge-
meinschaftlichen Wohnprojekten mit sozialen
und ökologischen Inhalten. Das sind Projekte,
bei denen die Bewohner füreinander da sind und
bestimmte Hausbereiche gemeinsamnutzen; also
beispielweise Waschküche, Schneiderwerkstatt
oder Gästewohnung. Gemeinschaftliches Wohnen
spart Energie und schont Ressourcen und ist damit
im Sinne unserer Satzung förderfähig.
Wie groß ist die Nachfrage nach
Stiftungsmitteln?
Der Bedarf für unsere Stiftungsidee ist da. Seit
unserer Gründung im Jahre 2002 haben wir 30
Projekte realisiert. Die Leute, die sich an uns wen-
den, sind oft Idealisten. Doch Idealisten kommen
meist aus dem sozialen oder kreativen Bereich;
kaufmännisches Denken ist ihnen in der Regel
fremd. Wir helfen ihnen dabei, ihre Ideen zu ver-
wirklichen.
Das Interview führte Hartmut Netz.
Interview mit Rolf Novy-Huy
„Boden ist kein Privateigentum“
Rolf Novy-Huy ist Mitinitiator und Geschäftsführer der gemeinnützigen
Stiftung Trias, die einen anderen Umgang mit Grund und Boden
propagiert. Die Stiftung kauft Grundstücke an, um sie dauerhaft der
Spekulation zu entziehen.
Quelle: Privat