Die Wohnungswirtschaft 11/2016 - page 45

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11|2016
Die Zukunft gehört den Erneuerbaren, hier hat
die Branche einen enormen Nachholbedarf! 2015
waren nur 0,25%der gesamten Photovoltaikfläche
in Deutschland auf Gebäuden von imGdWorgani-
siertenUnternehmen installiert. Für die dezentrale
Energieerzeugung müssen wir Photovoltaik und
Kraft-Wärme-Kopplung mit der Energiespeiche-
rung imGebäude kombinieren. Da die Wirtschaft-
lichkeit der dezentralen Energieerzeugung von der
Höhe des Eigenverbrauchs im Gebäude abhängt,
müssen Informationen über den Wärme- und
Strombedarf der Mieter kombiniert werden. Das ist
ein weiterer Paradigmenwechsel für die Branche,
die sich bisher überwiegendmit derWärmeversor-
gung befasst hat. Das lokale Energiemanagement,
auch unter Einsatz der Smart-Home-Technologie
ist m. E. zukünftig unverzichtbar.
Die LEG hat Mieterstrom-Modelle. Wie sind
Ihre Erfahrungen?
Hegel:
Bereits seit 2014 können die LEG-Mieter
der Fritz-Erler-Siedlung in Kreuztal ihren eigenen,
vor Ort produzierten Strombeziehen. Die gesamte
Siedlungwird durchmoderne, umweltfreundliche
BHKW versorgt – ein Projekt, das in Kooperation
mit RWE entstanden ist. Die kombinierte Wärme-
Stromerzeugung in der Nachbarschaft generiert
einen direkten, spürbaren Kostenvorteil für die
Mieter. Das ist für uns ein weiterer wichtiger As-
pekt: den Mietern gezielt Möglichkeiten zu bie-
ten, mit denen sie Energiekosten sparen können.
Dieses Ziel erreichen wir mithilfe der Umsetzung
verschiedener Maßnahmen. So bietenwir seit kur-
zemexklusiv für alle unsereMieter gemeinsammit
RWE günstig Strom und Gas an.
Gibt es Bezüge zwischen Mieterstrom und
Smart Home?
Hegel:
DieDigitalisierungwird auch in der Energie-
wirtschaft immer stärker Fuß fassen – und mit ihr
ein breites Spektrum an Innovationen. Mit intelli-
genten Zählern ergeben sich z. B. neueMöglichkei-
ten der Energienutzung, an deren Realisierung wir
bereits arbeiten. Vorstellbar ist, dass zukünftig der
direkt im Quartier erzeugte Strom zuerst gespei-
chert und dann in Spitzenlastzeiten zumVerbrauch
bereitgestellt wird. Dies bedarf einer stärkeren
Vernetzung der Produktions- und Verbrauchsstel-
len. Das verdeutlicht: Smart Home bietet Mietern
und Wohnungsunternehmen neue Perspektiven,
die dezentrale regenerative Energieversorgung zu
nutzen. Durch diese Vernetzung kann der Mieter
seinVerbrauchsverhalten individueller steuern und
seine Energiekosten optimieren.
Ob Smart Metering, KWK, Photovoltaik, in-
einandergreifende digitale Systeme: Es wird
komplex. Müssen sich Wohnungsunterneh-
men mit Informationstechnik befassen?
Hegel:
Daran führt kein Weg vorbei! Wir können
nicht über das Smart Home sprechen, ohne gleich-
zeitig auch über Digitalisierung zu reden. Allein
für sich genommen verändert der Megatrend Di-
gitalisierung unsere Gesellschaft aktuell in atem-
beraubender Geschwindigkeit. Davon bleibt auch
dieWohnungswirtschaft nicht unberührt: Interne
Prozesse sind von diesemAspekt ebenso betroffen
wie die Kommunikation mit den Mietern und die
Entwicklung neuer Dienstleistungen.
Mit Blick auf die Autoindustrie sehenwir deutlich:
IT ist dort bereits zum entscheidenden Wettbe-
werbsfaktor geworden. Letztlich gibt heutzutage
z. B. das Entertainment-Programm im Auto den
Ausschlag zumKauf. Für Wohnungsunternehmen
bedeutet das die Chance, mit Zusatzprodukten und
Mehrwert-DienstleistungenMieter gewinnen oder
binden zu können. Auch die Kundenbeziehung
lässt sich über das Internet neu gestalten. Denn
Unternehmen, die ihren Vermietungsprozess in-
klusive Vertragsabschluss online abwickeln, haben
mehr Zeit für die Beziehungspflege zum Mieter.
Herr Grinewitschus, haben die Wohnungsun-
ternehmen genug Kompetenz für Informa-
tionstechnik und Smart Home? Brauchen
wir zukünftig den Immobilieninformatiker?
Braucht es neue Partnerschaften?
Prof. Dr. Grinewitschus:
Die Immobilienbranche
erlebe ich als recht heterogen, große Unterneh-
men sind anders aufgestellt als kleinere kommunale
Unternehmen oder Wohnungsgenossenschaften.
Allen gemeinsam ist, dass sie das Wohnen auch für
Menschenmit geringemEinkommen bezahlbarma-
chenwollen. Wir haben uns inDeutschland ja nicht
weniger vorgenommen, als unser Energiesystem
komplett umzubauen, und das im laufenden Be-
trieb. Es wird befürchtet, dass die von der Regie-
rung angestrebte CO
2
-Reduzierung inDeutschland
nicht erreicht wird. Eine mögliche Reaktion wäre
die drastische Verschärfung des Wärmeschutzes
für Bestandsbauten. Ob das mit der Forderung
nach bezahlbarem Wohnraum kompatibel ist, ist
aber fraglich. Unstrittig ist, dass wir eine höhere
Energieeffizienz benötigen.Wir brauchen eine sinn-
volle Kombination von baulichenMaßnahmen, der
Verbesserung der Anlageneffizienz und Assistenz
beim energieeffizienten Verhalten durch Smart-
Home-Technik. So könnenwirm. E. CO
2
imBestand
schneller und kostengünstiger reduzieren. Dabei
kommt der bislang vernachlässigten Informations-
technik eine Schlüsselrolle zu. Die Unternehmen
müssen sich in diesem Bereich mehr Kompetenz
aneignen, unabhängig davon, ob sie ihre Bestände
selbst „technisieren“ oder dies in Partnerschaften
umsetzen wollen. Eigene Erfahrungen sind jedoch
unverzichtbar.
Für eine proaktive Gestaltung der Digitalisierung
müssen Immobilienunternehmen mehr in eigene
Forschungsaktivitäten investieren! Wir müssen
besser verstehen, welche Potenziale für die Ener-
giewende in Mehrfamilienhäusern stecken. Dazu
favorisiere ich den Ansatz der „Living Labs“, d. h.
die Entwicklung und Optimierung von Anwen-
dungen in Kooperation mit demNutzer. Die Woh-
nung, das Quartier wird zum Anwendungslabor.
Unsere Studenten sind z. B. sehr interessiert an
diesen Fragestellungen undwir bauen die aus den
Forschungsprojekten gewonnenen Erkenntnisse
direkt in die Ausbildung ein. Es ist klar, dass in
der bisher kaufmännisch geprägten Branche tech-
nische Kompetenz immer wichtiger wird.
Den Vergleich mit der Autoindustrie würde ich
gern aufgreifen: Die Elektrifizierung des Auto-
mobils hat den KFZ-Mechatroniker geschaffen,
die Digitalisierung der Gebäude braucht den
Immobilieninformatiker mit Know-how in der
Betriebswirtschaft, in der Informatik und in den
gebäudetechnischen Disziplinen. Nur so lassen
sich die Nutzeffekte aus der Digitalisierung ziehen.
Meine Herren, vielen Dank für das Interview.
Die Antworten notierte Olaf Berger.
Die Digitalisierung der Gebäude braucht den Immobilieninformatiker mit
betriebswirtschaftlichem, gebäudetechnischem und Informatik-Know-how.
Nur so lassen sich Nutzeffekte aus der Digitalisierung ziehen.
Prof. Dr. Grinewitschus
Quelle: EBZ
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