ENERGIE UND TECHNIK
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11|2016
nicht zu Verhaltensvorschriften führen. Anders
ausgedrückt: Der Mieter hat im Rahmen seiner
Privatsphäre ein Recht auf ein eigenwilliges Nut-
zungsverhalten, auch auf eine hohe Nebenkosten-
rechnung – wenn er sie denn bezahlt.
Smart Meter und Smart Grid sind unumgänglich,
umdie Energiewende hin zu zehntausenden klei-
nen dezentralen Energieerzeugern und -verbrau-
chern überhaupt steuern zu können. Die Frage
ist, welches Verhalten Vermieter und Politik er-
warten, wenn demMieter in Echtzeit signalisiert
wird, dass nachts umhalb drei der optimale Zeit-
punkt ist, dieWaschmaschine anzustellen. Laufen
die Echtzeit-Informationen über Strompreise und
-verbräuche wirkungslos ins Leere oder erkaufen
wir die Optimierung unserer Energiebilanz mit
nächtlichen Ruhestörungen?Wo sind die Grenzen
der Nutzungssouveränität der grundgesetzlich
geschützten Wohnung? Werden in zehn Jahren
die Haushaltsgeräte von einemAlgorithmus zent-
ral an- und ausgeschaltet? Diese Debatte hat noch
gar nicht begonnen.
Wachsende Komplexität, wachsende
Risiken?
Auf der anderen Seite existieren technische Risi-
ken, die angesichts der wachsenden Komplexität
der Gebäudetechnik nicht überraschen. Das hat
aus wohnungswirtschaftlicher Sicht gravierende
Konsequenzen für die Lebenszykluskosten und
die Haltbarkeit der Komponenten. So hat die Ar-
beitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. aus
Kiel 2015 berechnet, dass die durchschnittliche
Nutzungsdauer der Gebäudetechnik im Innen-
ausbau nur noch 28 Jahre beträgt, bezogen auf
ein komplettes Typengebäude reduziert sich der
Abschreibungszeitraum von jetzt 50 Jahre auf
durchschnittlich 36 Jahre (siehe Tabelle auf Seite
49). Schon heute berichten technische Abteilun-
gen von nichtmehr lieferbaren Ersatzteilen bereits
nachwenigen Jahren, vomMarkt verschwundenen
Anbietern oder von Kompatibilitätsproblemen auf-
grund fehlender Industriestandards mit der Folge
von außerplanmäßigen Ersatzinvestitionen – vom
Ärger mit den Mietern ganz zu schweigen.
Schließlich entstehen – per Funk oder auch via
Kabel – enorme Datentransferraten. Die dafür
notwendige Bandbreite können die Ausbauge-
schwindigkeit der Netzebenen 3 und 4 rasch
deutlich übersteigen. Werden Millionen von
Rollläden, Lüftungen, Heizungen, Lichtsyste-
men und Überwachungskameras zukünftig via
Internet angesteuert oder befinden sich quasi im
Dauersendemodus, werden Heimkino in Ultra-HD
und die Nutzung von Video-Streamingdiensten
Normalität, ist mit Funktionsstörungen zentraler
Gebäudefunktionen zu rechnen, so vermuten
Waschmaschine, Heizung oder Rollläden einfach mit einemWisch auf dem Smartpho-
ne bedienen – das könnte schon bald in deutschen Haushalten verbreitet sein, wie eine
repräsentative Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom (befragt wurden 1.008
Personen ab 14 Jahren, darunter 749 Smartphone-Nutzer) zeigt, die im Juli 2016 vorge-
stellt wurde. Demnach sagen gut 28% der Smartphone-Nutzer: Ich kann mir vorstellen,
meine Haushaltsgeräte bzw. Haustechnik überwiegend mit dem Smartphone zu steuern.
Dabei sind männliche Smartphone-Nutzer mit 32% deutlich aufgeschlossener gegenüber
mobilen Smart-Home-Anwendungen als weibliche mit 24%. „Das Smartphone hat sich
auch dank innovativer Apps für viele Menschen zum unabkömmlichen Begleiter im Alltag
entwickelt – sei es zum Navigieren, zum Musikhören oder zum Chatten“, sagt Timm Lutter,
Bereichsleiter Consumer Electronics beim Bitkom. „Darüber hinaus wird es in einigen Jah-
ren ganz normal sein, schon von unterwegs daheim die Heizung per Handy anzustellen oder
zu checken, ob noch Butter im Kühlschrank ist. Gerade für Menschen in der sog. Rushhour
des Lebens – also die jungen Berufstätigen mit kleinen Kindern – kann das eine enorme Er-
leichterung sein“, so Lutter. Nach Altersgruppen betrachtet ist das Interesse bei den 30- bis
49-Jährigen mit 34% tatsächlich am höchsten, bei den 14- bis 29-Jährigen sind 29% offen
für mobile Smart-Home-Anwendungen, bei den 50- bis 64-Jährigen sind es 20%, und bei
den Smartphone-Nutzern ab 65 Jahren immerhin noch 17%. Schon heute erklären gut zwei
Drittel der Smartphone-Nutzer (67%): Smartphones sind für mich eine große Erleichterung
im Alltag. 61% können sich gar ein Leben ohne Smartphone nicht mehr vorstellen.
SMARTPHONE WIRD ZUM HAUSHALTSHELFER
50
Mbit/s
IP-
Telefonie
Internet-
radio
P2P-
Filesharing
E-Health /
Ferndiagnose
Schnelle HD-
Downloads
HDTV
Bandbreitenbedarf
(Prognose)
25
8
2
WIE VIEL BANDBREITE WIRD IN DER ZUKUNFT BENÖTIGT?
Gehostete
Standard-
Programme
versch.
Anwendungen
Quelle: TKT Teleconsult Kommunikationstechnik GmbH
> Ständig neue
Anwendungen /
Innovationen
> Verstärkte Bedeutung
im Flächenland
> Exponentielles
Wachstum
des Breitbandbedarfs
> Starke Nachfrage
von Bürgern und
Unternehmen/er
Telefonkabel
Bedeutung
Glasfaserkabel
Koaxkabel
INFRASTRUKTURBEWERTUNG
Aus heutiger Sicht wird sich, laut Openaxs, im Festnetzbereich die Bedeutung der drei
Übertragungsmedien in den Breitbandanschlussnetzen wie dargestellt entwickeln
Quelle: TKT Teleconsult Kommunikationstechnik GmbH
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