Die Wohnungswirtschaft 11/2016 - page 44

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11|2016
Interview
Smart-Home-ready oder
„Kein Anschluss unter dieser Nummer“?
Ob beim Energieeinsparen oder als altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben –
das Smart Home bietet unbestritten viele Möglichkeiten. Lassen sich bereits Nutzeffekte für die Wohnungs-
wirtschaft ableiten oder ist das noch alles in weiter Ferne? Thomas Hegel, CEO der LEG Immobilien AG,
und Prof. Dr. Viktor Grinewitschus (r.), Inhaber der Techem-Stiftungsprofessur für Energiefragen der
Immobilienwirtschaft der EBZ Business School, erläutern, Erkenntnisse, Erfahrungen und Einschätzungen
aus Sicht von Unternehmen und angewandter Forschung.
THEMA DES MONATS
Quelle: LEG Immobilien AG
Herr Hegel, aus Sicht der Wohnungswirt-
schaft: Wie sieht die Wohnung der Zukunft
aus?
Hegel:
Definitiv vernetzt! In welchem Umfang
genau, das wird von mehreren Faktoren wie
Mieterzielgruppe, Standort, Nettohaushaltsein-
kommen, Alter der Mieter, oder Baualtersklasse
des betreffenden Gebäudes abhängen. Schon
heute bietet die LEG mit der Produkt-Preis-
Differenzierung in einer Art Baukastensystem
Wohnungen mit unterschiedlichen Standards
zu verschiedenen Mietpreisen an. Ähnlich wird
es sich höchstwahrscheinlich mit Smart-Home-
Elementen entwickeln.
Welches dieser Smart-Home-Elemente
würden Sie sich für Ihre Mieter wünschen?
Hegel:
Im Sinne der Mieter würde ich mich aus
heutiger Sicht zunächst für eine Funktion im
Bereich des Smart Metering entscheiden. Denn
Systeme mit „intelligentem Zähler“ können per-
spektivisch viele Vorteile schaffen. So messen sie
die tatsächlichen Verbräuche bzw. Nutzungszeiten
von Strom, Wasser und/oder Gas und binden diese
Daten in ein Kommunikationsnetz ein. Das Aus-
lesen der Zähler erfolgt dabei idealerweise über
Funk: Der Mieter muss also keine lästige Termin-
vereinbarung mehr vornehmen.
Im nächsten Schritt ermöglicht das System dem
Endverbraucher, sich für tageszeitabhängige und
damit gegebenenfalls billigere Energietarife zu
entscheiden. Energieversorgern wiederum gibt
dies die Möglichkeit, Kraftwerkinfrastrukturen
besser zu planen und auszunutzen und Investi-
tionen in den Spitzenlastausbau zu vermeiden.
Zudem erhöht Smart Metering für den Endver-
braucher die Transparenz über Energie- und
Ressourcenverbrauch und hilft ihm dabei, ver-
brauchs- und kostensenkende Maßnahmen zu
ergreifen. Er spart Geld und schont die Umwelt.
Im Zusammenhang mit Energieeffizienz
stand lange Zeit die Wärmedämmung im Vor-
dergrund. Ist die Beschäftigung mit Smart
Metering und dem Nutzerverhalten sinnvoll?
Prof. Dr. Grinewitschus:
Mich überrascht seit
langem, wie wenig Aufmerksamkeit der Assistenz
der Nutzer beimenergiesparenden Verhalten durch
Informationstechnik geschenkt wird. Oberstes Ziel
ist es, eine unter allen Umständen ausreichende
Wärmeversorgung zu gewährleisten. „Unter allen
Umständen“ schließt auch wenig energieeffizien-
tes Verhalten ein. Ein Klassiker ist das Dauerlüften
über gekippte Fenster. Mit überdimensionierten
Anlagen und Heizkörpern lassen sich „erstaunli-
che“ Verbräuche erzielen, ohne dass der Komfort
gefühlt eingeschränkt wird. Aus Forschungsprojek-
tenweißman, dass eine Kopplung vonHeizkörper-
Thermostat und Fenster („Fenster auf“ induziert
„Heizung aus“) schon Einsparungen von bis zu 10%
bringen kann. Heute werden Heizungsanlagen im
optimalen Falle nach der Außentemperatur gesteu-
ert, wieso steuern wir sie nicht flächendeckend
nach dem aktuellen Wärmebedarf der Bewohner?
Lässt sich dieWärmespeicherfähigkeit des Gebäu-
des für das Energiemanagement erschließen? Ich
glaube, dass nicht nur der Bestand, sondern auch
hocheffiziente Neubauten Nutzerassistenz über
Smart-Home-Systeme benötigen. Wir brauchen
„Smart-Home-readyness“ bei allen Gebäuden.
Ist denn Energieeffizienz bei sinkenden Öl-
und Gaspreisen noch ein Thema?
Prof. Dr. Grinewitschus:
Was nutzen niedrige Kos-
ten für Energieträger, wenn die Politik beschließt,
aus demEinsatz dieser Energieträger auszusteigen?
Dies haben die Energiekonzerne beim Betrieb von
Kohlekraftwerken schmerzlich erfahren müssen.
ENERGIE UND TECHNIK
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