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11|2016
kommen neun so genannte „Jokerräume“ mit
Bad, aber ohne Kochmöglichkeit, die bis zu vier
Jahre zu einer Wohnung dazugemietet werden
können – z. B. für Jugendliche.
Etwas teilen und gemeinsam nutzen spielt eine
große Rolle in der Kalkbreite. ImEingangsbereich
befindet sich ein Anschlagbrett, mit dessen Hilfe
sich die Bewohner von der Raviolimaschine bis
zum Abflussstöpsel fast alles ausleihen können,
was sie im Alltag benötigen. Hinzu kommt eine
breite Palette an Gemeinschaftsräumen: Büros,
Bibliothek, Waschsalon, Näh- und Bügelzimmer,
Meditationsraum, Fitnessraum, Sauna, ein Raum
mit Gefrierschränken und ein riesiger Fahrradkel-
ler. Ein 2.500m
2
großer Innenhof bietet grünen
Erholungsraum, nicht nur für die Bewohner, son-
dern auch für die Öffentlichkeit.
Ressourcen sparen
Gemeinschaftliche Nutzflächen gibt es viele. Der
individuelle Wohnraum ist jedoch beschränkt. Im
Durchschnitt wohnt eine Person auf rund 33m
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inklusive eines Anteils an den Gemeinschaftsflä-
chen – der Durchschnitt in der Schweiz beträgt
45 m
2
. Nicht nur beimFlächenverbrauch setzt die
Genossenschaft auf Nachhaltigkeit. Das Gebäude
ist nachMinergie-P-Eco-Standard zertifiziert, wo-
bei Minergie-P in etwa demdeutschen Passivhaus-
standard entspricht. Eine Tiefgarage gibt es nicht.
Die Bewohner mussten sich verpflichten, auf ein
Auto zu verzichten. Lediglich für Menschen mit
einer Behinderung steht eine begrenzte Anzahl an
Parkplätzen zur Verfügung. ImGegenzug stellt die
Genossenschaft 300 Fahrradabstellplätze bereit.
Günstig wohnen
Die Kaltmiete beträgt umgerechnet etwa 18 €/m
2
.
Das ist für deutsche Verhältnisse viel, für die In-
nenstadt Zürichs jedoch günstig. Auf dem freien
Marktmüssen dort durchschnittlich etwa 27 €/m
2
bezahlt werden. In rund 20 Wohnungen in der
Kalkbreitewohnen derzeit Geringverdiener, deren
Mieten durch den Kanton Zürich, eine Stiftung oder
den genossenschaftseigenen Solidaritätsfonds
subventioniert werden. Neben der Miete müssen
die Bewohner den üblichen Genossenschaftsbei-
trag sowie einen Pflichtanteil aufbringen, der
umgerechnet ca. 240 €/m
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beträgt.
Mittlerweile gilt die Kalkbreite als Vorzeigeob-
jekt. Noch konsequenter als andere wegweisen-
de schweizerische Genossenschaftsprojekte der
letzten 20 Jahre (siehe z. B. DW 11/2013, S. 30
und DW 6/2013, S. 26) macht sie Angebote für
das gemeinschaftliche Leben. „Und die Angebote
werden gleichermaßen gut und intensiv genutzt“,
erklärt Sabine Wolf. Das eine oder andere könnte
auch für deutsche Wohnungsgenossenschaften
interessant sein.
Bauherr und Eigentümer:
Genossenschaft Kalkbreite
Architektur:
Müller Sigrist Architekten AG, Zürich
Wohneinheiten:
97
Geschossfläche:
22.900 m
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Hauptnutzfläche:
13.226 m
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Wohnfläche:
6.700 m
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Realisierung:
2012-2014
Baukosten:
umgerechnet rund 57 Mio. €
Kostenkennwert:
umgerechnet rund 4.328 €/m
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Primärenergiebedarf:
Minergie-P-Eco-Standard
KALKBREITE: PROJEKTDATEN
Die Kalkbreite ist ein innovatives innerstädtisches
Wohnprojekt. Über 260 Menschen aller Alters-
gruppen und mit unterschiedlichen Bedürfnissen
leben in dem genossenschaftlich organisierten
Projekt. Ansicht des Hofs (l.) und eines großen
Gemeinschaftsraums (u.)
Quelle aller Fotos: Volker Schopp