DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 10/2015 - page 16

STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
14
10|2015
Objekt zu bringen. Man sollte also ein Gebäude
nicht nur aufstocken, sondern diese Aufstockung
mit einemüberzeugenden energetischen Konzept
und möglicherweise mit dem generationenge-
rechten Bauen verbinden.
Georg Harrasser:
Auch wir legen großen Wert
darauf, Komplettlösungen zu entwickeln. ImUm-
feld des Frankfurter Flughafens bieten wir z. B.
Lösungen an, bei denenmit einem leicht geneigten
Dach aus Dachsteinen oder Dachziegeln der Schall-
schutz erhöht wird. Gleichzeitig liefert dieses Dach
den nötigenWärmeschutz, so dass ein zusätzlicher
Bereich des Hauses genutzt werden kann.
ThomasWilken:
Dieser ganzheitliche Ansatz be-
deutet aus meiner Sicht, das ergänzende Bauen
mit der energetischen Fragestellung zu kombi-
nieren. Das Dach bietet ja das größte Potenzial,
um erneuerbare Energien zu integrieren und das
Gebäude vom Verbraucher zum Energieerzeuger
zu machen. Das ist heute wirtschaftlich möglich.
Was die Investition behindert, sind regulatorische
Vorgaben, die es beispielsweise erschweren, Pho-
tovoltaikstrom an die Mieter oder Eigentümer zu
verkaufen.
Dr. Sebastian Dresse:
Ich möchte ebenfalls das
Schlagwort der Ganzheitlichkeit aufnehmen. Dazu
gehört nicht nur die Energieeffizienz, sondern
auch der Wohnkomfort. Wir von Velux haben in
zwölf Ländern jeweils 1.000 Personen gefragt,
was für sie gesundes Leben ausmacht. An den
ersten Stellen wurden dabei guter Schlaf, gute
Raumluft und ausreichend Tageslicht genannt.
Zur Ganzheitlichkeit gehört außerdem die Archi-
tektur: Ein Gebäude soll schön sein, unterschied-
liche Optionen bieten und bei Bedarf umgenutzt
werden können.
Marko Schneider:
Ganz wichtig ist es, die Nut-
zer nicht zu vergessen. Dachflächenfenster sollte
man z. B. nach Süden
einbauen, so dass die
solaren Wärmegewin-
ne im Winter genutzt
werden können, und
mit einem außen lie-
genden,
automati-
schen Sonnenschutz für
den Sommer versehen
werden. Bei der Heizungsanlage sollte man mit
einer überschaubaren Anzahl von Regelungsein-
heiten arbeiten, um das Ganze möglichst einfach
zu halten.
Axel Gedaschko:
Wie hoch ist der Planungsauf-
wand bei der Nachverdichtung? Ist der Investor
da vielleicht manchmal überfordert?
Axel Fietzek:
Ich bin überzeugt, dass dem so ist.
Es beginnt schon mit der Frage, ob die Bauunter-
lagen für ein Bestandsgebäude noch vorhanden
sind. Beim ergänzenden Bauen muss man immer
mit Überraschungen rechnen. Und dann stellt sich
die Frage, ob es immer teure, individuelle Lösun-
gen sein müssen oder ob nicht auch preiswerte
Lösungen von der Stange reichen. Es wäre ein
großer Fortschritt, wenn es modulartige, kom-
ponentenartige Lösungen gäbe. Auch ein Know-
how-Pool mit unterschiedlichen Anbietern wäre
hilfreich undwürde sicher demeinen oder anderen
Investor die Entscheidung erleichtern.
Axel Gedaschko:
Gibt es ein solches Kompetenz-
zentrum bereits? Oder würde es sich lohnen, ein
solches Zentrum zu gründen, was ja im Zeitalter
von Datenbanken nicht ganz so schwer zu bewerk-
stelligen sein sollte?
Marko Schneider:
Es existieren zumindest zahl-
reiche Netzwerke, z. B. der Bundesarbeitskreis
Altbauerneuerung (BAKA). Und ich selber bin Vor-
sitzender des Landesfachverbands der Bau- und
Energieberater Berlin-Brandenburg. Das Problem
für die Endkunden ist eher, dass es zu viele Infor-
mationen gibt. Die kommen zu uns und sagen: Herr
Schneider, helfen Sie uns bitte, wir wissen nicht
mehr, was links oder rechts ist.
Dr. Sebastian Dresse:
Es gibt durchaus ein Kom-
petenzzentrum, und zwar das Handwerk. Zimme-
rei- und Dachdeckerbetriebe haben sich schon im-
mer mit der Nachverdichtung auseinandergesetzt.
Aufstockungen und Nachverdichtungen finden ja
oft in modulartig vorgefertigter Holzbauweise
statt. Deshalb sehe ich eine Aufgabe darin, das
Handwerk zu ermutigen, sich noch intensiver mit
dem ergänzenden Bauen zu beschäftigen. Dabei
glaube ich, dass man in dieses Thema noch mehr
Intelligenz einbringen kann.
Axel Gedaschko:
Das führt zur Kernfrage: Wie
lässt sich das umsetzen, was wir bisher besprochen
haben? Wir erleben ja zurzeit, dass Baufirmen und
Handwerksbetriebe an der Kapazitätsgrenze sind.
Welche Erfahrungen machen Sie bei der Umset-
zung mit den einzelnen Gewerken?
Georg Harrasser:
Wir von der Industrie leisten
viel, um das Handwerk zu unterstützen. Braas
„Beim Wohneigentum ist die Aufstockung in Berlin
teilweise sinnvoll, da sie sich rechnet. Aber im Miet-
wohnungsbau ergibt es momentan keinen Sinn, weil
noch ausreichend Freiflächen vorhanden sind, auf
denen sich kostengünstiger bauen lässt.“
Marko Schneider
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,...100
Powered by FlippingBook