STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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10|2015
Marko Schneider:
Nein, in der Masse ist das
kein Problem. In der Regel kann man ein Ge-
bäude aufstocken. Dabei sollte man versuchen,
mit Holz zu arbeiten oder eine andere leichte
Konstruktion zu verwenden. Aber die Statiker
sind mittlerweile so pfiffig, dass dies kein
Hemmnis ist.
Axel Gedaschko:
Daher ist es notwendiger denn
je, dass diejenigen, die in den Städten für die
Schaffung vonWohnraumVerantwortung tragen,
sich intensiver als bisher mit dem ergänzenden
Bauen auseinandersetzen. Ichwar jüngst auf einer
Veranstaltung in einer Großstadt, in der Neubau
in der Fläche schlicht und ergreifend nicht mehr
möglich ist. Trotzdemwar die Option, in die Höhe
zu bauen, nicht wirklich in den Köpfen drin. Das
zeigt, dass wir noch eine Menge zu leisten haben.
Gibt es denn aus Ihrer Sicht leuchtende Beispiele
von Städten, die sich diesem Thema auf vorbild-
liche Weise genähert haben?
Axel Fietzek:
Nun, Hamburg hat zumindest einen
ersten Schritt mit der Abschaffung der Stellplatz-
pflicht gemacht. Das ist ein wichtiger Impuls, um
die Sache in Gang zu bringen.
Axel Gedaschko:
Hamburg und Berlin haben hier
tatsächlich einen Schritt nach vorn gemacht. Noch
weiter geht Konstanz, das sehr systematisch mit
demThema umgeht. In ihremStadtentwicklungs-
programm„Zukunft Konstanz 2020“ hat die Stadt
das Ziel der Innenentwicklung festgeschrieben
und untersucht, welche Dichte möglich ist. Das
ist übrigens auch in kleinstädtischer Dimension
möglich. Emsdetten etwa zeigt, wie man ergän-
zendes Bauen in der Fläche realisieren kann. Die-
se Beispiele zeigen: Es ist möglich, wenn sich die
Planer anstrengen.
Axel Fietzek:
Diese Anstrengung
lohnt sich, weil das
ergänzende Bauen
eine kostengünsti-
ge Möglichkeit ist –
zumindest
dann,
wenn die Bedingungen stimmen. Das
macht es dort interessant, wo bei 6 oder
7 €/m
2
die Oberkante des marktüblichen Miet-
niveaus erreicht ist. Allerdings gibt es noch viel
Unwissen, was technischmachbar ist. VieleMarkt-
teilnehmer glauben, die Gebäude seien nur für
die bestehende Anzahl Etagen gebaut. Aber die
Technik entwickelt sich weiter und bringt neue
Leichtbaustoffe auf den Markt. Ich glaube, dass
in diesem Punkt die Industrie noch enger mit uns
Investoren zusammenarbeitenmuss. Ich appellie-
re deshalb an Sie als Vertreter der Industrie, uns
zu fragen, was erforderlich ist, damit wir wirt-
schaftlich bauen können. Nur müssen dann auch
die Städte und Gemeinden, die uns baurechtlich
begleiten, ihr bisher bescheidenes Know-how in
Sachen ergänzendes Bauen erweitern.
Marko Schneider:
Bei der Wirtschaftlichkeit muss
man allerdings zwischenWohneigentumundMiet-
wohnungen unterscheiden. Das zeigen jedenfalls
unsere Erfahrungen in Berlin. Beim Wohneigen-
tum ist die Aufstockung teilweise sinnvoll, da sie
sich rechnet. Aber im Mietwohnungsbau ergibt
es momentan keinen Sinn, weil noch ausreichend
Freiflächen vorhanden sind, auf denen sich kos-
tengünstiger bauen lässt.
Thomas Wilken:
Ergänzendes Bauen bedeutet
nicht zwangsläufig, in die Höhe zu bauen. In
Wolfsburg z. B. werden in manchen Quartieren
die oberen Geschosse von 8- bis 10-geschossigen
Wohnhäusern aus den 1960er Jahren abgetragen.
Gleichzeitigwerden die Freiflächen zwischen den
Gebäuden nachverdichtet. Auf dieseWeise schafft
man eine bessere Aufenthaltsqualität im Außen-
bereich und eine höhere Urbanität. So gelingt es,
die Attraktivität dieser Quartiere zu erhöhen -
auch eine Frage der Nachhaltigkeit.
Axel Gedaschko:
Da gebe ich ihnen absolut recht,
Herr Wilken. Um Urbanität zu schaffen, ist es oft
sinnvoll, Freiflächen nachzuverdichten, auch
wenn das manchmal durchaus umstritten ist.
ChristophDorn:
Grundsätzlich sind ganzheitliche
Ansätze wichtig, um einen Mehrwert in das
DR. SEBASTIAN DRESSE
Dr. Sebastian
Dresse ist seit 2010
Geschäftsführer der
Velux Deutschland
GmbH. Er studier-
te Maschinenbau
und Betriebswirt-
schaftslehre in
Aachen und pro-
movierte an der Universität St. Gallen. Die
Velux Deutschland GmbH ist auf anspruchs-
volle Dachfensterlösungen spezialisiert und
Teil der internationalen Velux Gruppe.
CHRISTOPH DORN
Christoph Dorn ist
Vorsitzender der
Geschäftsleitung
der Knauf Gips KG
und verantwortet
zusätzlich seit
2014 die Geschäfte
der Knauf Gruppe
Deutschland/
Schweiz. Die Knauf Gips KG mit Hauptsitz
im unterfränkischen Iphofen ist ein führen-
der Hersteller von Systemen für Trocken-
bau, Boden, Putz und Fassade.
„Zimmerei- und Dachdeckerbetriebe haben sich schon
immer mit der Nachverdichtung auseinandergesetzt.
Deshalb sehe ich eine Aufgabe darin, das Handwerk zu
ermutigen, sich noch intensiver mit dem ergänzenden
Bauen zu beschäftigen.“
Dr. Sebastian Dresse