DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2015 - page 71

chen. Hat sich das Projekt so entwickelt, wie
Sie es sich erhofft hatten?
Zu Anfang ergaben sich einige ungeahnte Her-
ausforderungen. Wie zumBeispiel solltenwir den
Spaniern verständlich machen, was es bedeutet,
Mitglied in einer Genossenschaft zu werden? Und
wie sollten wir ihnen die Inhalte unserer umfang-
reichen Mietverträge verständlich machen? Die
jungen Leute kommen i. d. R. ohne Deutschkennt-
nisse zu uns und besuchen erst hier in Deutschland
Intensivkurse. Glück hatten wir da, dass unsere
Vorstandsassistentin, Frau Mahn, sehr gut Spa-
nisch spricht. Das war sehr hilfreich. Außerdem
unterstützen sich unsere spanischen Neumitglie-
der gegenseitig und sind sehr hilfsbereit.
In Hinblick auf unsere genossenschaftlichen Ziele
kann ich sagen: Wir sind zufrieden. Zum Jahres-
ende waren zwei Drittel der Wohnungenmit Zeit-
vertrag an die spanischen Azubis oder Studenten
vermietet. Wenn die Verträge enden, sind die Spa-
nier mit ihrer Ausbildung fertig. Wir können dann,
wenn sie es wünschen, andereWohnungen bei uns
oder befreundeten Genossenschaften suchen. Die
Baumaßnahmen können pünktlich beginnen.
Sie sprechen gerne von „Entmietung light“.
Was genau meinen Sie damit?
Bereits kurz nach Sanierung der beiden anderen
Wohnblöcke war uns bewusst, dass wir die bishe-
rige Modernisierungsstrategie so nicht fortsetzen
möchten. Einerseits laufen uns die Kosten davon
und die Sinnhaftigkeit einer Sanierung ohne mas-
siven Eingriff in die Gebäudesubstanz ist fraglich.
Andererseits ist ein derart massives Vorhaben für
die Bewohner nicht zumutbar. Also kommt nur die
Entmietung in Betracht.
Wir haben unmittelbar nach der Entscheidung zu
einer Mieterversammlung geladen und umfang-
reich über unsere Pläne informiert. Hier habenwir
unser Umzugsmanagement vorgestellt und einen
Zeithorizont von zwei bis drei Jahren ins Gespräch
gebracht. Nach der Entscheidung, mit den gekün-
digten Wohnungen das Projekt zu unterstützen,
konnte der Entmietungszeitraum um zwei Jahre
verlängert werden. So können wir ohne Zeitdruck
Gespräche mit den Mietern führen, Ersatzwoh-
nungen suchen (einige in den bereits sanierten
Häusern) oder bei Umzügen helfen.
Für die verbleibendenMieter sind dieweiterhin be-
wohntenWohnungen ein großer Vorteil. Ein Haus,
in dem nur noch wenige Mietparteien wohnen,
kann in der dunklen Jahreszeit sehr gruselig sein.
Einige der Älteren möchten die Zeit noch in ihrer
Wohnung nutzen und dann in ein betreutes Woh-
nen oder Altenheim wechseln. Sie können ohne
Stress planen und sichmit gegebenenfalls mit un-
serer Unterstützung ein neues Zuhause suchen.
Alles ganz entspannt: „Entmietung light“.
Zudem praktizieren wir, entsprechend der alten
genossenschaftlichen Tradition, gemeinschaftli-
che Hilfe und Integration. Gerade in der heutigen
Zeit ist das ein wichtiges Zeichen!
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Sigrid Krings.
Das von der Bundesregierung geförderte Modellprojekt Adelante! (übersetzt: Auf geht’s,
vorwärts!) wurde von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hannover im Jahr 2013 ins
Leben gerufen, um die Mitgliedsunternehmen bei der Suche nach Auszubildenden im Ausland
zu unterstützen. Über das Projekt kommen junge Menschen aus Spanien nach Deutschland,
um hier eine Ausbildung zu absolvieren. Neben ihrer Lehre absolvieren die jungen Leute einen
Intensiv-Sprachkurs. Adelante! wird von der IHK gemeinsam mit der Caritas geleitet und läuft
drei Jahre lang. Das Modellprojekt wird von der Region Hannover mitfinanziert. Auch die
beteiligten Mitgliedsunternehmen der IHK leisten einen Beitrag.
Die Heimatwerk Hannover eG mit Hauptsitz Am Jungfernplan 3 in Hannover-Südstadt hat im
Rahmen des Projekts inzwischen 20 Spanier in insgesamt zehn ihrer Wohnungen unterge-
bracht. Die Wohnungen standen leer und sollten wegen der anstehenden Entkernung bezie-
hungsweise dem Neubau der Häuser eigentlich nicht mehr vermietet werden. Das Heimatwerk
hat sie mithilfe ihrer Mitarbeiter und der tatkräftigen Unterstützung etlicher Genossenschafts-
mitglieder für die Auszubildenden wieder her- und eingerichtet. Die Auszubildenden haben mit
der Wohnungsgenossenschaft zeitlich begrenzte Mietverträge abgeschlossen und sie wurden
Mitglieder der Genossenschaft. Sie zahlen eine Monatsmiete von 185 € inklusive Strom, Gas
und Wasser. Die Miete deckt die laufenden Kosten, der dem Heimatwerk entstehen. Insgesamt
bewirtschaftet die am 27. April 1949 gegründete Wohnungsgenossenschaft in Stadt und Regi-
on Hannover mehr als 1500 eigene Mietwohnungen. Sie hat rund 3.000 Mitglieder.
DAS PROJEKT ADELANTE DER HEIMATWERK HANNOVER EG
Umzug von der Übergangsherberge ins neue Zuhause:
Mit vereinten Kräften wurde alles zu den Wohnblöcken transportiert
Die zufriedenen Bewohner im Projekt Adelante mit
Jürgen Kaiser, Vorstand der Heimatwerk Hannover eG
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