79
3|2015
WEG § 28
Erneute Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan
Die Gerichte können keinen Nichtigkeitsgrund daraus konstruieren, dass eine Gemeinschaft – und sei es aus Bequemlichkeit – die Vorauszah-
lungen/Einzelwirtschaftspläne des Vorjahres im laufenden Jahr erneut beschlossen hat. Selbst wenn der Passus „der genehmigte Gesamt-
wirtschaftsplan 2013 und die Einzelwirtschaftspläne gelten unverändert für das Jahr 2014 fort bis zur Beschlussfassung über einen neuen
Gesamtwirtschaftsplan einschließlich Einzelwirtschaftsplänen“ nichtig wäre, stünde dies der Zahlungsverpflichtung bis Dezember 2013
nicht entgegen. Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass eine möglicherweise nichtige Fortgeltungsklausel auch den
Wirtschaftsplanbeschluss für 2013 erfassen sollte. Es liegt ein bestandskräftiger Wirtschaftsplanbeschluss auch dann vor, wenn er nicht
bereits vor Beginn des Wirtschaftsjahres (vgl. Casser ZWE 2014, 157) beschlossen wurde.
AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 16.7.2014, 539 C 13/14
Bedeutung für die Praxis
Für einen Beschluss über die generelle Fortgeltung des Wirtschaftsplans
fehlt die nach strenger Auffassung die Beschlusskompetenz.
Von einem Fortgeltungsbeschluss zu unterscheiden ist ein Beschluss,
der lediglich die Vorauszahlungen/Einzelwirtschaftspläne wie bereits im
Vorjahr auch im laufenden Jahr erneut, d. h. in selber Höhe, festlegt.
Weder im Fall des LG Itzehoe (ZMR 2014, 144) noch hier, ging es um eine
Zahlungsverpflichtung aufgrund einer Fortgeltungsklausel. Dies übersieht
auch Merle in seiner Anmerkung zu LG Itzehoe in ZWE
2014, 134.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2, BGB § 280
Unterlassene Beschlussfassung über
eilige Instandsetzungsmaßnahmen
1. Entspricht nur die sofortige Vornahme einer zur Instandsetzung
des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Sanierungsmaß-
nahme ordnungsmäßiger Verwaltung, ist für die Berücksichtigung
finanzieller Schwierigkeiten oder des Alters einzelner Wohnungsei-
gentümer kein Raum.
2. Erleidet ein einzelner Wohnungseigentümer einen Schaden an sei-
nem Sondereigentum, weil eine Beschlussfassung über die sofortige
Vornahme derartiger Instandsetzungsmaßnahmen unterblieben ist,
so trifft die Verpflichtung zum Schadensersatz nicht den rechtsfähi-
gen Verband, sondern diejenigen Wohnungseigentümer, die schuld-
haft entweder untätig geblieben sind oder nicht für die erforderliche
Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben.
BGH, Urteil vom 17.10.2014, V ZR 9/14
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung gilt nur bei Ermessensreduzierung der Eigentümer
auf null. Es darf nicht bereits ein umzusetzender – ggf. angefochte-
ner – Beschluss vorliegen (dann ist der Verband zu verklagen) und auch
keine andere Maßnahme in Betracht kommen (fortbestehendes Verwal-
tungsermessen der Eigentümer). Im vorliegenden Fall war die Sanierung
überfällig. Das Einholen weiterer Gutachten war nicht angezeigt. Feh-
lende finanzielle Mittel rechtfertigten keine Zurückstellung einer derart
dringlichen Sanierung („Geld hat der Wohnungseigentümer
zu haben“).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG § 23 Abs. 1
Verbot der Belastung mit
Leistungspflichten
1. Die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht wird
materiellrechtlich u.a. durch unentziehbare, aber verzichtbare Mit-
gliedschaftsrechte begrenzt; ein in solche Rechte ohne Zustimmung
der nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer eingreifender
Beschluss ist schwebend unwirksam.
2. Zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren Mitgliedschaftsrech-
ten gehört das sog. Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigen-
tümer vor der Aufbürdung neuer (originärer) – sich weder aus dem
Gesetz noch aus der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergebender
– Leistungspflichten schützt.
BGH, Urteil vom 10.10.2014, V ZR 315/13
Bedeutung für die Praxis
Inzwischen ist anerkannt, dass kein Wohnungseigentümer zu persönli-
chen Dienstleistungen (etwa im Rahmen von Kehrwochen oder über die
Hausordnung) qua Beschluss gegen seinen Willen verpflichtet werden
kann. Daran ändert auch eine Anpassungsvereinbarung (Öffnungsklausel)
in der Gemeinschaftsordnung nichts. Wer sich nur mit Kapital an Diensten
beteiligen will, der kann durch vermeintliche Zitterbeschlüsse nicht zu
Gartenpflege- und Reinigungsarbeiten gezwungen werden. Der Beschluss
wird nur dann wirksam, wenn der/die hiervon nachteilig betroffene(n)
Wohnungseigentümer zustimmen; zeitlich früher bis zur Verweigerung
der Zustimmung ist der Beschluss noch nicht endgültig
nichtig, sondern „schwebend unwirksam“.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT