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Aus gesellschaftlicher Sicht sind Unter-
nehmen
nur ein Objekt
im Zusammenspiel
mit vielen weiteren
.
Die Perspektive ist also schlicht eine andere.
Nicht eine gegensätzliche, aber eine andere.
Beide Perspektiven sind wichtig. Ein Unterneh-
men muss nach betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen geführt werden, wenn es am
Markt überleben will und
·
damit langfristig Kunden (z. B. durch
innovative und hilfreiche Produkte),
·
Mitarbeitern (z. B. durch einen gut bezahlten
sicheren Arbeitsplatz),
·
Eigentümern (u. a. durch eine Wertsteigerung)
·
oder der Gesellschaft und anderen Stake-
holdern (u. a. durch Gehalts- und Steuer-
zahlungen und Wertschöpfung)
etwas Positives gewähren möchte.
Wenn ein Eigentümer meint, dass er seine Zie-
le nur mit einem besonders guten und damit
teuren Manager realisieren kann, ist dies be-
triebswirtschaftlich in Ordnung. Dennoch soll-
ten Eigentümer in ihren Überlegungen auch so-
ziale und gesellschaftliche Stimmungen nicht
außer Acht lassen.
Biel:
Ein anderes heikles Thema ist die
Frau-
enquote
. Am 6.3.2015 verabschiedete der
Bundestag das „Gesetz für die gleichberechtig-
te Teilhabe von Frauen und Männern an Füh-
rungspositionen in der Privatwirtschaft und im
öffentlichen Dienst“. Danach soll u. a. in Auf-
sichtsräten von börsennotierten Unternehmen
ab 2016 eine Frauenquote von 30 % gelten.
Wie ordnen Sie als BWL-Prof. diese Zielsetzun-
gen gesellschaftlicher Kräfte ein? Schließlich
gibt es seit einiger Zeit mit „Plan W“ auch ein
Frauenwirtschaftsmagazin. Dort heißt es u. a.
„Frauen verändern die Wirtschaft“.
Nevries:
Quotenregelungen sind immer eine
heikle Sache. Eine Quotenregelung beabsich-
tigt regelmäßig, traditionell benachteiligten
Gruppen, z. B. hier Frauen, den Zugang zu
Funktionen im Wirtschaftsleben zu erleichtern.
Aufgrund historisch gewachsener, oftmals
männerdominierter Strukturen kann
ein Auf-
brechen derselben qua Quoten durchaus
zeitnäher erwünschte Wirkungen
hervorru-
fen. Allerdings können sich Quotenregelungen
good governance. Geeignete Maßnahmen
können all die von Ihnen angesprochenen
Methoden und Instrumente sein.
Ich komme
immer wieder, so auch hier, auf Transpa-
renz
zurück. Wenn man erkennt und durch-
schaut, was eine good governance gefährden
kann (z. B. mithilfe von Risikomanagement oder
Compliance-Maßnahmen), kann zielgerichteter
gegengesteuert werden.
Aus Sicht des Cont-
rollings ist die Transparenz ein zentraler
Ankerbegriff.
Biel:
Bitte erläutern Sie uns kurz, was Sie unter
Ankerbegriff verstehen.
Nevries: Ein Ankerbegriff ist ein Wort, das
wichtige und umfangreiche Inhalte gut
merkbar auf den Punkt bringt.
Das Control-
ling trägt wesentlich zu höherer Transparenz
bei. Dabei geht es zum einen um die Nachvoll-
ziehbarkeit von Sachverhalten, z. B. von Abwei-
chungen. Zum anderen liegt der Akzent auf
Durchsichtigkeit, ist beispielsweise das Verhal-
ten des Managers plausibel und verständlich im
Sinne der Unternehmensziele. Insofern ist
durch die Schaffung von Transparenz im Hin-
blick auf Ihre vorherige Fragestellung schon die
halbe Miete eingefahren. Es kommt sozusagen
darauf an, dass die Eigentümer und ggf. auch
die Stakeholder wissen, was „die“ auf der obe-
ren Führungsebene tun.
Biel:
CG-Aspekte stehen immer wieder in
der Diskussion und Kritik
. Eine ernsthafte
und redliche Auseinandersetzung mit unserer
Themenstellung verlangt, dass wir zumindest
ansatzweise auch auf Knackpunkte eingehen,
auch wenn wir uns aus Zeit- und Platzgründen
begrenzen müssen. Ein Streitthema, das immer
wieder die Öffentlichkeit beschäftigt, ist bei-
spielsweise die Vergütung von Managern. Wie
ordnen Sie diese Diskussion ein?
Nevries:
Hier müssen wir unterscheiden und
auch sauber
trennen zwischen betriebs-
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Aspekten
.
·
Für die
Betriebswirtschaftslehre steht
das einzelne Unternehmen
im Zentrum
der Überlegungen und wie dieses optimal
gemanagt werden kann.
Biel:
„
Unternehmensführung ist Menschen-
werk.
“ Deshalb muss man in der Wirtschafts-
praxis Abstriche vom theoretischen Idealfall op-
timaler Unternehmensführung machen. Diese
Feststellung stammt nicht von mir, vielmehr
steht sie im führenden BWL-Lehrbuch (Wöhe/
Döring/Brösel: Einführung in die Allgemeine
Betriebswirtschaftslehre, 26. A., S. 62). Gibt es
neben der Gestaltungsfunktion auch eine
Schutzfunktion von CG, z. B. auch gegenüber
dem eigenen Management?
Nevries:
Damit sprechen Sie ein großes Thema
an. Viele Skandale der Vergangenheit haben ge-
zeigt, dass
einzelne Manager manchmal mehr
aus Eigeninteresse
als aus Unternehmens-
oder Eigentümerinteresse gehandelt haben. Da-
her ist unser Thema CG auch so essenziell. Inso-
fern kann man durchaus auch von einer Schutz-
funktion sprechen.
Hier kommt zudem das
Controlling ins Spiel
, da eine zentrale Aufgabe
darin besteht,
mittels Informationstranspa-
renz der Entscheidungsrationalität
abträgli-
ches Verhalten aufzudecken und zu bekämpfen.
Wir stehen immer wieder vor der Frage, ob die
Verantwortlichen in einer Weise handeln, die den
gewünschten oder vorgegebenen Zielen des Ei-
gentümers oder der Eigentümer gerecht wird.
Biel:
CG umfasst sowohl die Entwicklung und
Festlegung von Regelwerken zur Lenkung und
Kontrolle von Unternehmen als auch die Um-
setzung und Überwachung dieses Systems.
Worauf kommt es besonders an? Mehr auf
geeignete Strukturen, Prozesse und Personen?
Oder auf Instrumente und Methoden, z. B.
Compliance und Risikomanagement. Welche
Kraft haben dabei Transparenz und Kontrolle?
Nevries:
Die Schaffung guter Unternehmens-
führung (good governance) liegt letztlich in den
Händen relativ weniger Top-Level-Akteure. In-
sofern löst sich die Vielschichtigkeit Ihrer Frage
etwas auf, wenn man vor allem
auf die zentra-
len Akteure und ihre individuellen Interes-
senlagen schaut
. Woran ist jemandem beson-
ders gelegen, was könnte für jemanden von
außerordentlichem Vorteil oder Nutzen sein?
Diese Kontrollfragen können helfen, mögliche
Gefährdungen und Beeinträchtigungen im Vor-
feld zu erkennen. Organisationsstrukturen und
Entscheidungsprozesse legen die Basis für eine
Controlling und Corporate Governance