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Da gerade existenzbedrohende Risiken, wie ein
Brand, meist geringe Wahrscheinlichkeiten
(und damit einen niedrigen Schadenserwar-
tungswert) besitzen, werden diese manchmal
zu wenig beachtet. Vor allem aber können mit
der Methode nur binomialverteilte Risiken be-
wertet werden, also Risiken, bei denen entwe-
der ein Schaden eintritt oder nicht. Ganz viele
Risiken weisen aber unterschiedliche Scha-
denshöhen mit unterschiedlichen Wahrschein-
lichkeiten auf (siehe das Beispiel unten). Und
außerdem wird die dem Risiko gegenüberste-
hende Chance ignoriert.
Was ist ein Risiko und seine Verteilung?
Ein
Risiko beschreibt die aus der Unsicherheit re-
sultierende Möglichkeit, dass die Realität von
der Planung (positiv oder negativ) abweicht
(vgl. Gleißner 2017, S. 17). Diese Abweichun-
gen besitzen eine Verteilung – oft eine Normal-
verteilung, wie beispielsweise Fremdwäh-
rungserlöse, auf die das Wechselkursrisiko
wirkt. An der Dichtefunktion (vgl. Abbildung 2,
oben) ist zu erkennen, dass kleine Abweichun-
gen vom erwarteten Wert häufiger vorkommen
als große Abweichungen.
Handlungsempfehlung
Eine praktikable Me-
thode, um solche Verteilungen von betrieblichen
Risiken näherungsweise abzuschätzen, stellt die
Fünfeck-Verteilung dar (vgl. Abbildung 2, Mitte).
Diese wurde in Projekten mit mittelständischen
Unternehmen entwickelt und hat sich in der
Praxis bewährt (vgl. bspw. Baier/Mayer 2012).
Die Abschätzung startet mit dem durch-
schnittlich zu erwartenden Wert, der auch in
der GuV-Planung verwendet wird. Dann wer-
den im Sinne einer Worst-Case- und Best-
Case-Betrachtung die maximale nachteilige
und die maximale vorteilhafte Abweichung ab-
geschätzt. Im Beispiel: Auf welchen Wert
könnten die Fremdwährungserlöse durch ver-
änderte Wechselkurse im besten Fall steigen
bzw. im schlimmsten Fall sinken? Zusätzlich
wird abgeschätzt, in welchem Bereich 90%
der Abweichungen liegen, also bspw. die Wäh-
rungserlöse in 9 von 10 Jahren.
Die so ermittelte Fünfeck-Verteilung kann nun
sehr einfach in einem Risiko-Diagramm visuali-
siert werden (vgl. Abbildung 2, unten). Dabei
lässt sich an der Ausdehnung des Balkens nach
links (max. nachteilige Abweichung im Ver-
gleich zu Jahresüberschuss bzw. Eigenkapital)
sofort die Relevanzklasse des Risikos ablesen
(vgl. hierzu Gleißner 2017, S. 171).
Ausblick
Die Risikobewertung mit der Fünfeck-
Verteilung bietet mehrere Vorteile: Sie ist für
nahezu alle Verteilungen anwendbar (nicht nur
für Binomialverteilungen) und stellt auch die
Chancenseite dar (Ausdehnung des Balkens
nach rechts), was für eine Chancen-Risiko-Ab-
wägung wichtig ist. Dabei müssen keine Wahr-
scheinlichkeiten geschätzt werden, sondern
nur Bandbreiten von Abweichungen, was in der
Praxis wesentlich leichter fällt. Die Visualisie-
rung mit Balken-Diagrammen ermöglicht einen
einfachen Vergleich und auch die Darstellung
der Wirkung von Maßnahmen der Risikobewäl-
tigung (vgl. Abbildung 2). So verbindet die Fünf-
eck-Verteilung die Anforderungen eines fun-
dierten Risikomanagements mit den Möglich-
keiten der betrieblichen Praxis.
Literatur
Baier, S./Mayer, J. (2012): Risikomanagement
bei Günther + Schramm, in: Stahldialog, Heft 2.
Bischof, J. (2012): Risikomanagement im
Mittelstand – Methoden für die Praxis, IHK
Ostwürttemberg.
Gleißner, W. (2017): Grundlagen des Risiko-
managements, 3. Aufl., Vahlen.
Vanini, U. (2012): Risikomanagement, Schäffer-
Poeschel.
Autor
Prof. Dr. Jürgen Bischof
ist Professor für Controlling an der Hochschule Aalen. Er lehrt in den
Studiengängen Mittelstandsmanagement und Betriebswirtschaft
für kleine und mittlere Unternehmen. Seine Forschungsschwer-
punkte sind das Risikomanagement, die Nachhaltige Unterneh-
mensführung und das Performance Management. Er ist Mitglied
des Arbeitskreises der Controlling-Professoren an Hochschulen.
E-Mail:
Sprecher dieser Artikelreihe:
Prof. Dr. Andreas Wiesehahn,
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg,
E-Mail:
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. Hanno Drews (Verhaltensorientiertes Con-
trolling), Prof. Dr. Britta Rathje (Operatives Control-
ling, insb. Kosten- und Erfolgsmanagement), Prof.
Dr. Solveig Reißig-Thust (Controlling und Compli-
ance, Value Based Management, Unternehmens-
bewertung, Controlling in Gründungsunternehmen),
Prof. Dr. Andreas Taschner (Management Re-
porting, Investitionscontrolling, Supply Chain Con-
trolling), Prof. Dr. Andreas Wiesehahn (Nachfolge-
controlling, Nachhaltigkeitscontrolling)
Abb. 2: Fünfeck-Verteilung zur Bewertung und Visualisierung
CM Juli / August 2018