CONTROLLER Magazin 5/2017 - page 10

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ren kann aufgrund eines kurzen Customer-to-
Customer Cycles nicht per se auf ein erfolgrei-
ches Working Capital Management geschlos-
sen werden. Zwar resultiert aus einem kurzen
Zyklus zwischen der Auszahlung an die Liefe-
ranten und der Einzahlung durch die Kunden
eine geringe Kapitalbindungsdauer, was unbe-
stritten positiv zu werten ist. Werden zur Be-
wirtschaftung der Debitoren, Kreditoren und
Bestände jedoch gleichzeitig überdurchschnitt-
lich viele Mitarbeiter benötigt, ist dies ein An-
zeichen für eine ineffiziente Organisations-
struktur, eine relativ geringe Automatisierungs-
rate oder andere organisatorische Ineffizien-
zen. Integriertes Working Capital Management
setzt den Fokus deshalb nicht nur auf die klas-
sischen Kennzahlen des C2C-Cycles, sondern
setzt diese auch in Relation zu geeigneten
Kenngrößen der operativen Effizienz.
Insgesamt wurden in der Studie
Daten von
76 europäischen Eisenbahnunternehmen
gesammelt und in die Analyse einbezogen.
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Dabei wurden Kennzahlen auf Konzernebene
sowie für die gängigen Geschäftseinheiten
Personenverkehr, Güterverkehr und Infra-
struktur erhoben.
Da die Eisenbahnverkehrsunternehmen un-
terschiedliche Kostenrechnungsverfahren an-
wenden, wurden zur Berechnung der einzel-
nen Komponenten des Cash-to-Cash Cycles
(DPO, DSO, DIO) nicht die Herstellungskosten,
sondern die Umsätze herangezogen. Ab-
schließend wurde das absolute Niveau an Net-
toumlaufvermögen (NWC) ermittelt, um zu er-
fahren, welcher Teil des zur Verfügung ste-
henden Vermögens bei Eisenbahnverkehrsun-
ternehmen im Durchschnitt mit kurzfristigem
(zinslosen) Kapital finanziert ist.
Gruppenspezifische Durchschnittswerte
Vergleicht man die gruppenspezifischen C2C-
Cycle Kennzahlen der EVUs, zeigt sich, dass der
Vorfinanzierungsbedarf im Allgemeinen relativ
gering ist. Die tiefste durchschnittliche operati-
ve Kapitalbindung wird auf Stufe Konzern mit
2,7 Tagen erzielt. Haupttreiber für dieses Ergeb-
nis ist die Diskrepanz zwischen der Umschlag-
häufigkeit der Kreditoren, die im Durchschnitt
bei knapp 47 Tagen liegt und der Umschlaghäu-
der durch nationale Gesetze konkretisiert
wird. Demnach sind Eisenbahnen öffentliche
Einrichtungen oder privatwirtschaftlich orga-
nisierte Unternehmen, die
Eisenbahnver-
kehrsleistungen erbringen
(Eisenbahnver-
kehrsunternehmen, EVU)
oder eine Eisen-
bahninfrastruktur betreiben
(Eisenbahnin-
frastrukturunternehmen, EIU). EVU verkehren
auf den Schienenwegen von Eisenbahninfra-
strukturunternehmen, wenn sie nicht selbst
auch deren Funktion innehaben. In Deutsch-
land existieren zwischenzeitlich an die 600
öffentliche und nicht öffentliche EVU, in der
Schweiz an die 40, in Österreich an die 60.
Hintergrund & Methodik
Grundlage der Benchmark-Studie bildet eine
an der Universität St. Gallen durchgeführte
Projektinitiative zur Ermittlung des adäquaten
Nettoumlaufvermögen-Niveaus von diversifi-
zierten Eisenbahnunternehmen. Ziel war die
systematische Ermittlung des Working Capital
Management-Reifegrades von Unternehmen
innerhalb der Eisenbahnbranche sowie die
Identifizierung von Best Practices.
Dabei unterliegt das Working Capital Manage-
ment bei EVUs einigen Besonderheiten. Nicht
nur weisen die einzelnen Geschäftseinheiten
unterschiedliche Geschäftslogiken auf, son-
dern besitzen auch unterschiedliche Kosten-
treiber und WCM-spezifische Herausforderun-
gen. Während im Personenverkehr beispiels-
weise ein Großteil der Zahlungsströme durch
den Kunden bar oder per Vorauskasse bezahlt
wird, werden bei Eisenbahninfrastrukturunter-
nehmen beinahe alle Geschäfte per Rechnung
beglichen. Es liegt deshalb auf der Hand, dass
es im Infrastrukturbereich allein schon auf-
grund des relativ großen Debitorenvolumens
schwieriger sein wird, einen tiefen DSO-Wert
zu erzielen als im Personenverkehr. Des Weite-
verfahren, die oftmals von Vergangenheitswer-
ten ausgehen. Dazu gehört auch der Einsatz
von Programmstrukturanalysen (z. B. ABC-
Analyse) zur Reduzierung oder Optimierung der
Teile- und Variantenvielfalt. Über- und Unterka-
pazitäten lassen sich durch eine sinnvolle Nut-
zung und Auswertung von großen Datenmen-
gen vermeiden (Big Data).
Bei der
Bestimmung der optimalen Bestell-
menge
geht es primär darum, die Lagerhal-
tungskosten den Bestellkosten gegenüberzu-
stellen. Neben der Klärung der Fragen, wann
und wie viel bestellt werden soll, müssen dies-
bezüglich auch die Sicherheitsbestandsniveaus
unter Berücksichtigung der Widerbeschaf-
fungszeiten bestimmt werden. Dabei lassen
sich die Bestände insbesondere durch eine
bessere Informationsanbindung zwischen dem
Unternehmen, dessen Lieferanten und dessen
Kunden senken (z. B. mithilfe von EDI – Electro-
nic Data Interchange).
Ausgewählte Stellhebel im Bestands-
management:
-
Senkung der Fertigungstiefe
(z. B. Outsourcing von Support-Prozessen),
-
Reduzierung von Lagerstandorten und
Lagerstufen (z. B. Vermeidung von
Mehrfachlagerungen),
-
Verbesserung der Bedarfsprognosen,
-
Optimierung der Produktionsprozesse,
-
Reduktion der Teile- und Variantenvielfalt
(z. B. über ABC-XYZ-Analyse),
-
Bessere Informationsanbindung von Kunden
und Lieferanten.
Studie zum Working Capital
Management bei Eisenbahn-
verkehrsunternehmen
Eisenbahnverkehrsunternehmen ist ein Be-
griff aus dem europäischen Eisenbahnrecht,
Abb. 2: Zusammensetzung der Unternehmen in der Studie
Working Capital Management
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,...116
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