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SPEZIAL BAV
_EUROPA
spezial bAV 11/17
Unsicherheit nach dem Brexit
SZENARIEN.
Unternehmen mit Mitarbeitern in Großbritannien müssen sich dringend
mit den möglichen Auswirkungen des Brexits auf ihre bAV auseinandersetzen.
Versicherer und die Basel II- und III-Vor-
schriften für Banken. Es ist zu befürchten,
dass auch diese Vorschriften langfristig
durch nationale britische Regeln abgelöst
werden. Das muss für die Unternehmen
nicht unbedingt schlechter sein. Es wäre
aber blauäugig, davon auszugehen, dass
die britischen Regelungen in jedem Fall
besser sind als die Regelungen der EU.
Für deutsche Unternehmen besteht da-
rüber hinaus ein tendenziell steigendes
Währungsrisiko. Seit dem Brexit-Votum
hat das britische Pfund gegenüber dem
Euro fast 15 Prozent an Wert verloren.
Arbeitsmarkt: Freizügigkeit fremder
Arbeitnehmer soll verschwinden
Ein zentraler Punkt in der Diskussion
um den Brexit war der Wunsch der EU-
Gegner, die Arbeitnehmerfreizügigkeit
einzuschränken. Aktuell werden in
Großbritannien verschiedene Maßnah-
men diskutiert: Gering qualifizierte
Arbeitnehmer sollen nur noch ein be-
grenztes Aufenthaltsrecht von maximal
zwei Jahren erhalten, hoch qualifizierte
Arbeitnehmer maximal fünf Jahre. In
Großbritannien lebende EU-Bürger sol-
len nicht mehr vor dem Europäischen
Gerichtshof klagen dürfen, wenn sie sich
eingeschränkt sehen. Für Unternehmen
könnte es damit künftig deutlich schwe-
rer werden, EU-Bürger längerfristig in
Großbritannien einzusetzen.
Steuer- und Sozialversicherungsrecht:
Abkommen werden neu verhandelt
Innerhalb der EU bestehen grundsätzlich
Steuer- und Sozialversicherungsabkom-
men, die die entsprechende Behandlung
Von
Michael Hoppstädter
künftig gelten wird. Auch die Komplexi-
tät für zahlreiche HR-Themen wird stei-
gen, denn ein Vorteil der EU war auch der
weitgehend einheitliche oder zumindest
vergleichbare Rechtsrahmen.
Finanzmarkt: Solvency II- und Basel
II/III-Vorschriften wackeln
Britische Pensionspläne sind tradi-
tionell stärker an den Kapitalmarkt
gebunden als in Deutschland. Die Un-
ternehmen müssen zweckgebundene
Kapitaltöpfe zur Finanzierung der Pen-
sionsverpflichtungen ansammeln, Treu-
händer („Trustees“) werden mit dem
entsprechenden Asset-Management be-
auftragt. Der Treuhänder ermittelt nach
versicherungsmathematischen Grund-
sätzen die Beiträge („Contributions“),
die das Unternehmen jährlich in den
Kapitaltopf einzahlen muss – auch für
sogenannte Leistungszusagen („Defined
Benefit“ oder „DB“).
Die Treuhänder unterliegen der Auf-
sicht durch TPR („The Pensions Regula-
tor“). Diese Institution weist aktuell die
Treuhänder an, die Gespräche mit den
Unternehmen zu suchen, um mögliche
negative Auswirkungen des Brexit auf
die Geschäfte der Unternehmen zu iden-
tifizieren und gegebenenfalls bei der Er-
mittlung der künftigen „Contributions“
zu berücksichtigen. Schlussendlich läuft
es auf tendenziell steigende „Contribu-
tions“ für die Unternehmen hinaus.
Ähnlich den Bestimmungen zum Ar-
beitsrecht sind auch im Finanzbereich
zahlreiche EU-Verordnungen in britisches
nationales Recht umgesetzt worden, zum
Beispiel die Solvency II-Vorschriften für
N
ach dem Referendum im Juni
2016 und dem formellen An-
trag auf Ausscheiden aus der
EU am 29. März 2017 haben
die Verhandlungen zum sogenannten
Brexit zwischen Großbritannien und der
EU begonnen. Neben den großen poli-
tischen Themen stellen sich auch ganz
praktische Fragen für deutsche Unter-
nehmen und Arbeitnehmer, die im Ver-
einigten Königreich tätig sind.
Arbeitsrecht: Der Vorteil des einheitli-
chen Rechtsrahmens verschwindet
Wie alle Mitgliedsstaaten der EU haben
auch die Briten zahlreiche EU-Richtlini-
en in nationales Recht umsetzen müs-
sen, sofern das bislang bestehende die
EU-Anforderungen nicht bereits erfüllt
oder die Bürger gar besserstellt. Auch
nach dem Brexit bleiben alle umgesetz-
ten EU-Richtlinien bis auf Weiteres na-
tionales britisches Recht. Die britische
Regierung wird sich entscheiden müs-
sen, ob die umgesetzte Rechtsetzung
der EU aufgehoben und durch die vor-
her bereits bestandenen oder gänzlich
neue Regelungen ersetzt werden sollen.
Für die bAV betrifft das beispielsweise
die EU-Mobilitätsrichtlinie, aber auch
zahlreiche Regelungen im allgemeinen
Arbeitsrecht wie Arbeitszeitregelungen,
Arbeitsschutzbestimmungen, Altersdis-
kriminierung, Verbot der Ungleichbe-
handlung und dergleichen. Unternehmen
mit Aktivitäten in Großbritannien steht
daher voraussichtlich eine lange Zeit der
Unsicherheit bevor, welche Rechtslage