personalmagazin 9/2018 - page 97

Aufhebungsverträge
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Es war eine recht despektierliche Bemerkung, die 1879 der
damalige Reichskanzler Otto von Bismarck getätigt hat: „Je
weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht
werden, desto besser schlafen sie.“ Dennoch kann dieser Aus-
spruch auch heutzutage noch Bestätigung finden, wie der Blick
auf die Geschichte der Gesetzgebung zum sogenannten Haus-
türwiderrufsgesetz zeigt.
Konzipiert als eigenständiges Gesetz zum Schutze der Ver-
braucher vor übereilten und unüberlegten Vertragsabschlüssen,
diente das Haustürwiderrufsgesetz seit 1985 dem Zweck, Bürger
vor Überrumpelung zu schützen. Es gab ihnen das Recht, im
häuslichen Bereich unterzeichnete Verträge problemlos inner-
halb von einer Woche zu widerrufen. Auf dieses Widerrufsrecht
muss seitdem beim Vertragsschluss aufmerksam gemacht wer-
den. Der Sinn dieses Widerrufsrechts ist, der besonderen priva-
ten Situation Rechnung zu tragen, in der sich ein Verbraucher
befindet, der sich im häuslichen Bereich aufhält. Die Gefahr
einer Überrumpelung wurde aber nicht nur im eigentlichen
häuslichen Bereich gesehen, sondern zum Beispiel auch bei
Haustürgeschäften, die am Arbeitsplatz abgeschlossen werden.
Vereinheitlichung mit Wirkung im Arbeitsrecht
Als im Jahr 2002 das Haustürwiderrufsgesetz in das Bürgerli-
che Gesetzbuch (BGB) integriert wurde, hatte dies überwiegend
gesetzestechnische Gründe. Was dabei jedoch Ministerien wie
Parlamentarier übersahen: Mit Einfügung in das BGB wurde
das Haustürgeschäft grundsätzlich auch zur arbeitsrechtlichen
Materie. Das führte zu einem mitunter grotesken Auslegungs-
streit mit der Frage, ob denn generell ein in den Betriebsräumen
unterschriebener Aufhebungsvertrag automatisch widerruflich
ist. Schließlich wurde ein solcher Vertrag ja „am Arbeitsplatz“
abgeschlossen. Und durch die Integration des Haustürwiderrufs-
gesetzes hat der Gesetzgeber den Verbraucherschutz im häusli-
Von Thomas Muschiol
Das Haustürwiderrufsgesetz wurde 2002 ins BGB eingefügt. Über
Nacht kam so ein Verbraucherschutzgesetz zum arbeitsrechtlichen
Normengefüge hinzu. Das wirkte sich auch auf Aufhebungsverträge
aus. Obwohl das BAG wichtige Fragen dazu geklärt hatte, ist nun die
Debatte um den Widerruf von Aufhebungsverträgen neu entfacht.
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