personalmagazin 9/2018 - page 94

gesetzte Strategie dar. Dabei liegt diese
Reaktion eigentlich nahe. Nicht alles, was
Mitarbeiter oder Bewerber behaupten, ist
falsch, aber umgekehrt ist mit Sicherheit
auch nicht alles richtig.
Wenig hilfreich ist der Versuch, der von
Bewertern geäußerten Kritik an den Zu-
ständen im Unternehmen dessen norma-
tives Selbstbild entgegenzuhalten, etwa
indem eine Beschwerde zum Führungs-
kräfteverhalten mit einer Erläuterung
des Führungsleitbilds beantwortet wird.
Damit signalisiert die Personalabteilung:
Wir schließen immer messerscharf, dass
nicht sein kann, was nicht sein darf.
Besser ist es, den präsentierten Be-
hauptungen Fakten oder die eigene sub-
jektive Wahrnehmung entgegenzusetzen.
Beispiel: Ein Mitarbeiter beschwert sich
in einem Kommentar über die „hohe Mit-
arbeiterfluktuation“ bei seinem Arbeit-
geber. Der Personalleiter nimmt den Vor-
wurf auf, stellt der Behauptung nüchterne
Statistik entgegen und teilt ihmmit, „dass
die Mitarbeiterfluktuationsrate unseres
Unternehmens der durchschnittlichen
Rate in vergleichbaren Industrieunter-
Drei Hinweise zum besseren Umgang mit
Arbeitgeberbewertungsplattformen
1. Nehmen Sie Feedback ernst und reagieren Sie angemessen
Unternehmen sollten nicht nur zusichern, sich „Kritik zu Herzen zu nehmen“, son-
dern tatsächlich Prozesse aufsetzen, um das Feedback zu verarbeiten. Arbeitgeber
müssen auf öffentliche Kritik öffentlich reagieren und dazu interne Guidelines for-
mulieren. Wann gibt es eine detaillierte Stellungnahme? Wann muss eine Standard-
antwort genügen? Wertschätzung ist ein wichtiges Leitprinzip für den Dialog. Das
gilt für die Entgegnung auf Kritik ebenso wie für das offene Auftreten mit Namen,
Gesicht und personalisierter E-Mail-Adresse.
2. Rufen Sie Ihre Mitarbeiter dazu auf, Bewertungen abzugeben
Die Erfahrung zeigt: Ein Mehr an Bewertungen führt tendenziell zur Nivellierung
von Negativausschlägen. Hierfür braucht es keine Kampagnen, sondern neutral
formulierte Bewertungsaufforderungen, die standardmäßig in bestehende Prozesse
integriert werden. Eine selektive Aktivierung von „Jubelmitarbeitern“ dagegen mag
zwar – vorübergehend – in eine Fünf-Sterne-Durchschnittsbewertung münden. Das
gleichgeschaltete Abstimmungsergebnis ist dann aber schnell als Manipulation
erkennbar und wird nicht selten selbst zum Gegenstand der öffentlichen Kritik.
3. Erstellen Sie ein aussagekräftiges Employer-Branding-Profil
Wenn das Unternehmen ein kostenpflichtiges Employer-Branding-Profil schaltet,
sollte das echtem Branding dienen und nicht die übliche Hygienekommunikation à
la „attraktive Karrierechancen“, „Arbeit beim Marktführer“ oder „innovatives Arbeits-
umfeld“ reproduzieren. Die Differenzierung lässt sich zusätzlich dadurch ausbauen,
indem das Unternehmen zum Thema macht, dass es aktiv mit Kritik umgeht.
nehmen entspricht.“ So kann eine fakten-
orientierte Antwort aussehen, die ja auch
von potenziellen Bewerbern mitgelesen
wird.
Kein Aufruf zum Gespräch
im Nirgendwo
Wichtig für einen positiven Dialog sind
reale Kontaktmöglichkeiten. Arbeitgeber
fordern zwar in sieben von zehn Stellung-
nahmen zum Dialog auf. Allerdings ver-
gessen davon 70 Prozent, eine konkrete
Kontaktmöglichkeit in Form einer E-Mail-
Adresse oder einer Telefonnummer zu
nennen. Die meisten der Kontaktange-
bote bestehen zudem aus einer unper-
sönlichen E-Mail-Adresse à la „karriere@
unternehmensname.de“.
Es geht auf Arbeitgeberbewertungs-
plattformen darum, sichtbar wertschät-
zend mit Mitarbeitern und Bewerbern zu
kommunizieren. Wenn sich ein Nutzer
bitter über das Verhalten des Vorgesetz-
ten beklagt und das Unternehmen ihn
dann an eine allgemeine Massenadresse
verweist, wirkt das nicht wertschätzend.
Aggressiver Gegenschlag:
Selber doof!
Der Dialog auf Kununu wird vor allem
von HR geführt. 69 Prozent der unter-
suchten Statements stammen aus der Per-
sonalabteilung. Ein Blick auf die aggres-
siven Gegenschläge zeigt: HR sollte den
Kommentarzugang verteidigen. Denn
nicht wenige Unternehmensvertreter aus
anderen Bereichen geben der Versuchung
nach, einen Gegenschlag auf unfreund-
liche Kommentare von Nutzern und ehe-
maligen Mitarbeitern zu führen. Acht Pro-
zent der untersuchten Statements sind
aggressiv oder zumindest unterschwellig
aggressiv wie in diesem Beispiel: „Mehr
Schein als Sein ... genau diese Beurteilung
geben wir sehr gerne an Sie, sehr geehrte
Ex-Azubine, zurück. (…)“
Auffallend ist, dass mehr als die Hälfte
solcher Kommentare von Geschäftsfüh-
rern stammt, obwohl diese nur eine klei-
ne Minderheit unter den Autoren aus-
machen. Aus zahlreichen Gesprächen
wissen wir: Unternehmenslenker betrach-
ten die Kritik auf Kununu als persönli-
chen Angriff auf „ihr Baby“ und fahren
rasch verbal aus der Haut. HR übt dage-
gen eher eine professionelle Rolle als
Feedbackmoderator aus.
Dementieren
ist durchaus
eine Option:
Nicht alles, was
Mitarbeiter
behaupten, ist
falsch, aber
umgekehrt ist mit
Sicherheit nicht
alles richtig.
HR-Management
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