personalmagazin 9/2018 - page 100

Allzu viele Projekte in Unternehmen laufen ab wie das Spiel „Stille
Post“: Die Beteiligten – Fachabteilung, HR und Betriebsrat – flüs-
ternmeist, statt offenmiteinander zu reden. Da sindMissverständ-
nisse programmiert, wie zumBeispiel in einemBetrieb, der mittels
neuer Software lediglich die Tourenplanung für seine Außendienst-
mitarbeiter optimieren wollte. Letztlich kam auf die Fachabteilung
mehr zu, als bloß die bestmögliche Route berechnen zu lassen.
Staus, gesperrte Straßen, persönliche Terminwünsche von
Kunden – auf Basis verschiedener Parameter sollte eine neue
Software die Routenplanung für alle Außendienstmitarbeiter
eines Unternehmens automatisch vornehmen und diese dadurch
entlasten. Denn bislang oblag es den Mit-
arbeitern selbst, die täglichen Touren zu
den Kundenterminen zu planen.
Der zuständige Fachbereich beriet sich
daher intern über mögliche Softwarelö-
sungen, wählte ein passendes System aus
und informierte schließlich HR über das
Vorgehen. So weit, so gut, so abgestimmt.
Die Personalabteilung wiederum teilte
dem Betriebsrat die anstehende Verän-
derung und die Einführung der Software
mit, die ja – vermeintlich – allein der Op-
timierung der Außendienstrouten dienen
sollte. Fatalerweise erfolgte damit bereits
eine erste Verfälschung der Fakten, was
sich letztlich zu einem gravierenden
Missverständnis entwickeln sollte.
Denn weil die Abstimmung zwischen
Fachbereich und Personalabteilung sehr
dürftig ausfiel – wie so oft wurde bei der Weitergabe von Infor-
mationen gekleckert statt geklotzt –, konnte HR wiederum den
Betriebsrat lediglich unzureichend über die neue Software infor-
mieren. Wie beim Stille-Post-Spiel wurde quasi nur im Flüsterton
kommuniziert. Entsprechend groß waren die Fragezeichen in
den Augen der Betriebsratsmitglieder. Zu allem Überfluss gab
es auch bezüglich des Zeitpunkts für die Softwareeinführung
eine Unstimmigkeit. Als der Betriebsrat informiert wurde, war
nämlich schon längst alles installiert und einsatzbereit. Damit
aber nicht genug: Zum spielentscheidenden Knackpunkt wurde
letztlich die Tatsache, dass die neue Software nicht nur die Tou-
renplanung optimierte, sondern den Außendienstmitarbeitern
zugleich auch ihre Arbeitszeiten mehr oder weniger vorgab. Das
war nun definitiv der Moment, an dem der Betriebsrat seine ein-
schlägigen Mitbestimmungsrechte geltend machte.
Dass gelungene Kommunikation und Kooperation im betrieb-
lichen Alltag keine Selbstverständlichkeiten sind, zeigt auch ein
anderes Beispiel aus einem Filialunternehmen im Handel. Hier
sollte eine neue Kundenfrequenzmessung eingeführt werden.
Der Fachbereich diskutierte und plante, wie das Projekt umzu-
setzen sei, und entschied sich am Ende für den Einbau moderner
Laserschranken und ein System zur automatischen Videoanalyse.
Doch erst als die Handwerker mit Werkzeug und Messgeräten in
der Filiale standen, erhielt der Betriebsrat von der Veränderung
Kenntnis – und fragte zu Recht: Was macht ihr hier eigentlich?
Beim Zusammenspiel von Fachbereichen, HR und dem Be-
triebsrat entstehen immer wieder Spannungen, welche die Pro-
zesse stören und verzögern. Mal führen Fachbereiche Projekte
gänzlich ohne Einbeziehung der übrigen Beteiligten durch, mal
verfügt die Personalabteilung nicht über
das nötige Know-how, um den Betriebs-
rat vollumfänglich zu informieren und
dessen Fragen zu beantworten, mal blei-
ben schlicht wichtige Informationen bei
der Stille-Post-Kommunikation auf der
Strecke. Meist bekommt den Unmut zu-
nächst die Personalabteilung zu spüren.
Während der Betriebsrat die mangelnde
Mitbestimmung kritisiert, herrscht im
Fachbereich Unverständnis – schließlich
war die Personalabteilung doch vorab in-
formiert. Oder nicht? Dass diese zwar als
Mittelsmann fungiert, der Fachbereich
aber auch alle nötigen Informationen be-
reitstellen muss, wird häufig vergessen.
In vielen Betrieben fehlen klare Struk-
turen und einheitliche Regelungen dazu,
wer, wie und wann in die verschiedenen
Prozesse einbezogen wird. Oft kennen die Beteiligten ihre Rollen
nicht und übernehmen dadurch Aufgaben, die eigentlich nicht
die ihren sind. Noch komplizierter wird es, wenn zudem die
Konzernzentrale aus dem Ausland für Termindruck bei der
Fachabteilung sorgt. Oft ist es dann einfacher, Fachabteilung
und Betriebsrat für den direkten Austausch zusammenzuführen,
während HR als Spielleiter auftritt und moderiert.
Stille Post oder klare Kommunikation:
Wieso HR Spielleiter zwischen Fachbereich
und Betriebsrat sein soll.
MARCO HOLZAPFEL schreibt in der
Kolumne über die Zusammenarbeit von
Betriebsrat und Arbeitgeber. Der ehema­
lige Personalmanager und Gründer der
Beratung Betriebsdialog ist überzeugt,
dass fast alle Konflikte durch gute Kom­
munikation und Beteiligung zu lösen sind.
Illustration Lea Dohle
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personalmagazin 09.18
Kolumne Klassenkampf
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