06/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Integrationskurs sowie einemUnterneh
menspaten. Kirsten Sánchez Marín, Lei
terin des Bereichs Corporate Citizenship
bei Henkel, betont: „Über die Teilnahme
erhalten die Menschen einen Arbeits
nachweis und damit auch eine Einschät
zung ihrer Qualifikation.“
Kooperation mit dem Jobcenter
Einen wichtigen Baustein sieht Sánchez
Marín in der engen Kooperation mit
dem Jobcenter. Praktische und theoreti
sche Fertigkeiten werden über Wochen
gründlich geprüft. „Hier können wir feh
lende Qualifizierungsunterlagen anglei
chen“, so die Fachfrau. Das bedeutet für
alle Zertifizierten, dass sie etwas in der
Hand haben, was deutsche Arbeitgeber
verstehen. Sánchez Marín betont, dass
auch die Mitarbeiter – in der Düssel
dorfer Zentrale kommen sie aus 60 Län
dern – „mit ehrenamtlichen Projekten
der Flüchtlingshilfe die Firmenkultur
positiv prägen“: Alphabetisierungskur
se, Lesepatenschaften, Musikunterricht
werden von Henkel mit bis zu acht Frei
stellungstagen im Jahr unterstützt.
Mittelständische Unternehmen ste
hen Konzernen bei ihren Aktivitäten
in nichts nach. Sie bringen als einzelne
Firma oder in Kooperationen Geflüchtete
auf den Arbeitsmarkt. Im Februar 2016
suchte der Märkische Arbeitgeberver
band (MAV) in Südwestfalen 15 Prakti
kumsplätze für das Projekt „Berufliche
Qualifikation von Flüchtlingen mit er
gänzender Sprachförderung“. 30 Firmen
der Metall- und Elektroindustrie boten
60 Plätze. Mit an Bord waren die Agentur
für Arbeit Iserlohn, die verbandseigene
Ausbildungsgesellschaft Mittel-Lenne
und die Euro-Schulen Märkischer Kreis.
Wahrscheinliches Bleiberecht, jünger
als 27 Jahre, Freude am Handwerk,
ernsthaftes Lerninteresse, Zuverlässig
keit sowie Pünktlichkeit waren Auswahl
kriterien. 15 junge Männer, die meisten
aus Syrien, starteten mit dem Sprach
kurs – wie Azubis im Blaumann und mit
Sicherheitsschuhen. „Alle müssen min
destens die Sicherheitsunterweisungen
lesen können, wenn sie später in den
Unternehmen ein Praktikum beginnen
wollen“, sagt Josef Schulte, stellvertre
tender Geschäftsführer des MAV. Ein
halbes Jahr später stiegen von zwölf
Praktikanten zehn Flüchtlinge in den re
gulären Arbeitsmarkt ein – Ausbildung,
Einstiegsqualifizierung, Arbeitsstelle.
Schulte sieht für diese gute Quote zwei
Gründe: „Integration ist Netzwerkarbeit
vor Ort, dort, wo man sich kennt. Und wir
haben das Projekt von vorneherein als Ko
operation konstruiert.“ Mit geändertem
Konzept gehen die märkischen Unterneh
mer seit Jahresbeginn in die nächste Run
de: Der Vollzeitsprachunterricht wurde
von sechs auf acht Wochen verlängert und
auch während der technischen Kurse geht
es mit dem Deutschunterricht weiter. Al
tenloh, Brinck & Co (ABC) in Ennepetal hat
seine Ausbildungswerkstatt für Integrati
onsprojekte in Zusammenarbeit mit der
Volkshochschule Gevelsberg zertifizieren
lassen. Thyssenkrupp Bilstein beteiligt
sich. Seit März feilen, bohren, drehen
und fräsen 15 Flüchtlinge im Praktikum.
Die Metall-Ausbilder werden durch zwei
versierte Rentner unterstützt, die noch
im Prüfungsausschuss für Auszubilden
de aktiv sind. Schon jetzt zeigt das Modell
Integrationserfolge: Die Azubis und die
Geflüchteten spielen Fußball miteinander.
Im Sommer wird sich entscheiden, wer es
in die Lehre schafft. „Wir haben zusätzli
che Ausbildungskapazitäten geschaffen“,
sagt ABC-Ausbildungsleiter Hans-Jürgen
Barth.
Eine praxisnahe Vorbereitung auf
Ausbildung und Arbeit muss seinen
Mittelpunkt nicht zwangsläufig in Un
ternehmen finden. Auch Berufsschulen
und -kollegs können junge Flüchtlinge
systematisch voranbringen.
Die Rolle der Berufsschulen
So sind in den Beruflichen Schulen Alt
ötting von rund 2700 Schülern sechs
Prozent Geflüchtete. Die Schule hat
ihr bewährtes Unterrichtskonzept für
Schüler mit und ohne Migrationshin
tergrund erweitert, sich mit Behörden
und ehrenamtlichen Helfern vernetzt
und kann auf einen Pool von 500 Prak
tikumsstellen zurückgreifen. Basis des
schulischen Lernens und der Bewer
tung sind Kompetenzraster, nach denen
die unterschiedlichsten Fähigkeiten
entwickelt werden – für den Lebens
alltag ebenso wie für den jeweiligen
Fachschwerpunkt und Ethik. Wie gut
die Schüler Verkehrszeichen, Kaufver
träge, die Vielfalt der Religionen, die
deutsche Sprache, Web-Recherche und
Excel kennen, wird im Detail erfasst.
Die Ergebnisse aus den Kompetenzfel
dern werden in eine Art Spinnennetz
eingetragen. So entsteht eine Fläche,
die die Ausbildungsreife zeigt. Für
das ausgeklügelte System der Berufs
orientierung konnte Schulleiter Carlo
Dirschedl mit seinem Team 2016 den
Deutschen Arbeitgeberpreis entgegen
nehmen. Für ihn ist klar: „Die 10 000
Euro Preisgeld gehen ins Kerngeschäft
Unterricht und in die Effizienzsteige
rung, etwa durch die Entwicklung einer
bedienungsfreundlichen Software für
Kompetenzraster.“ Und: Das Modell aus
Altötting können interessierte Schulen
adaptieren. Bundesweit.
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„Unsere Mitarbeiter prägen auch mit
ehrenamtlichen Projekten der Flücht
lingshilfe die Firmenkultur positiv.“
Kirsten Sánchez Marín, Henkel
RUTH LEMMER
ist Journalistin in Duisburg.
ONLINE
Ein Video über das Flüchtlingsprojekt des
märkischen Arbeitgeberverbands sehen Sie
unter