Personalmagazin 6/2017 - page 33

06/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
-abhängigkeiten weder so schnell noch
im geplanten Ausmaß entflechten und
zurückbauen lassen, wie es die aktuelle
US-Regierung gerne sähe – dafür hängen
auch zu viele Arbeitsplätze innerhalb
der USA direkt von den Beziehungen
zu Mexiko ab. Politisch motivierte Rück-
nahmen von US-Investitionsprojekten
(zum Beispiel des neuen Ford-Werkes
im Automotive-Cluster San Luis Potosi)
sind sicher geeignet, lokale Sorgen über
die künftige Investitionsneigung zu er-
zeugen – in der Gesamtbetrachtung des
Aufbaus von Produktionskapazitäten
und Arbeitsplätzen sind diese Effekte je-
doch gering. Der IWF prognostiziert für
das Land mit über 120 Millionen Einwoh-
nern weiterhin ein Wirtschaftswachs-
tum von 3,0 Prozent für das Gesamtjahr
2017; die Arbeitslosenquote liegt aktuell
bei nur knapp über drei Prozent.
Lokale Qualifizierungsprogramme
Wer sich nun also nicht verschrecken
lässt und weiterhin industrielle Pro-
duktionsstandorte in Mexiko errichten
möchte, steht vor der Frage, wie sich der
lokale Facharbeitermarkt präsentiert
und wie Mitarbeiter gewonnen werden
können, die lokal für die Einhaltung
deutscher Qualitätsstandards stehen.
Ähnlich zum Recruiting in den USA
(siehe Teil 1 dieser Serie in Personal-
magazin 4/2017) kann auch in Mexiko
nicht auf eine nach deutschen Bildungs-
standards qualifizierte Arbeitskräfte­
reserve zugegriffen werden.
Lokale Qualifizierungsprogramme
sind unumgänglich, um Mitarbeiter auf
neue Aufgaben vorzubereiten, sofern
nicht in einem industriellen Cluster
auf vorausgebildete Mitarbeiter ande-
rer Hersteller zurückgegriffen werden
kann. Die Wechselmotivation mexika-
nischer Arbeitnehmer ist hoch, wenn
bei einem neuen Arbeitgeber höhere
Löhne winken und die (Arbeitgeber-)
Marke bekannt ist. Gleichzeitig ist die
regionale Verbundenheit in der Groß­
familie ebenfalls hoch, was die überregi-
onale Mobilität einschränkt, und neben
infrastrukturellen Vorteilen eine der
Ursachen dafür ist, dass immer mehr
Hersteller neue Produktionsstätten in
der Nähe bereits bestehender Werke des
Wettbewerbs ansiedeln – eine Praxis, die
kurzfristig funktioniert, aber langfristig
einen Effekt auf die Lohnspirale hat.
Gut beraten ist daher, wer sich nicht
alleine von lokal vorhandenen Fachkräf-
ten abhängig macht und sich rein über
den Preiswettbewerb am Personalmarkt
bedient, sondern die „Rohdiamanten“ in
der noch nicht ausgebildeten Population
entdeckt und dann selbst durch Aus- und
Weiterbildung zu Brillanten schleift.
Audi als Vorbild
Audi hat mit der Besetzung des neuen
Werks vorgemacht, wie das funktio-
niert (siehe Personalmagazin 10/2016):
Zuerst wurden alle Positionen anforde-
rungsanalytisch in Jobcluster kategori-
siert und dann Auswahlverfahren (Fra-
gebogen, Online-Tests, Vor-Ort-Tests,
Arbeitsproben, medizinische Begutach-
tungen) zusammengestellt, mit deren
Ergebnissen ein Matching von Personen
zu Jobclustern möglich wird. So findet
jedes Talent die richtige Stelle – unab-
hängig von Vorbildung oder Vorerfah-
rung. Qualifizierungsinvestitionen kön-
nen dann sehr zielgerichtet erfolgen.
In Mexiko können viele Arbeitnehmer
mit den Jobbeschreibungen in Stellen-
anzeigen wenig verbinden. Es ist daher
Aufgabe des Unternehmens, die Bewer-
ber nicht nur auszuwählen, sondern
auch hinsichtlich der bestpassenden
Joboptionen zu beraten – Eignungsdiag­
nostik und der Abgleich individueller
© MAISEI RAMAN / SHUTTERSTOCK.COM; JESS KRAFT / SHUTTERSTOCK.COM
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SERIE
Unternehmen, die im Ausland Vertretungen oder Produktionsstandorte aufbauen, müs-
sen vor Ort das richtige Personal auswählen. Kulturelle, rechtliche oder arbeitsmarktspe-
zifische Bedingungen und die von Bewerbern erwarteten Usancen zu kennen, ist eine
große Herausforderung. Andreas Frintrup von der HR Diagnostics AG erläutert gemein-
sam mit lokalen Experten, worauf zu achten ist, wenn in der Ferne rekrutiert wird.
In diesem Serienteil geht es um das
Recruiting und die
Personalauswahl in Mexiko
– trotz geplantem Mauerbau
der USA und potenzieller Handelseinschränkungen nach
wie vor ein wichtiger Standort deutscher Unternehmen.
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