Personalmagazin 6/2017 - page 35

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lediglich 1,2 Prozent und auch die Ein-
kommenssteuer liegt mit nur 8,5 Prozent
am unteren Ende der OECD-Verteilung.
Deutschland rangiert mit durchschnitt-
lich 49,4 Prozent Abgabenlast auf Platz
zwei (hinter Belgien) und weist damit
eine fast 2,5-fach höhere Belastung des
Arbeitsfaktors als Mexiko auf. Mexika-
nische Arbeitnehmer haben jedoch einen
gesetzlichen Anspruch auf Beteiligung
am Unternehmensgewinn („Participaci-
ón de los Trabajadores en las Utilidades“,
PTU), zehn Prozent des steuerpflichtigen
Jahresgewinns müssen Unternehmen an
die Belegschaft ausschütten, Verlustvor-
träge aus vorangehenden Jahren dürfen
nicht abgezogen werden.
Mexikanisches Arbeitsrecht
Das mexikanische Arbeitsrecht ist seit
Anbeginn sehr arbeitnehmer- und ge-
werkschaftsfreundlich. Wer in Mexiko
rekrutiert, muss sowohl Kollektivar-
beitsverträge als auch Einzelarbeitsver-
träge auf eine sichere Basis stellen, an-
dernfalls drohen Auseinandersetzungen
nicht nur lokal, sondern auch auf Bun-
desebene. Das mexikanische Bundes-
arbeitsgesetz „Ley Federal de Trabajo“
gilt in der aktuellen Fassung seit 2013
und umfasst seitdem auch Regelungen
zur Arbeitnehmerüberlassung, Probe-
zeit, Gleichstellung und Antidiskrimi-
nierung. Während die Regelungen zur
Antidiskriminierung mit denen anderer
Industriestandorte vergleichbar sind,
ist das Recht zur Arbeitnehmerüber-
lassung außergewöhnlich – der Einsatz
von Leiharbeitnehmern muss schlüssig
begründet werden und der Kunde haf-
tet für die Einhaltung aller arbeits- und
sozialrechtlichen Verpflichtungen des
Zeitarbeitsunternehmens. Wenn der
Verleiher seine Obliegenheiten nicht er-
füllt, wird der Arbeitnehmer faktisch als
Mitarbeiter des Kunden angesehen – mit
allen rechtlichen Konsequenzen. Perso-
nalauswahlverfahren sollten in Mexiko
deshalb nicht nur für direkt beschäftig-
te Mitarbeiter, sondern gleichfalls für
Leiharbeitnehmer eingesetzt werden,
da der Verbleib im Unternehmen unge-
wollt sehr langfristig werden kann. Aus-
wahlstrategien, die sich auf das Auspro-
bieren von Leiharbeitnehmern stützen,
sind in Mexiko gefährlich.
Arbeitsverhältnisse bedürfen in
Mexiko der Schriftform und werden
grundsätzlich unbefristet geschlossen;
Befristungen sind eine Ausnahme und
nur bei dafür typischen Arbeiten zu-
lässig, zum Beispiel Saisonarbeiten.
Probezeit kennt man in Mexiko nur für
unbefristete oder auf mindestens 180 Ta-
ge geschlossene Arbeitsverhältnisse und
sie hängt in ihrer Dauer vom Positions-
level ab – die Probezeit bei Führungs-
kräften darf bis zu 180 Tage betragen,
die von Mitarbeitern nur bis zu 30 Tage.
Damit scheidet auch die Probezeit als
Instrument der Personalauswahl für
Nicht-Führungskräfte weitestgehend
aus, denn aufgrund des Qualifizierungs-
bedarfs wird nach 30 Tagen nur bei sehr
einfach strukturierten Tätigkeiten eine
hinreichende Bewährung und langfris­
tige Eignung beurteilt werden können.
Wer nun glaubt, betriebliche Be-
rufsausbildung in deutscher zeitlicher
Erstreckung könnte Abhilfe schaffen,
muss wissen, dass auch Ausbildungs-
zeiträume engen Grenzen unterworfen
sind – auf maximal drei Monate für Mit-
arbeiter und sechs Monate für Führungs-
kräfte. Und wer am Ende von Probe- oder
Ausbildungszeit arbeitgeberseitig das
Arbeitsverhältnis kündigen möchte,
ist nicht völlig frei, sondern muss das
Votum einer paritätisch besetzten Kom-
mission in die Entscheidungsfindung
einbeziehen. In Mexiko gilt daher ganz
besonders: „Drum prüfe, wer sich ewig
bindet“ – der Einsatz solider Personal-
auswahlverfahren ist unabdingbar.
ANDREAS FRINTRUP
ist CEO
von HR Diagnostics, Inc., New
York und der HR Diagnostics
AG, Stuttgart.
JENS HAGEDORN
ist Ma-
naging Partner von Perfor-
mance Talent Consulting in
Cuernavaca und Mexico City.
Für jedes Land dieser Serie zeigen wir exemplarisch fünf Dos and Don‘ts, die bei Recruiting und Personalauswahl besonders
zu beachten sind. Diese grobe Orientierung ist nicht vollständig, Expertenrat sollte zwingend eingeholt werden.
Dos
Setzen Sie valide Auswahlverfahren ein, um Talente zu entde-
cken, die andere bisher übersehen haben.
Nutzen Sie ein effizientes Bewerbermanagement, welches die
Kommunikation über SMS ermöglicht.
Investieren Sie in betriebliche Ausbildung, Sie werden keine
fertig ausgebildeten Experten vom Markt bekommen.
Schützen Sie auch Ihre Recruiter vor Repressalien und Einfluss-
nahme.
Kontrollieren Sie Ihre lokalen Recruiter engmaschig und ma-
chen Sie klare Vorgaben zu Prozess, Methode und Umsetzung.
Dos and Don‘ts
TIPPS
Don‘ts
Lassen Sie Bewerber nicht warten.
Verzichten Sie auf Arbeitnehmerüberlassung.
Errichten Sie keine eigene Beschäftigungs- oder Personal-Service-
Agentur – im Zweifel wird es Ihnen als Versuch zur Umgehung der
Arbeitnehmergewinnbeteiligung ausgelegt.
Verlieren Sie sich nicht in der Lohnspirale, machen Sie sich nicht
alleine von vorhandenen Fachkräften abhängig, sondern bilden
Sie die Mitarbeiter selbst aus und weiter.
Verzichten Sie nicht auf lokalen arbeitsrechtlichen Rat zu Probe-
zeit, Befristung und Ausbildung.
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