Personalmagazin 6/2017 - page 34

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MANAGEMENT
_PERSONALDIAGNOSTIK
personalmagazin 06/17
Ressourcen mit beruflichen Anforderun-
gen ist der Schlüssel dazu.
Auch in Mexiko gibt es Bestrebungen,
dem Facharbeitermangel und geringem
berufsbezogenen Bildungsstand durch
duale Ausbildungsangebote zu begeg-
nen. Mit Unterstützung deutscher Bil-
dungsinstitutionen und Ministerien
wird seit nunmehr vier Jahren versucht,
der klassischen, rein schulisch organi-
sierten Berufsbildung eine praxisnahe
Variante mit drei Viertel betrieblichem
und nur einem Viertel schulischem
Bildungsanteil zur Seite zu stellen. Die
Anzahl dieser Auszubildenden im Ver-
gleich zu Besuchern der klassischen
Berufsschulen ohne betrieblichen Bil-
dungsanteil ist jedoch noch so gering,
dass flächendeckende Verbesserungen
des Facharbeitermangels noch einige
Zeit auf sich werden warten lassen und
betriebliche Auswahl und Bildungsinves­
titionen unerlässlich bleiben.
Schnelle, persönliche Kommunikation
Neben einer effizienten und nicht rein
auf biografische Merkmale gestützten
Personalauswahl ist auch die Prozess­
organisation ein entscheidender Faktor
im Kampf um die Talente: Mexikaner
sind ungeduldig, wer nicht schnell re-
agiert und kommuniziert, geht leer aus.
Bewerberkommunikation per Post ist
deshalb ein „No-Go“. Das Postsystem ist
zu unzuverlässig und die Laufzeiten zu
lang. Doch auch wer meint, in Mexiko
nur per E-Mail mit Bewerbern kommu-
nizieren zu können, wird Schiffbruch
erleiden. E-Mail ist in Mexiko zumindest
für gewerblich-technische Mitarbeiter
kein üblicher Kommunikationskanal.
Einzig sicher funktioniert eine Kom-
bination aus SMS und Mail. Aber auch
hier sind lange Kommunikationspausen
zu vermeiden – viele Mexikaner be-
kommen aus mangelnder Bonität keine
dauerhaften Mobilfunktarife angeboten
und wechseln mit dem Erwerb neuer
Prepaid-Karten auch regelmäßig ihre Te-
lefonnummer und werden so zu Leichen
in der Bewerberdatenbank.
Ideal ist ein „One Stop Recruiting“: Be-
werber sollten unmittelbar nach ihrem
Vorstellungstermin mit einer Zusage
oder besser noch mit einem Arbeitsver-
trag nach Hause gehen. Dafür muss die
HR-Abteilung nicht nur die Diagnostik
im Griff haben, sondern auch einen aus-
gefeilten Personalbeschaffungsplan mit
der Bewerbungssituation und dem Be-
werbermanagement verzahnen.
Bewerber um Führungspositionen
sind auch in Mexiko eine umworbene
Zielgruppe, vor allem wenn die Inhaber
auch Fremdsprachen verhandlungs-
sicher beherrschen sollen. Die Rekru-
tierung setzt hier – analog zu anderen
Ländern – häufig auf die Direktanspra-
che durch Headhunter.
Viel Überzeugungsarbeit in HR
Woran sich Personalverantwortliche
für Mexiko gewöhnen müssen, ist, dass
mexikanische Recruiter und Personaler
ungerne von tradierten Pfaden abwei-
chen. Zahlreiche Projekterfahrungen
zeigen, dass das mexikanische Sprich-
wort „Der gute Vorsatz ist ein Gaul, der
oft gesattelt, aber selten geritten wird“
gerade auch im Recruiting gilt. Mexi-
kanische Recruiter zur Abkehr von Pa-
pierbewerbungen und der unvaliden
Auswertung von Bewerbungsunterlagen
sowie unstrukturierten Interviews zu
bewegen und für wissenschaftlich etab-
lierte Prozesse und Methoden zu begeis-
tern, ist eine gleichsam wichtige wie
langwierige Aufgabe. Häufig wird ober-
flächlich und euphorisch neuen Prozes-
sen zugestimmt, aber praktisch nichts
verändert oder umgesetzt. Deutsche
Personalverantwortliche dürfen nicht
unterschätzen, wie viel Monitoring,
Überzeugungsarbeit und klare Arbeits-
anweisungen erforderlich sind, um me-
thodisch saubere Prozesse einzuführen.
Lokale Präsenz ist hierbei unerlässlich.
Eine grundsätzliche Spezialität im
mexikanischen Arbeitsmarkt ist das
Thema Sicherheit. Topmanager und ih-
re Familien sind ein begehrtes Ziel von
Kidnapping und Erpressung – einer der
Gründe, weshalb spezifische Versiche-
rungsangebote gegen Entführungen in
Mexiko prosperieren und gleichzeitig die
Entsendung deutscher Topführungskräfte
und Experten außerhalb der als halbwegs
sicher geltenden Cluster-Regionen nicht
ungefährlich ist. Aber nicht nur die Un-
ternehmensführung ist gefährdet – auch
auf Recruiter wird bisweilen erheblicher
Druck ausgeübt, um in Einstellungspro-
zessen das gewünschte Ergebnis für sich
selbst, Freunde oder Familienangehörige
zu erzwingen. Compliance inHR bekommt
dabei eine neue Bedeutung und kann
über objektive, von Menschen unbeein-
flusste Vorauswahl und teilautomatisierte
Auswahlprozesse vor Ort (zum Beispiel
computergestützte Testverfahren, Video-
Interviews statt Face-to-Face-Interviews,
automatisierte Arbeitsprobenverfahren)
sichergestellt werden. Gefahren für Re-
cruiter lassen sich durch Prozess- und
Methodengestaltung und Verzicht auf na-
mentliche Nennung zum Beispiel in Stel-
lenanzeigen oder auf Bewerbungsseiten
deutlich reduzieren.
DermexikanischeArbeitsmarkt ist auch
aus Perspektive der Steuer- und Abgaben-
last sehr attraktiv. Im OECD-Vergleich
„Taxing Wages 2017“ rangiert Mexiko mit
insgesamt 20,1 Prozent auf dem drittletz-
ten Platz der Industrienationen, was die
Abgabelast anbelangt – im Durchschnitt
betragen die arbeitgeberseitigen Sozialab-
gaben 10,4 Prozent, die der Arbeitnehmer
Bewerberkommunikation
per Post ist ein „No-Go“
in Mexiko. E-Mails sind
unüblich. Wer sicher
gehen will, sollte sofort
nach dem Interview zu-
oder absagen.
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