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01/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
exakte Zahnmodelle baut und neben
dem wöchentlichen Deutschunterricht
der Arbeitsagentur noch vier Extrastun-
den Fachdeutsch mit einer Läkamp-
Zahntechnikermeisterin paukt. „Bei uns
arbeiten ein Perser, ein Russe und nun
ein Afghane“, meint Manfred Läkamp
guten Mutes. „Ich bin sicher dominant,
aber unser Betriebsklima ist prima.“
Der 67-Jährige rät: „Das sollte ruhig je-
der ausprobieren, denn die Flüchtlinge
sind Menschen, die was wollen und was
werden können.“
Diverse Möglichkeiten
Wie bei Sipgate. Der Düsseldorfer Inter-
net-Telefonie-Anbieter überlässt viele
Entscheidungen seinen Mitarbeitern.
Als Firmenzentrum fungiert das Res-
taurant, in dem eine dreiköpfige Crew
den rund 130 Mitarbeitern täglich eine
leckere und hochwertige Frischeküche
serviert, außerdem Events und Tagun-
gen catert. Als im Sommer ein Koch
zur Verstärkung gesucht wurde, frag-
te Event- und Projektmanager Sigurd
Jaiser im Küchenteam, ob es auch ein
Küchenhelfer sein dürfe. Denn er hatte
auf der Webseite „Flüchtlinge Willkom-
men in Düsseldorf“ einen Afghanen ent-
deckt, der in der Küche arbeiten wollte.
Die Drei aus der Küche nickten spontan.
„Sie freuten sich über die glückliche
Fügung, dass sie gleichzeitig ihr Team
verstärken und einer Familie helfen
konnten“, erinnert sich Sigurd Jaiser.
Abasin Daulatzal stellte sich vor samt
Arbeitserlaubnis, Englischkenntnissen
und blauem Reisepass und schon ging
es los. „Das ist der richtige Platz für
mich“, sagt er, der täglich dazulernt –
deutsche Worte, aber auch die Zutaten
vorzubereiten für deutsche Gerichte
wie Müritzlamm und Spinatsalat. Der
schmale32-Jährige, der Bombenattenta-
te überlebte, will wieder ohne Albträu-
me schlafen lernen und bald seine Frau
und seine zwei Kinder aus dem Terror-
gebiet Afghanistan herausholen. Seine
Kollegen bei Sipgate lassen sich mit af-
ghanischem Eintopf bekochen und neh-
men ihn mit zum Fortuna-Fußball in der
Zweiten Bundesliga. „So schnell kann
das gehen“, meint Jaiser.
Auch in Traditionsunternehmen wie
der Sick AG in Waldkirch, wo noch vor
Weihnachten Flüchtlinge mit einem
Berufspraktikum samt intensivem
Deutschunterricht starten. Ausgewählt
wurden sie auch mithilfe von 75 Sick-
Mitarbeitern im dualen Studium, die in
Flüchtlingsheimen valide Lebensläufe
recherchierten. Bei einer Betriebsfüh-
rung und einem gemeinsamen Mittages-
sen lernten die Praktikanten in spe Sick
kennen. Aus 36 Interessenten wurden
im ersten Schub zwölf Praktikanten aus
Syrien mit so unterschiedlichen Berufen
wie Bankangestellter und Automechani-
ker gewonnen. Arbeits- und Landratsamt
sind die Partner des Sensorenprodu-
zenten. Ziel ist die Ausbildungsfähig-
keit. „Das EQ-Programm für Einsteiger
kann auch für Flüchtlinge genutzt wer-
den“, sagt Sick-Ausbildungsleiter Ben-
no Bohn, der vorsichtig optimistisch
ist: „Es klappt, wenn wir die Menschen
in unsere Strukturen integrieren. Die
Zahl muss zur Firmengröße passen. Wir
müssen eine kritische Gruppenbildung
verhindern und eine positive Begleitung
organisieren.“ Die Auszubildenden zie-
hen jedenfalls mit. Sie nehmen die Syrer
in ihren Abteilungen auf und für jeden
Praktikanten hat sich ein Pate gefunden.
Engagement bei jeder Größe möglich
Nicht so eng ans Unternehmen gebun-
den ist ein Projekt, bei dem Audi mit
einer städtischen Berufsschule koope-
riert. Audi trägt die Personalkosten für
den Unterricht an vier Tagen, staatlich
finanziert ist der Unterricht an einem
Tag. In 24 Wochen soll die Basis geschaf-
fen werden. Ziel ist es, einen deutschen
Schulabschluss zu machen, fit für eine
Ausbildung oder auch für eine einjäh-
rige Einstiegsqualifizierung zu werden,
wie sie auch Schüler mit deutscher
Schulbiografie absolvieren, die noch
nicht reif für die Ausbildung sind. Ne-
ben intensivem Deutschunterricht wird
auch Integrations- und Berufskunde
sowie sozialpädagogischer Unterricht
gelehrt, in dem die jungen Menschen
bei der Bewältigung der Kriegs- und
Fluchttraumata unterstützt werden.
Welchen Beruf die jungen Männer und
Frauen später ergreifen möchten, bleibt
ihnen überlassen. „Wenn sich am Ende
der Schulzeit einige der jungen Leute
für eine Ausbildung oder eine Anstel-
lung bei Audi qualifizieren, dann ist
dies natürlich ein erfreulicher Nebenef-
fekt“, sagt Ute Röding, die in Ingolstadt
als Leiterin Standortprojekte im Bereich
Corporate Responsibility die Qualifizie-
rung begleitet.
Ob drei Mitarbeiter oder 300.000: En-
gagement ist bei jeder Firmengröße mög-
lich. Eine gelungene Integration hilft den
einzelnen Bewerbern um Asyl und die
Unternehmen sorgen für ihre Fachkräf-
te. „In jedem Betrieb meiner Größe ist
Platz für einen Plus-Eins-Lehrling“, be-
tont Manfred Läkamp, der statt drei nun
vier Azubis hat.
RUTH LEMMER
ist freie Journalistin in
Düsseldorf.
„Sie freuten sich, dass sie gleichzeitig
ihr Team verstärken und einer Familie
helfen konnten.“
Sigurd Jaiser, Event- und Projektmanager bei Sipgate
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