personalmagazin 1/2016 - page 21

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01/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Katharina Schmitt.
Viel wichtiger wäre aber, dass auf der
anderen Seite der Staat in Verbindung
mit der Bundesagentur für Arbeit sei-
nen Verwaltungsaufgaben nachkommt.
Das Verwaltungshandling ist in großem
Maße ineffizient. Der aktuelle Ablauf
mit fünf verschiedenen Registrierungen
behindert natürlich eine schnelle Inte-
gration. Und er behindert insbesondere
auch die Personen, die auch am Anfang
schon beschäftigungsfähig wären, weil
sie mit einem abgeschlossenen Hoch-
schulstudium kommen und über eng-
lische Sprachkompetenz in den Unter-
nehmen schon sehr schnell einsteigen
könnten.
personalmagazin:
Also ist jetzt die Verwal-
tung gefordert?
Hüther:
Ja, hier muss einfach etwas ge-
schehen. Was der Leiter des Bundes-
amtes für Migration und Flüchtlinge,
Frank-Jürgen Weise, vorhat, ist sicher-
lich richtig, nämlich einen einzigen
Flüchtlingsausweis und eine einmalige
Registrierung einzuführen und die ver-
schiedenen Systeme von Bund, Ländern
und Gemeinden zu verknüpfen. Das
muss jetzt Schritt für Schritt in Angriff
genommen und abgearbeitet werden.
personalmagazin:
Brauchen wir darüber
hinaus weitere neue Gesetze oder Über-
gangsregelungen, die die Beschäftigung
von Flüchtlingen erleichtern könnten?
Hüther:
Von Seiten des Gesetzgebers
ist eine Menge gemacht worden, aber
längst noch nicht alles, was möglich
wäre. Wenn man die Beschäftigung als
wichtigen Integrationsbaustein sieht,
dann sollte jedes Beschäftigungsverbot
fallen, auch für die ersten drei Monate.
Dann sollte auch das Verbot von Zeit-
arbeit für die ersten 15 Monate fallen.
Wir wissen, dass Zeitarbeit ein Einsteu-
erungsinstrument in den Arbeitsmarkt
ist. Also sollte man die Flüchtlinge dann
auch an dieser Stelle mit den heimi-
schen Arbeitnehmern gleichstellen. Wir
dürfen unnötige Hürden einfach nicht
weiter hochhalten.
personalmagazin:
Steht auch der Mindest-
lohn einer Beschäftigung von Flüchtlin-
gen entgegen?
Hüther:
Man sollte überlegen, ob der
Mindestlohn für Praktika noch Sinn
macht. Gerade über Praktika können
sich Unternehmen selbst einbringen
und die Beschäftigungsfähigkeit testen.
Man muss und sollte deshalb nicht den
Mindestlohn insgesamt infrage stellen,
aber dort, wo Öffnungen bestehen, bei-
spielsweise beim Praktikum oder bei
Langzeitarbeitslosen, sollte man sie
auch in Anwendungen bringen. Dann
hätte man aufseite des Gesetzgebers
zumindest den besseren Rahmen defi-
niert. Die Unternehmen müssen dann
sehen, wie sie in ihren Betriebsabläu-
fen damit zurechtkommen. Es gibt jetzt
schon viele Beispiele, wo erfolgreich
versucht wird, das sehr konsequent zu
machen.
personalmagazin:
Tatsächlich greifen viele
Unternehmen bereits zur Selbsthilfe und
qualifizieren Flüchtlinge selbst – ist das
überhaupt Aufgabe der Unternehmen?
Hüther:
Wenn man unternehmerische
Verantwortung etwas breiter sieht und
dem Aspekt Rechnung trägt, dass Un-
ternehmen gerade auch in Zeiten gesell-
schaftlicher Herausforderung sich dem
stellen, ist ein solches Vorgehen rich-
tig. Denn es ist genauso Wahrnehmung
unternehmerischer
Verantwortung
im öffentlichen Raum wie Corporate
Volunteering, Corporate Sponsorship
et cetera. Und es ist auch richtig, dass
sich in einer Zeit, in der sich die gesell-
schaftliche Herausforderung sehr stark
profiliert, auch die Unternehmen stär-
ker darauf konzentrieren.
personalmagazin:
Wir hören viel von
Konzernen, die sich für Flüchtlinge
über Deutschkurse oder Ähnliches stark
machen. Aber was können kleinere und
mittelständische Unternehmen tun?
Hüther:
Es ist ja nicht so, dass die kleinen
Unternehmen per se weniger Erfahrung
haben. Sie sind in ihren Regionen einge-
bunden und sind dort auch erfolgreich
als Teil der Bürgergesellschaft. Ich wür-
de nicht als gegeben annehmen, dass
sie schwierigere Ausgangspositionen
haben.
personalmagazin:
Aber sie haben weniger
Budget, weniger Erfahrung und oft auch
weniger Know-how.
Hüther:
Natürlich kann man überlegen,
ob nicht eine noch konzentriertere Zu-
sammenarbeit mit den Arbeitgeberver-
bänden sinnvoll sein könnte. Aber man
darf nicht verkennen, dass auch die klei-
nen Unternehmen in der Regel nicht al-
leine, sondern in Unternehmensverbän-
den, in Clustern und Netzwerken in den
Regionen aufgestellt sind. So können
auch sie koordiniert mit anderen Beiträ-
ge leisten und die Beschäftigungsfähig-
keit fördern.
„Wichtig wäre, dass der Staat seinen Aufgaben nach-
kommt. Das Verwaltungshandling ist in großem Maße
ineffizient. Der aktuelle Ablauf mit fünf verschiede-
nen Registrierungen blockiert die Personen, die von
Anfang an beschäftigungsfähig wären.“
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