personalmagazin 1/2016 - page 24

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personalmagazin 01/16
TITEL
_FLÜCHTLINGE BESCHÄFTIGEN
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
setzung (zum Beispiel bei Ärzten oder
Pflegenden) und erhöht in anderen
Berufen zumindest die Chancen auf
dem Arbeitsmarkt. Flüchtlinge können
unabhängig von Aufenthaltsstatus und
Staatsangehörigkeit einen Antrag auf
Anerkennung ihrer beruflichen Quali-
fikation stellen. Für die Entscheidung
zuständig sind, je nach Beruf und Ort
der Arbeitsstelle, Behörden oder Kam-
mern (zum Beispiel Industrie- und Han-
delskammer oder Handwerkskammer).
Per Verwaltungsbescheid wird festge-
stellt, ob die ausländische Berufsqua-
lifikation gleichwertig oder ähnlich zu
deutschen Referenzqualifikationen ist
beziehungsweise mit welchen konkre-
ten Maßnahmen bei reglementierten
Berufen etwaige Unterschiede ausgegli-
chen werden können, dabei kann auch
die (nachgewiesene) Berufserfahrung
berücksichtigt werden. Nicht zu unter-
schätzen ist allerdings der Aufwand ei-
nes solchen Anerkennungsverfahrens:
neben Gebühren von bis zu 600 Euro
fallen weitere Kosten für beispielsweise
die Beschaffung, Übersetzung und/oder
Beglaubigung von Unterlagen, Fahrtkos-
ten oder Sprachkurse an.
Häufig sind jedoch gerade bei Flücht-
lingen die schriftlichen Nachweise über
erworbene Berufsabschlüsse nicht (oder
nicht vollständig) verfügbar. Für diese
Fälle gibt es die Möglichkeit, die beruf-
lichenKompetenzen über eine sogenann-
te Qualifikationsanalyse nachzuweisen.
Kenntnisse und Fähigkeiten werden
dann zum Beispiel durch Arbeitsproben,
Fachgespräche oder Fachpräsentationen
festgestellt. Qualifikationsanalysen wer-
den allerdings noch nicht flächende-
ckend angeboten.
Ist eine Beschäftigung als Leiharbeit-
nehmer möglich?
Anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthalts-
erlaubnis können auch als Leiharbeit-
nehmer beschäftigt werden. Aufgrund
einer Rechtsänderung im Oktober 2015
können Asylsuchende und Geduldete
bereits nach 15 Monaten ununterbroche-
nem Aufenthalt eine Tätigkeit als Leih-
arbeitnehmer aufnehmen, Fachkräfte
unter bestimmten Voraussetzungen so-
gar bereits nach drei Monaten.
Kann das Arbeitsverhältnis befristet
werden?
Grundsätzlich gelten für Arbeitsver-
hältnisse mit Flüchtlingen die gleichen
Gesetze und Regeln. Im Regelfall wird
also zunächst eine sachgrundlose Befris-
tung gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG möglich
sein. Insoweit ist jedoch wegen des An-
schlussverbots Vorsicht geboten, wenn
der Beschäftigung ein „Praktikum“ oder
Ähnliches vorausging.
Allein der Umstand, dass der Aufent-
haltstitel beziehungsweise die Arbeitser-
laubnis nur befristet erteilt wurden, ist
kein Sachgrund, der eine Befristung des
Arbeitsverhältnisses gemäß § 14 Abs. 1
TzBfG rechtfertigt. Erforderlich ist zu-
sätzlich eine hinreichend zuverlässige
Prognose bei Vertragsschluss, dass Auf-
enthaltstitel oder Arbeitserlaubnis nicht
verlängert werden wird.
Was gilt bei Wegfall des Aufenthalts­
titels oder der Arbeitserlaubnis?
Das Auslaufen oder der Wegfall des Auf-
enthaltstitels oder der Arbeitserlaubnis
rechtfertigt nicht ohne Weiteres die Kün-
digung des Arbeitsverhältnisses gemäß
§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Vielmehr ist
zu prüfen, ob in absehbarer Zeit mit der
Wiedererteilung der Arbeitserlaubnis
beziehungsweise einer weiteren Aufent-
haltserlaubnis oder -gestattung zu rech-
nen ist und der Arbeitsplatz bis dahin
ohne erhebliche betriebliche Beeinträch-
tigungen offengehalten werden kann.
Der Arbeitnehmer muss sich aber
rechtzeitig um die Erteilung beziehungs-
weise Verlängerung des Aufenthalts-
titels und/oder der Arbeitserlaubnis
bemühen. Kann der Arbeitnehmer we-
gen Wegfalls der notwendigen Erlaubnis
nicht beschäftigt werden, kommt der
Arbeitgeber mangels Leistungsfähigkeit
des Arbeitnehmers nicht in Annahme-
verzug. Ein Anspruch auf bezahlte Frei-
stellung gem. § 616 BGB wird regelmäßig
am vorliegenden Verschulden scheitern.
Was passiert bei einer Beschäftigung
ohne die erforderliche Erlaubnis?
Bei der Beschäftigung von Drittstaatsan-
gehörigen ohne erforderliche Erlaubnis
greifen die üblichen Sanktionen illega-
ler Ausländerbeschäftigung.
Fehlt die erforderliche Erlaubnis, führt
das gemäß §§ 98a ff. Aufenthaltsgesetz
nicht zur Unwirksamkeit des (gegebe-
nenfalls mündlichen) Arbeitsvertrages.
Der Arbeitgeber hat dem Beschäftigten
die vereinbarte Vergütung zu zahlen,
die Vereinbarung der üblichen Vergü-
tung wird (widerleglich) vermutet. Wei-
ter gilt (widerleglich) die gesetzliche
Vermutung, dass der Arbeitnehmer drei
Monate beschäftigt wurde (mit entspre-
chenden Beitragspflichten, Generalun-
ternehmerhaftung et cetera).
Die Beschäftigung von Ausländern
ohne die erforderliche Erlaubnis ist
im Übrigen bußgeldbewehrt. Es droht
der Ausschluss von Subventionen und
von der Vergabe öffentlicher Aufträge.
Der Betriebsrat darf die Zustimmung zur
Einstellung verweigern, wenn eine erfor-
derliche Arbeitserlaubnis nicht vorliegt.
Oft werden weitere Verstöße vorliegen,
die Sanktionen nach sich ziehen können,
zum Beispiel die Verletzung von Melde-
pflichten (dann wird häufig Schwarzar-
beit gegeben sein) oder Verstöße gegen
das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
DR. JUTTA CANTAUW
ist
Fachanwältin für Arbeits-
recht und Partnerin bei Maat
Rechtsanwälte
DR. ISABEL NAZARI
GOLPAYEGANI
ist
Fachanwältin für Arbeitsrecht
und für Sozialrecht. Sie ist
Partnerin bei Maat Rechtsanwälte und Lehr-
beauftragte der Katholischen Stiftungsfach-
hochschule München (KSFH) München.
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