personalmagazin 1/2016 - page 27

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01/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
DerWille, Flüchtlinge bei der Integrati-
on in den Arbeitsmarkt zu unterstützen,
beschränkt sich nicht auf Großunterneh-
men. Diese haben lediglich die größere
Medienpräsenz und machen ihre Hilfs-
angebote verstärkt publik. Doch auch
zahlreiche kleinere und mittlere Firmen
wollen helfen und suchen zudem inten-
siv nach neuen Arbeitskräften. „Die Be-
reitschaft der Unternehmen, Flüchtlinge
zu beschäftigen, ist groß. Hierbei kön-
nen wir nicht von einer Konzentration
auf einzelne Branchen sprechen. Das
hängt von der Region ab. Anfragen kom-
men zum Beispiel häufig aus der Dienst-
leistung oder auch dem produzierenden
Gewerbe sowie aus dem Handwerk“,
sagt Jürgen Wursthorn, Pressesprecher
der Bundesagentur für Arbeit.
Mögliche Rekrutierungswege
Aber wie sollte ein Unternehmen bei der
Suche und Einstellung von geflüchteten
Personen, die erst vor Kurzem ihre Hei-
mat verlassen haben, vorgehen? Kann
ein Arbeitgeber einfach bei der Agentur
für Arbeit anrufen und nach Flüchtlin-
gen auf Jobsuche fragen? Die Antwort
lautet: Ja. Die örtliche Arbeitsagentur
und das Jobcenter pflegen einen Pool an
Bewerbern aus dem Kreis der Schutz-
suchenden. „Die Kollegen wissen, ob
jemand schon mehr als drei Monate in
Deutschland ist, ob eine eingeschränk-
te Arbeitserlaubnis vorliegt und ob eine
Vorrangprüfung durchgeführt wurde“,
erläutert Jürgen Wursthorn. So könne
ein Arbeitgeber sicher sein, dass diese
Person arbeiten darf und dass die For-
malitäten über die Agentur für Arbeit
oder das Jobcenter erledigt werden.
Diese Stellen haben zudem bereits eine
Kompetenzfeststellung
durchgeführt
und können passende Bewerber vor-
schlagen, wenn ein Arbeitgeber mit ei-
ner konkreten Stellenausschreibung auf
sie zukommt.
Ein zweiter Rekrutierungsweg geht
über die Ausländerbehörde. Hierbei ist
allerdings zu beachten, dass gegebe-
nenfalls vor dem Entscheid der Auslän-
derbehörde die Vorrangprüfung durch
die örtliche Agentur für Arbeit erfolgen
muss. Es wird geprüft, ob nicht bevor-
rechtigte deutsche Bewerber oder EU-Zu-
wanderer auf eine offene Stelle vermittelt
werden müssen. Bei Flüchtlingen, die be-
reits 15 Monate oder länger in Deutsch-
land leben, entfällt die Vorrangprüfung.
Große Verzögerungen bei der Einstellung
bringt die Vorrangprüfung jedoch nicht
mit sich, erläutert Jürgen Wursthorn:
„Wir sind verpflichtet, diese innerhalb
von zehn Tagen abzuschließen und an die
Ausländerbehörde zu übermitteln.“ Eine
Ausnahme gibt es bei Zuwanderern, die
über ein Bundeskontingent für syrische
Flüchtlinge ins Land gekommen sind.
Diese erhalten sofort eine Arbeitserlaub-
nis, ohne Vorrangprüfung.
Bewerber direkt ansprechen
Eine dritte Möglichkeit stellt die Di-
rektansprache dar. Zahlreiche Unter-
nehmen engagieren sich in der Flücht-
lingshilfe und lernen dort womöglich
Personen kennen, die zu ihrem Betrieb
passen könnten und die sie einstellen
wollen. Ist das der Fall, bietet es sich an,
gemeinsam zur Agentur für Arbeit oder
zum Jobcenter zu gehen. Dort wird ge-
prüft, ob das Unternehmen die Person
einstellen kann: Wie sind Aufenthalts-
dauer und Bleiberechtsstatus? Ist eine
Vorrangprüfung notwendig? Bei den in
diesem Jahr angekommenen Flüchtlin-
gen ist die Arbeitsagentur für diese Fra-
gen zuständig. Erst wenn eine Person
länger als 15 Monate in Deutschland
ist und einen anerkannten oder gedul-
deten Bleiberechtsstatus hat, wird die-
se in 99 Prozent aller Fälle Kunde des
Jobcenters: Dort erhalten erwerbsfähige
Personen, die zuvor nicht in die Arbeits-
losenversicherung eingezahlt haben,
Leistungen zur Grundsicherung.
Einen neuen Rekrutierungsweg hat im
Sommer 2015 das Jobportal Workeer.de
eröffnet, das sich gezielt an Flüchtlinge
richtet. Die Studenten Philipp Kühn und
David Jacob hatten die Ausbildungs- und
Arbeitsplatzbörse als Abschlussprojekt
ihres BA-Kommunikationsdesignstudi-
ums an der HTW Berlin entwickelt. Das
Portal ist derzeit nur auf Deutsch verfüg-
bar, soll aber mehrsprachig ausgebaut
werden. Es ist mobil optimiert und kann
daher von Geflüchteten, die oft nur über
ein Smartphone für den Internetzugang
verfügen, gut genutzt werden. Arbeitge-
ber können sich kostenfrei registrieren,
ein Profil anlegen und Jobangebote ein-
stellen. Sie können auch in den Bewer-
berprofilen nach passenden Kandidaten
recherchieren. Über 1.330 Arbeitgeber
und 1.110 Bewerber waren Ende Novem-
ber registriert, aber die Portalbetreiber
haben bislang noch keine Berichte von
erfolgreichen Vermittlungen parat.
Jung und wenig qualifiziert
Über die Qualifikationen und die Al-
tersstruktur von Flüchtlingen ist in den
vergangenen Monaten viel spekuliert
worden. Statistisch belastbare Daten
liegen immer noch nicht vor, aber nach
Die Studenten David
Jacob und Philipp Kühn
haben mit Workeer.de
eine erste Jobplattform
für Flüchtlinge ins Leben
gerufen.
© FELIX GRIMM
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