Immobilienwirtschaft 2/2016 - page 54

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
ENERGIEVERSORGUNG
W
ärmenetze boomen. Wurden im
Jahr 2000 noch sieben Prozent al-
ler neu gebauten Wohnungen in
Deutschland mit Fern- und Nahwärme
versorgt, waren es 2015 bereits 20 Prozent.
Auch in den Bestandswohnungen stieg ihr
Anteil von zwölf Prozent vor 15 Jahren auf
nunmehr 13,5 Prozent. Gestützt wird dies
teils durchAnschlusszwänge der Kommu-
nen. Die wittern darin kommende konti-
nuierliche und gut zu planende Einnah-
men für ihre Stadtwerke, die in aller Regel
monopolartig die Wärmenetze befüllen.
Deswegen ist Fernwärme, verglichen
mit anderen Energieträgern, eine recht
teure Wärmequelle. Das Fachmagazin
„Brennstoffspiegel“ sieht für den Oktober
2015 Fernwärme bundesdurchschnittlich
bei 7,91 Eurocent je kWh (3.000 Liter
Heizöl-Äquivalent). Erdgas kostete mit
6,60 Cent rund 16 Prozent und Heizöl mit
5,11 Cent sogar 35 Prozent weniger. Ge-
rechnet seit dem Jahr 2000 bis 2014musste
ein Haushalt mit Fernwärme rund 4.100
Euro mehr für die Wärmeenergie aus-
geben als ein vergleichbarer ölbeheizter
Haushalt. Im Gegenzug musste Letzte-
rer natürlich die Kosten für Wartung,
Schornsteinfeger und eventuelle Repara-
turen aufbringen, die bei der Fernwärme
entfallen. Fernwärme ist dennoch teurer.
DIE FERNWÄRME
steht wegen dieser mo-
nopolbedingten Kosten im Fokus des
Bundeskartellamtes. Während viele
Wärmenetzbetreiber durchaus marktfä-
hige – sprich mit anderen Wärmeträgern
vergleichbare – Preise verlangen, haben
andere ihre Monopolstellung ausgenutzt.
Gegen sieben leiteten die Kartellwächter
Verfahren ein. 2016 werden daraufhin die
ersten Fernwärmeversorger ihre Preise
senken. In Thüringen und Mecklenburg-
Vorpommern haben einige Versorger
ihre Tarife bereits auf Druck der Landes-
kartellbehörden angepasst. Verbraucher-
schützern reicht dies nicht. Die Befugnisse
Wärmenetze taugen
nur als Brückentechnologie
Ein regenerativ bestücktes
Blockheizkraftwerk wärmt
eine kleine Siedlung. Die Ab-
wärme eines Kohlekraftwerks
wärmt eine halbe Großstadt.
Die kombinierte Erzeugung
von Wärme und Strom ist ef-
fektiv. Dennoch: Immer sind
Wärmenetze nötig. Doch wie
zukunftsträchtig sind diese?
Eine Abwägung.
Fotos: Privat; Willi Heidelbach
„Grundvoraussetzung für
Wärmenetze ist die vor-
handene Akzeptanz aller
am Projekt beteiligten
Akteure wie Erschließer,
Bauherren, Kommunal-
politik und Bürger.“
Alexander Ihl,
E.ON
der Aufsichtsbehörden seien nicht ausrei-
chend, um auch in Zukunft Missbräuche
zu unterbinden. Das Hamburg Institut er-
mittelte, dass die Vorgaben bei Vertrags-
und Preisgestaltung, Veröffentlichung der
Preise oder Informationen über die Qua-
lität der Fernwärme deutlich hinter die
im Gas- und Strombereich zurückfielen.
Deswegen fordert die Verbraucherschutz-
zentrale Änderungen diesbezüglich.
Dieses Versorgerverhalten trübt die
Akzeptanz, die beim Neubau von Wär-
menetzen Grundvoraussetzung ist. Nur
wenn alle Beteiligten zustimmen, lassen
sich entsprechende Projekte realisieren
– außer durch Anschlusszwänge. Denn
Wärmekunden binden sich derzeit meist
jahrzehntelang an einen Wärmeträger.
Sie können diesen bei ungünstigen Preis-
entwicklungen oder besseren Techno-
logien nicht wechseln. Hinzu kommen
die Bauherren und die Politiker, die auf
kommunaler Ebene ein geeignetes Um-
feld schaffen müssen. Dafür müssen die
Vor- und Nachteile der Netze abgewogen
werden (siehe Seite 55, Wärmenetze: pro
und contra). Alle Akteure sollten dabei
strikt auf die Wirtschaftlichkeit achten,
auch wenn weiche Faktoren wie saubere
Wärmeenergie vor Ort, Wartungsfreiheit
und leichte Handhabbarkeit nicht von der
Hand zu weisen sind.
DOCH WANN
ist ein Netz überhaupt wirt-
schaftlich? Wie für vieles im Leben gibt es
auch für die Effizienz von Wärmenetzen
einen Wert. Und der heißt „15 Kilowatt-
stunden pro Quadratmeter Wohnfläche
im Jahr“ (siehe auch Kasten: Wärmenetze
für Neubau und Bestand, Seite 57). Die-
ser Wert bezeichnet den Maximalverlust,
den ein Wärmenetz überhaupt in einem
Neubauvorhaben aufweisen dürfte, um
rentabel zu sein. Liegt der Wert darü-
ber, lohnen sich ausnahmslos dezentrale
Wärmeversorger. Wichtig für die Renta-
bilität sind auch die Trassenverluste und
1...,44,45,46,47,48,49,50,51,52,53 55,56,57,58,59,60,61,62,63,64,...76
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