DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 3/2017 - page 12

STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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3|2017
Die WOGENO hat bereits vor 15 Jahren in
ihren Häusern Wohnen und Carsharing kom-
biniert. Warum?
Da sich mehrere Haushalte ein Auto teilen, spart
Carsharing den Bau von Stellplätzen. Die Tiefgara-
ge kann kleiner ausfallen undman bekommt Platz
für großzügige Kellerabteile oder einen Spielkeller
für die Kinder. Außerdem sinken die Baukosten.
Ein Stellplatz kostet inklusive Unterhalt 20.000 €,
aber nur die Hälfte dieser Summe lässt sich durch
die Miete refinanzieren. Unterm Strich spart also
jeder nicht gebaute Stellplatz 10.000 €.
Was haben die Mieter vom Carsharing im
Haus?
Carsharing imHaus ersetzt ihnen den Privat-Pkw.
Allerdingsmuss jede Fahrt geplant werdenmit dem
Risiko, dass zumgewünschten Zeitpunkt auchmal
kein Auto verfügbar ist. Im Gegenzug sparen sich
dieMieter jedoch die Stellplatzmiete und allewei-
teren Kosten, die ein eigener Pkwverursacht. Auch
umWartung und Pflegemüssen sie sich nichtmehr
kümmern – das erledigt das Carsharing-Unterneh-
men. In Summe sind das schlagende Argumente für
alle, dieweniger als 10.000 kmpro Jahr fahren und
nicht täglich ein Auto brauchen.
Viele gute Gründe für Carsharing im Haus.
Lässt sich das Konzept auf jedes Mietshaus
übertragen?
Man braucht eine kritische Masse; integriertes
Carsharing ist ab etwa 30Wohneinheiten sinnvoll.
Auch die Lage des Hauses spielt eine Rolle; liegt
es innerstädtisch, am Stadtrand oder außerhalb?
Stimmt die Nahversorgung und ist Anbindung an
den öffentlichen Nahverkehr gut, wird das Kon-
zept aufgehen. Natürlichwirdman vorher mit den
künftigen Bewohnern reden müssen; sie infor-
mieren und ihr Interesse abfragen. Carsharing im
Haus wird nur funktionieren, wenn es als ein dem
Privat-Pkw überlegenes Modell akzeptiert wird.
Schaffen die Mieter dann das eigene Auto
ab?
Das Angebot ist Anreiz, auf das eigene Auto zu
verzichten. Das zeigen die Erfahrungen in unserem
Mehrgenerationenhaus amReinmarplatz. Ein Jahr
vor demEinzug besaßen 30 der 50 Hauhalte einen
eigenen Pkw. Ein halbes Jahr danach hatten elf
davon ihren Pkw abgeschafft.
Carsharing im Haus bietet den Mietern einen Zu-
satznutzen à la „Mehr als Wohnen“, der ein star-
kes Werbeargument sein kann – insbesondere in
Regionen, wo dieWohungsunternehmen um jeden
Mieter kämpfen.
In München muss für jede Wohnung eigent-
lich auch ein Stellplatz gebaut werden. Wie
reagiert die Stadt auf das Modell „Wohnen
mit integriertem Carsharing“?
Anfangs war das ein mühsames Geschäft. Aber
die Stadt hat die Erfahrungen aufgegriffen, die
wir in 15 Jahren mit diesem Modell gesammelt
haben. Zwar gilt als Ausgangspunkt immer noch
ein Stellplatzschlüssel von 1,0, doch sobald ein
schlüssiges Mobilitätskonzept vorliegt, kann er
bis auf 0,3 sinken.
Aber es müssen Nachrüstmöglichkeiten
vorgehalten werden.
Ja, und damit hadern wir. Schließlich vergeben
Genossenschaften ihre Wohnungen selbst und
können somit steuern, ob Haushalte mit oder
ohne Auto einziehen. In geringem Umfang lässt
sich auch nachrüsten, etwa indemman in der Tief-
garage Gruben für Doppelparker vorhält.
Welches Fazit ziehen Sie nach 15 Jahren
Erfahrung mt Carsharing?
Carsharing im Haus ist ein Konzept, das sich un-
glaublich leicht umsetzen lässt. Die Wohnungs-
unternehmen stellen nur die Parkplätze. Um Bu-
chung, Abrechnung undWartung kümmert sich das
Carsharing-Unternehmen. Für die Mieter wird das
Privatauto damit enbehrlich und für dieGenossen-
schaften ist es Mittel zur Mitgliederbindung.
Herr Stupka, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Hartmut Netz.
Interview mit Christian Stupka
Mehr als Wohnen
Christian Stupka hat 1993 die Münchner WOGENO mitbegründet und war dort
bis 2015 im Vorstand. Dass die WOGENO auf dem Gebiet des Wohnens mit in-
tegriertem Carsharing zu den Pionieren zählt, ist maßgeblich seiner Initiative
zu verdanken. Heute ist Stupka Vorstand der Gima, einem Zusammenschluss
von über 20 Wohnungsunternehmen in München zum Erwerb von Mehrfamili-
enhäusern und der Koordinierung von Neubautätigkeiten.
ob es sich um geförderte, um Miet- oder um Ei-
gentumswohnungen handelt: „Eigentum geht
gar nicht“, sagt der Stattauto-Koordinator. „Wer
eine Wohnung kauft, will meist auch den eigenen
Stellplatz.“ Für den Erfolg gebe es keine Standard-
formel: „Jedes Projekt ist anders.“
In München hat das Modell Eigendynamik ent-
wickelt: „Seit etwa einem Jahr fragen nicht nur
Genossenschaften an, sondern auch viele andere
Unternehmen der Wohnungswirtschaft“, berich-
tet Rau. Z. B. die GWG München und Gewofag,
mit denen Stattauto bereits vier Stationenmit 15
„Teilautos“ realisiert hat. Auch die Stadt selbst hat
schon angeklopft, denn in den Neubauquartieren
Domagkpark und Prinz-Eugen-Park sollen neue
Mobilitätsformen erprobt werden, die die Quar-
tiere vomParkdruck entlasten, ohne dieMobilität
der Bewohner einzuschränken.
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