Wirtschaft und Weiterbildung 5/2019 - page 14

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wirtschaft + weiterbildung
05_2019
INTERVIEW.
Die Bundesagentur für Arbeit möchte beim Thema
„Qualifizierung für die Digitalisierung“ mit gutem Beispiel
vorangehen, unter anderem mit einer freiwilligen
Lernbegleitung durch Kollegen. BA-Personalvorständin
Valerie Holsboer treibt diese und weitere Lerninitiativen mit
persönlichem Engagement voran. Ein Gespräch über Weiter­
bildungsmut und eine neue Lernkultur für digitale Zeiten.
Was kommt mit der Digitalisierung auf uns zu: Erwartet uns
eine große Jobvernichtungswelle oder werden eher viele neue
Jobs auf dem Arbeitsmarkt geschaffen?
Valerie Holsboer:
Wir unterscheiden zwischen Automatisie-
rung und Digitalisierung. Wenn Tätigkeiten wegfallen, dann
durch Automatisierung, also die Übernahme von Prozess-
schritten durch Computerprogramme und Roboter. Die Digi-
talisierung kann hingegen durchaus ein Jobtreiber sein. Unser
Wissenschaftsinstitut IAB kommt aufgrund aktueller Untersu-
chungen zu dem Schluss, dass ungefähr 1,5 Millionen Tätig-
keiten durch die Digitalisierung verschwinden könnten, aber
im gleichen Maß neue Tätigkeiten entstehen. Die Gleichung
geht jedoch nicht eins zu eins auf. Die Herausforderung be-
steht darin, möglichst viele Menschen durch Qualifizierung in
die digitalisierte Arbeitswelt mit hinüberzunehmen.
Wie sieht die Digitalisierung konkret bei der Bundesagentur
für Arbeit aus?
Holsboer:
Eines unserer Ziele ist es, interne Prozesse zu straf-
fen – zum Beispiel, indem wir Medienbrüche bei der Antrags-
verarbeitung vermeiden. Auch bei der Beratung möchten wir
unsere Kunden digital unterstützen. Wir haben beispielsweise
ein Selbsterkundungstool entwickelt, über das junge Menschen
für ihre Berufsorientierung erste Empfehlungen erhalten. Sie
kommen so besser vorinformiert zu uns. Wir werden auch
Auswertungsmöglichkeiten für die räumliche sowie fachliche
Fotos: Sebastian Arlt
„Defizitorientierung
hindert uns, lebens-
lang zu lernen“
Vermittlung oder Qualifizierung weiterentwickeln und verfü-
gen hierfür über einen riesigen Datenschatz. Ich möchte aller-
dings nicht, dass ein automatisiertes Verfahren den Umgang
vom Vermittler oder Berater mit dem Kunden gänzlich ersetzt.
Es soll eine Unterstützung sein. Der zwischenmenschliche
Faktor hat große Bedeutung, etwa beim Phänomen des soge-
nannten „erwartungswidrigen Eintritts“: Es gibt Menschen, bei
denen man nach Aktenlage denkt, das wird nichts mehr mit
der Integration in den Arbeitsmarkt und dann klappt es eben
doch noch. Diese Möglichkeit, eng, persönlich und individuell
mit Menschen zu arbeiten, müssen wir offenhalten.
Und wie sieht das im HR-Bereich der BA aus?
Holsboer:
Auch im HR-Bereich stellen wir schrittweise auf
digitale Prozesse um. Wir haben zum Beispiel bisher keine
digitale Personalakte und damit keine digitalen Matching-Mög-
lichkeiten. Wir können im Moment nur analog herausfinden,
welche unserer Mitarbeiter bestimmte Skills haben. Da ist noch
viel Musik drin. Wir möchten künftig die administrativen Auf-
gaben reduzieren und mehr Freiraum für das Talent Manage-
ment und die Personalentwicklung schaffen. Entscheidend ist:
Durch neue digitale Lösungen fällt nichts weg, wir setzen nur
auf einem höheren qualitativen Niveau an.
Werden Sie also in den kommenden Jahren mehr oder
weniger Beschäftigte haben?
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