Wirtschaft und Weiterbildung 4/2019 - page 12

aktuell
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wirtschaft + weiterbildung
04_2019
Interpretiert man New Work im Sinne des Philo-
sophen Frithjof Bergmann, der diesen Begriff in den
1970er-Jahren prägte, so könnte man sagen, dass
New Work auf den selbstbestimmten, glücklichen
Menschen abzielt. Die moderne Sklaverei der von
Fremdbestimmung geprägten Arbeitswelt wird
abgeschafft. Wie auch immer – wegweisend sind
zurzeit zweifelsohne Visionen und Ansätze, die zum
Ziel haben, Selbstbestimmung und Selbstverwirkli-
chung zu fördern, Nachhaltigkeit zu fordern und die
Steigerung des Gemeinwohls im Blick haben. Das
sind Ansätze, die den Menschen und dessen Wohl-
ergehen mit deutlichem Nachdruck ins Zentrum
setzen.
Aus welchem Holz sollten Berater geschnitzt sein,
die Unternehmen auf dem Weg zur „New-Work-
Organisation“ begleiten? Vor welchen Aufgaben
stehen Manager und Führungskräfte, wenn sie
sich dem Thema New Work stellen wollen? Welche
Herausforderungen gilt es zu meistern und wobei
können beratende Moderatoren unterstützen? Um
diese Frage beantworten zu können, muss man sich
zunächst entscheiden, wie man den Begriff New
Work belegen möchte. Welche Zielsetzung hat das
jeweilige Unternehmen auf dem Weg hin zur New-
Work-Organisation?
Stellt man das Thema Digitalisierung ins Zentrum
des Interesses, ergeben sich andere Fragen, als
wenn man auf die Flexibilisierung der Arbeit fokus-
siert oder die Hierarchie abbauen und stattdessen
Mitgestaltung, Mitverantwortung und Selbstbe-
stimmung ausbauen möchte. Je nach Fokus füllt
sich der Begriff New Work mit anderen Inhalten und
es ergibt sich ein anderer Beratungsschwerpunkt.
Stellt man in Rechnung, dass jede Veränderung in
einem sozialen System, soll sie gelingen und nach-
haltig sein, immer auch Kulturwandel bedeutet, wird
deutlich, dass für eine solide New-Work-Beratung
eine Kulturberatung als Ergänzung zwingend not-
wendig ist. Die bewusste Gestaltung des Kulturwan-
dels außer Acht zu lassen und sich ausschließlich
auf die sogenannten „harten Faktoren“ zu stützen,
wäre falsch.
Beratung, um einen Kulturwandel zu gestalten, ist
als begleitende Prozessberatung (Komple-
mentärberatung) bei allen Veränderungs-
projekten dringend empfohlen. Kultur-
wandel kann aber auch explizit Beratungs-
thema sein und zwar immer dann, wenn
es um Kommunikations- und Führungsthemen
geht. So wird im Rahmen der New-Work-Diskussion
beispielsweise thematisiert, dass immer mehr
vor allem junge Menschen, mehr Mitgestaltungs-
möglichkeiten und Selbstbestimmung erwarten.
Das kann in einer Organisation ein Angriff auf die
gewachsene Führungskultur sein. Für Manager, Füh-
rungskräfte und Projektleiter ist eine umfassende
Neuorientierung erforderlich. Führung muss neu
erlernt werden.
Freiheitsgrade für Selbstorganisation müssen über
Partizipationsansätze der Vergangenheit, wie etwa
Qualitätszirkel, Lernstatt oder Change Commu-
nities, hinausgehen. Die Fähigkeit, „Kommunika-
tion auf Augenhöhe“ zu gestalten, ist gefragt und
unverzichtbar. Dies ist nur ein Beispiel für Kultur-
wandel. Andere Ansatzpunkte könnten Teamkultur,
Gesprächskultur oder Konfliktkultur sein. Auch
Strategieumsetzung geht nicht ohne Kulturwandel.
Diese Art der hier angesprochenen Beratung (für die
freilich ein gerüttelt Maß an Expertise zum Thema
Unternehmenskultur und Kulturentwicklung von­
nöten ist) könnte als „New-Work-Beratung“ bezeich-
net werden.
Gastkommentar
Wir brauchen den
„New-Work-Berater“
New Work bedeutet immer auch
Kulturwandel.
Josef W. Seifert
Foto: Moderatio
Josef W. Seifert gründete im Jahr 1987 das Institut „Moderatio“ im bayerischen Pörnbach, das sich auf die Vermittlung der Moderationsmethode im
Businesskontext spezialisierte. Seifert wurde bekannt für sein Prozessmodell des „Moderationszyklus“.
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