wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 12

aktuell
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wirtschaft + weiterbildung
10_2018
Bernhard Kuntz
Haben Sie auch am 4. September zu vorgerückter
Stunde um 23.45 Uhr in der ARD die Dokumen-
tation „Der Motivationstrainer“ über den Erfolgs-
trainer Jürgen Höller gesehen? Ich war fasziniert –
gerade, weil ich kein Fan von Jürgen Höller bin, denn
er verkörpert für mich fast alles, was mich an Teilen
des Weiterbildungsmarkts stört:
das Reduzieren komplexer Inhalte auf Phrasen
und banale Sinnsprüche
das Verkürzen des Themas Personal- und Per-
sönlichkeitsentwicklung auf das Thema Selbst­
motivation
die Gier nach Ruhm und Geld.
Innerlich kopfschüttelnd schaute ich zu, wie in
einem Höller-Seminar Hunderte von Personen mit
ihm im Chor brüllten:
„Ich liebe mich“, „Ich Iiebe mich“, „...“,
„Ich ziehe Geld magisch an“, „Ich ziehe Geld
magisch an“, „...“,
„Ich schaffe das“, „Ich schaffe das“, „...“
und sich dabei zum Beispiel wie wild auf die Brust
trommelten. Und dazwischen kamen immer wieder
solche Sprüche von Höller wie: „Warum sind Sie hier
im Seminar? Weil Sie ein Milliönchen machen möch-
ten? Dann sind Sie im falschen Seminar! Hier geht
es um das richtig große Geld.“
Am gruseligsten fand ich es jedoch, als Höller bei
einem Seminar, das speziell für Trainer durchge-
führt wurde, die anwesenden Trainer fragte, ob sie
gerne Spitzentrainer wären. Selbstverständlich
brüllten fast alle: „Ja“. Daraufhin entgegnete Höller:
„Ich aber nicht, ich möchte ein Spitzenverdiener
sein!“ Und daraufhin die versammelte Trainerschar
im Chor: „Ich will ein Spitzenverdiener sein“, „Ich will
...“! Wie kann man so hirnlos sein?
Klarer als Höller kann man nicht sagen und zeigen:
Mir geht es nur um die „Kohle“, alles andere ist mir
letztlich „sch...-egal“. Es ist ja okay, Jürgen, wenn
Dich das glücklich macht. Schade ist nur, dass Dir
so viele Trainer zujubeln, die ansonsten so gerne
über ihre Werte schwafeln.
Für Höller empfinde ich – wenn überhaupt – nur
Mitleid. Denn er ist für mich die Verkörperung eines
Menschen, der zum Lernen eigentlich unfähig ist.
Seine Gier nach Geld und öffentlicher Anerkennung
hat ihn schon einmal in den Knast gebracht, doch
gelernt hat er daraus nichts oder das Falsche – egal
wie oft er die Geschichte seines Scheiterns und
seiner Wiederauferstehung wie eine hängen geblie-
bene Schallplatte noch erzählt. Dieses Storytelling
ermüdet mich.
Auf mich wirkt Jürgen Höller seit fast drei Jahr-
zehnten, seit ich ihn als Redakteur der Zeitschrift
„Management & Seminar“ zum ersten Mal wahr-
nahm, wie ein pubertierender, wild gewordener
Ministrant, der mit Gewalt seine Minderwertigkeits-
komplexe kompensieren möchte. Trotzdem wird er
von einer nicht unerheblichen Zahl von
Menschen, für die (laut „Spiegel“) „der
nackte Kapitalismus die Religion“ ist, wie
ein Erlöser und Guru verehrt. Arme Men-
schlein!
Übrigens, um das Jahr 2000, bevor Jür-
gen Höller mit seiner Inline AG Pleite ging und in
den Knast einfuhr, rief mich ein Mitarbeiter seines
Unternehmens an. Er fragte mich, ob wir (also die
„Profilberater“) für Jürgen Höller und sein Unterneh-
men Pressearbeit machen wollten und schwärmte
mir vor, welche fantastischen Chancen sich für mich
daraus ergäben, ein Teil der „Höller-Familie“ zu sein.
Ich lehnte dankend ab – auch weil ich schon eine
Familie hatte.
Gastkommentar
Jürgen Höller –
Botschafter des
„nackten Kapitalismus“
Bernhard Kuntz ist Gründer und Inhaber der PR- und Marketing-Agentur „Die Profilberater GmbH“, Eichbergstraße 1, 64285 Darmstadt, Tel.: 06151/89659-0,
E-Mail:
ternet
Höller ist ein wild gewordener
Ministrant, der seine Minderwertig-
keitskomplexe kompensiert.
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