wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 3

editorial
wirtschaft + weiterbildung
10_2018
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Jürgen Höller, der völlig zu Recht vergessene Motivationsguru, der um
die Jahrtausendwende reihenweise die Hallen füllte, ist wieder da.
Diese Information verdanken wir einem Dokumentarfilm, den die ARD
am 4. September ausstrahlte. Natürlich würdigen wir das Comeback
unseres Lieblingsfeinds (er schadet schließlich dem Ansehen der
Weiterbildungsbranche enorm) ausführlich auf Seite 12 und ab Seite 50.
Zu Beginn des ARD-Films sagt Höller ganz in sich gekehrt mehrfach
hintereinander Sätze wie „Ich lebe in Heiterkeit, Freude und
Leichtigkeit“ und „Es geht mir von Tag zu Tag und in jeder Hinsicht
immer besser und besser“. Solche Autosuggestionen sind das zentrale
und nach meinem Einblick auch das einzige Werkzeug, das die gute, alte
Positiver-Denken-Bewegung zu bieten hat.
Was mich am meisten überrascht: Höller hat anscheinend immer noch
nicht mehr zu bieten als sein „Ich schaffe-das“-Gedöns. Er selbst spricht
von 13 „goldenen Autosuggestionen“, die er jedem zur täglichen,
minutenlangen Wiederholung ans Herz legt – darunter „Ich ziehe Geld
an wie ein Magnet“.
Die Behauptung, sich mit Autosuggestionen in sein Unbewusstes
einschleichen zu können, ist purer Unsinn. Es fehlen dazu – kurz gesagt
– die echten persönlichen Erfahrungen, die mit starken Emotionen
gekoppelt sind. Positiv-Denker überschätzen die Macht der Sprache
maßlos und übersehen, dass die formelhaften Sprüche die individuellen
Bedürfnisse des Einzelnen ignorieren.
Mit Allgemeinplätzen sollte man sein Leben nicht zukleistern – zumal
der getrübte Blick auf die Wirklichkeit irgendwann mit einem Kater
endet. Ein ach so pessimistischer Journalist wusste es schon immer:
„Positives Denken ist Feigheit vor den Problemen“.
Fauler Zauber
Viele Inspirationen mit
unserem neuen Heft
wünscht
Martin Pichler, Chefredakteur
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