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wirtschaft + weiterbildung
10_2017
REDNERSZENE.
Auf der Convention 2017 der German
Speakers Association (GSA) führte die Verrohung
der Redesitten in der Politik zu einer ungewohnten
Nachdenklichkeit. Sollten die Profi-Speaker auf plumpe
Comedy-Einlagen in ihren Reden verzichten und sich mehr
auf ernsthafte Inhalte besinnen? Rhetorik-Experte René
Borbonus über eine Sehnsucht nach mehr inhaltlicher Tiefe
und nach Auftritten mit echter Wirkung.
Die GSA zeichnete Sie mit knapp vierzig Jahren für Ihr
Lebenswerk aus. Wie genau haben Sie sich das Ihrer Ansicht
nach verdient?
René Borbonus:
Ich merke natürlich schon, dass meine Reden
in der Regel gut ankommen. Wenn ich einen Grund für diesen
Eindruck konstruieren müsste, dann wäre es der, dass ich das
Handwerk des Redenschreibens von Grund auf gelernt und
mehr als zwanzig Jahre Erfahrung darin habe. Zunächst habe
ich für andere geschrieben, heute schreibe ich für mich selbst.
Mein Expertenthema ist „Wirkungsvolles Reden“. In diesem
Sinne habe ich es also ein Stück leichter als die Kollegen, die
mit anderen Themen – etwa „Zeitmanagement“ oder „Krea-
tivität“ – unterwegs sind. Ich schlage zwei Fliegen mit einer
Klappe, wenn ich an meiner Expertise feile: Ich arbeite an
meinem Thema und an meinem wirkungsvollen Auftreten.
Wo haben Reden, wo hat die Rhetorik im Geschäftsleben ihre
Berechtigung und ihren handfesten Nutzen?
Borbonus:
Gute Rhetorik wirkt im Großen wie im Kleinen und
selbstverständlich auch in der Wirtschaft und im Job. Vielleicht
ist das folgende Beispiel schon ein wenig strapaziert, aber es
passt hier sehr gut: Als Steve Jobs erkrankte und das öffentlich
bekannt wurde, verlor der gesamte Apple-Konzern massiv an
Wert. Das war ein Verlust, der damals in die Milliarden ging.
Zum einen lag das sicher daran, dass es völlig ungewiss war,
ob der Weltkonzern jemals wieder einen so fähigen Leader
Fotos: Borbonus
Das Thema findet
den Redner –
nicht umgekehrt
finden würde. Zum anderen aber waren sich alle völlig sicher,
dass mit Steve Jobs auch seine legendären Inszenierungsfä-
higkeiten sterben würden, die jede Produktpräsentation von
Apple bis dato zu einem rhetorischen Highlight und einem ein-
maligen emotionalen Erlebnis gemacht hatten. Und die jedem
Produkt diesen unglaublichen Verkaufsdrive, dieses spezielle
Momentum mit auf den Weg gegeben hatten. Und dann den-
ken Sie an den ganz normalen Firmenalltag, etwa an Change-
prozesse.
Wenn Führungskräfte nicht in der Lage sind, ihre Leute mit-
zunehmen, ihnen die Angst vor Veränderungen zu nehmen
und ihre Rhetorik dafür gezielt einzusetzen, bleiben Projekte
auf der Strecke. Klassische Werte in der Kommunikation, also
Respekt, Klarheit und Begeisterung, finden sich häufig im Fir-
menleitbild, aber viel seltener in der Realität, weil sie nicht
umgesetzt werden (können). Entweder fehlen dafür die Fähig-
keiten oder es fehlt der Wille. Und das ist schade, weil Unter-
nehmen hier große Erfolgschancen einfach links liegen lassen
und Teile ihres Potenzials verschenken.
Sind gute rhetorische Fähigkeiten eigentlich immer noch ein
Karrierefaktor?
Borbonus:
Ja, sicher. Vor allem in der Politik ist mir das häu-
figer begegnet, etwa bei unbekannten Abgeordneten, die noch
keine Lobby hatten und die keiner kannte. Da ist eine gute
Rede oder Schlagfertigkeit in einer Debatte die beste Eigen-
Beredsamkeit.
Borbonus begeistert seine
Zuhörer mit „Gedanken,
die atmen, und Worten,
die brennen“ (Thomas Gray).