wirtschaft und weiterbildung 4/2017 - page 55

wirtschaft + weiterbildung
04_2017
55
Benedikt Hackl.
In seinen Vorträgen zeigt Hackl, dass es erste Forschungs-
ergebnisse gibt, die den Nutzen des New-Work-Ansatzes belegen.
bei einem Teil der deutschen Unterneh-
men „unkritische“ Veränderungen durch-
geführt werden – also solche, die nicht
oder nur rudimentär in die Kultur des Un-
ternehmens eingreifen.
Dagegen bin ich davon angetan, wie
mutig und umfassend zahlreiche Unter-
nehmen das Thema New Work bereits
angehen. Hierarchien werden abgebaut,
die Machtverteilung und Verantwortungs-
dispersion gestärkt, Individualität in Sys-
temen, Prozessen und in Karrierewegen
umgesetzt. Genau wie in unseren empiri-
schen Studien zeigen diese Ansätze eine
erhöhte Innovations- und auch Motivati-
onsintensität.
New-Work-Kritiker wie zum Beispiel Prof.
Stefan Kühl halten all diese Ansätze für
reine Rhetorik: Hierarchien würden nicht
abgeschafft, nur kaschiert. Die „agile
Organisation“ sei kalter Kaffee und
zeuge von der Kreativität, mit der immer
wieder neue Begrifflichkeiten ins Feld
geführt würden, die die Veränderungs-
fähigkeit von Unternehmen
umschreiben. Dynamik und Veränderung
habe es schließlich auch schon vor der
Digitalisierung gegeben …
Hackl:
Ich teile die Einschätzung des
Kollegen Kühl, dass New Work auch als
„Management-Mode“ missbraucht wird
– insbesondere, wenn es um neue Raum-
konzepte oder ähnliche Ansätze geht. Ich
sehe in den Studien, die wir durchgeführt
haben, dennoch einen signifikanten Un-
terschied in der Innovationsleistung von
Unternehmen in Abhängigkeit von deren
Führungs-, Prozess-, und Steuerungsge-
staltung. Ob das nun New Work oder ir-
gendwie anders betitelt wird, ist für mich
nicht entscheidend.
Dr. Bernhard Zünkeler, der in Kalifornien
seit vielen Jahren am Thema „Urban
Interventions“ und Rauminstallation
arbeitet und mit Künstlern und Kreativen
neue Arbeitswelten für namhafte Unter-
nehmen erprobt, war der Chef-Kurator
Ihres Buches. Welche Rolle spielen
derartige Design-Ideen bei New Work?
Hackl:
Ziel der Zusammenarbeit mit Dr.
Zünkeler und seinem Team war die Er-
schließung einer non-verbalen Dimension
neuer Arbeitslogiken, um eine emotionale
Wirkungsebene von Arbeit zu erzeugen.
Das ist ungewöhnlich für die Arbeit an
einer Buchpublikation, war aber ein sehr
spannender Prozess. Wir wollten Bild-
sprache und Datenfundierung gezielt ver-
einen.
Hinter der Beschäftigung mit dem
Thema Arbeit steht die Frage, welches
Verständnis wir von Räumen der
Zusammenarbeit haben.
Hackl:
Im betrieblichen Kontext wurde
und wird Raum immer nur als physika-
lische Größe und Kostenverursacher ge-
sehen. Das ist bedauerlich, weil Raum ei-
gentlich eine psychologische Dimension
eröffnet. Nimmt man Raum als solchen
an und nimmt man Raum ernst, so wer-
den einem ziemlich viele Aspekte zu-
gänglich, die von Unternehmensidentität
über Kooperationsmultiplikation bis hin
zu Marketingplattformen reichen. Gerade
diese Vielseitigkeit macht betrieblichen
Raum zu einem interessanten Tool für
New Work.
Bei New Work geht es ja in gewisser
Weise darum, die Rahmenbedingungen,
das Wohlbefinden und die Gesundheit
der Mitarbeiter so zu optimieren, dass
die Beschäftigten möglichst leistungs-
fähig sind und damit der Organisation
besser dienen. Wie nehmen das
gemäß Ihrer Erfahrung die Arbeitnehmer
wahr – als Fürsorglichkeit oder als
Instrumentalisierung?
Hackl:
Die angesprochenen Ansätze
haben eine ganz konkrete, betriebswirt-
schaftliche Dimension, bei der es um Pro-
duktivitätssteigerungen, Wettbewerbs-
und Zukunftsfähigkeit geht. Unsere
Untersuchungen zeigen, dass sich Mit-
arbeiter eine Veränderung der Rahmen-
bedingungen wünschen, teilweise sogar
erwarten. Die Mitarbeiter wissen, dass
es letztlich um Innovationsproduktivität
geht. Die Perspektive der Fürsorglichkeit
höre ich in diesem Zusammenhang eher
selten. Im Durchschnitt hinken Unterneh-
men allerdings diesen Haltungen und Er-
wartungen deutlich hinterher. Die Reise
nach New Work wird auf diesem Weg
(über das Gesundheitswesen) vermutlich
vielen Arbeitgebern nicht gelingen.
Interview: Stefanie Hornung
Foto: Personal Süd Foto Pfluegl
1...,45,46,47,48,49,50,51,52,53,54 56,57,58,59,60,61,62,63,64,65,...68
Powered by FlippingBook