training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
04_2017
Olaf Peter führt seit einiger Zeit die IT-
Abteilung eines internationalen Tech-
nologieunternehmens in der Rolle eines
„Enterprise Data Management Owner“.
In seiner Funktion muss er die Wün-
sche der Fachabteilungen verschiedener
Landesniederlassungen verstehen und
gemeinsam mit internen IT-Spezialisten
und den externen SAP-Anbietern zügig
in IT-Lösungen abbilden. Dass diese Zu-
sammenarbeit nicht immer reibungslos
verläuft, liegt auch daran, dass die Mitar-
beiter in den jeweiligen Ländern verschie-
dene Mentalitäten haben. Divergente
Arbeitsstile und Erwartungen an die Zu-
sammenarbeit führen immer wieder zu
Irritationen und Missverständnissen. Vor-
gehensweisen, mit denen Peter in einem
bestimmten Land erfolgreich war, zeigen
in anderen Ländern nicht die gewünsch-
ten Effekte oder führen sogar zu Konflik-
ten und Stillstand.
Jetzt sitzt Peter gemeinsam mit seinem
interkulturellen Coach in einem Bespre-
chungsraum und betrachtet das Ergebnis
eines Fragebogens. Es handelt sich um
den „Culture in the Workplace Questi-
onnaire“ (kurz CWQ), den er vor einer
halben Stunde online in deutscher Spra-
che ausgefüllt hat. Bevor die beiden sich
das Testergebnis ansehen, wird Peter
aufgefordert, ausführlich zu berichten,
in welchen Ländern er die Zusammenar-
beit als besonders anstrengend und hol-
perig empfindet. Peter muss nicht lange
überlegen: „Das japanische Team treibt
mich, offen gestanden, manchmal bis an
die Grenze meiner Belastungsfähigkeit.
Alles muss genau nach definierten Schrit-
ten und Vorschriften vor sich gehen und
Test: Kulturelle Spielregeln
besser verstehen
WERKZEUG.
Gert Hofstedes Kulturdimensionen sind weltbekannt. Mit ihrer Hilfe lassen
sich nationale Kulturen einordnen und vergleichen. Der dazu passende Online-Test heißt
„Culture in the Workplace Questionnaire“ (CWQ). Er unterstützt Trainer und Berater dabei,
die kulturellen Präferenzen ihrer Klienten festzustellen und macht die darauf folgenden
Verhaltensweisen bearbeitbar.
Methode.
Geert Hofstede ist emeritierter Professor für
Organisationsanthropologie und Internationales Manage-
ment an der Universität Maastricht, Niederlande. Hofstede
zeigte, dass die nationale Kultur eines Landes wesent-
lichen Einfluss auf das Führungsverhalten der „einheimi-
schen“ Manager hat. Identifiziert wurden fünf Kulturdimen-
sionen:
1. Machtdistanz.
Wie ist die Macht in einer Organisation
verteilt? Wieviel Ungleichheit wird von allen Beteiligten
akzeptiert?
2. Individualismus versus Kollektivismus.
Wie wichtig sind
Selbstbestimmung und Eigenverantwortung? Oder sind
Integration und Wir-Gefühl wichtiger?
3. Maskulinität versus Femininität.
Sind Fürsorglichkeit,
Kooperation und Bescheidenheit oder eher maskuline
Werte wie Konkurrenzbereitschaft und Selbstbewusst-
sein wichtiger?
4. Unsicherheitsvermeidung.
Wie hoch ist die Abneigung
gegenüber unvorhergesehenen Situationen? Wird Unsi-
cherheit vermieden durch Gesetze, Richtlinien, Sicher-
heitsmaßnahmen? Oder wird Unsicherheit eher akzep-
tiert und haben die Menschen nur wenige Regeln?
5. Langzeit- versus Kurzzeit-Orientierung.
Wie groß ist der
zeitliche Planungshorizont in einer Gesellschaft? Lang-
fristige Ausrichtung korrespondiert zum Beispiel mit
Sparsamkeit, Beharrlichkeit. Eine kurzfristige Ausrich-
tung mit Flexibilität, Egoismus.
6. Genuss versus Zurückhaltung.
Werden Bedürfnisse frei
ausgelebt oder ist das berufliche wie private Leben eher
reglementiert? Diese sechste (relativ neue) Dimension
spielt im CWQ noch keine Rolle, wird aber gerade mit
Hochdruck in die neue Version des Fragebogens, der im
Laufe des Jahres 2017 veröffentlicht wird, eingearbeitet.
Hofstedes Kulturdimensionen