wirtschaft + weiterbildung
04_2017
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nisation gehen und ihre Ideen vorstel-
len, um Leute zu finden, die mitziehen
möchten. Ein Prinzip bei der Umsetzung
des zweiten Betriebssystems ist auch,
dass die Prozesse möglichst einfach lau-
fen und transparent sind. Das ist unter
anderem wichtig, weil viele Initiativen
in ein Stadium kommen, in dem sie für
die gesamte Organisation interessant sind
und ausgerollt werden sollen. An diesem
Punkt wird das zweite Betriebssystem mit
dem ersten verknüpft. Und beim Roll-out
in die Gesamtorganisation braucht es
wiederum klassisches Change- und Pro-
jektmanagement.
Wie lässt sich vermeiden, dass die Ergeb-
nisse der Projekte unbrauchbar sind?
Fuhrmann:
Agile Netzwerke haben das
Ziel, ungerichtete Innovationen zu för-
dern. Die Mitarbeiter sollen sich als kom-
petent erleben, Dinge selbstständig zu
verändern. Dabei laufen sie gegen die
gleichen Hindernisse wie beim klassi-
schen Change Management, und manch-
mal scheitern sie auch daran. Wenn sie
das aufarbeiten, wird das Scheitern zum
Lernerfolg. Soll die Organisation von
unten kleinteilig, ungerichtet und unab-
hängig von Hierarchien verändert wer-
den, dann ist das System das richtige. Soll
es aber gerichtete Innovationen geben,
muss die Führung einen Auftrag an ein
Team geben, bei dem es ein klares Ziel
gibt – das Team aber den Weg dorthin be-
stimmen kann.
Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen
den Systemen? Gibt es Konflikte?
Fuhrmann:
Die Gefahr besteht. Daher
arbeiten wir intensiv mit den Führungs-
kräften und vereinbaren vorab mit ihnen
Regeln: Denn sie repräsentieren die Hie
rarchie und sind gewohnt, Mitarbeiter zu
kontrollieren. In ungerichteten Initiativen
wissen sie aber nicht, was am Ende her-
auskommt. Dafür verlieren sie eine Zeit-
lang Ressourcen, die sie dringend brau-
chen. Führungskräfte müssen also lernen,
loszulassen, agil zu führen und in diesem
Umfeld Ressourcen zu organisieren.
Was machen Sie mit Mitarbeitern, die
keine Lust auf agiles Arbeiten haben?
Fuhrmann:
Bisher haben wir meist den
Luxus, dass es beide Betriebssysteme gibt
– also auch Arbeitsplätze, an denen Mit-
arbeiter nicht agil arbeiten. Meist ist es
so, dass Mitarbeiter mit einer Entdecker-
mentalität sich freiwillig für agile Aufga-
ben melden, und die, die lieber Routinen
mögen, im ersten Betriebssystem bleiben.
Wenn Unternehmen aber immer agiler
werden und klassische Arbeitsplätze rar
werden, muss man die Mitarbeiter an
neue Arbeitsweisen heranführen.
Wie soll das gehen? Ein agiles Umerzie-
hungsprogramm ist wohl kaum sinnvoll.
Fuhrmann:
Als Psychologe kann ich be-
stätigen: Eine Umerziehung ist tatsäch-
lich nicht sinnvoll. Wenn ein Mitarbeiter
routineorientiert ist, hat er zwar Nachteile
dabei, Veränderungen mitzugestalten.
Trotzdem kann er es schaffen, wenn er
bestimmte Kompetenzen erwirbt. Die Be-
reitschaft dafür zu erzeugen, ist die Auf-
gabe bei jedem Change-Prozess. Und das
gelingt, wenn die Change-Story gut ist
und die Mitarbeiter sich auch persönlich
damit identifizieren können.
Interview: Andrea Sattler
Foto: Dennis Hauptkorn, wizz-art.com
Dr. Michael Fuhrmann.
Der Leadership-Berater
unterstützt bei der
Umsetzung dualer
Betriebssysteme.