wirtschaft und weiterbildung 7-8/2015 - page 46

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
Prinzip 5:
Lösungs- und Ressourcenorientierung
Beim systemischen Coaching erfolgt eine
Fokusverschiebung vom Individuum
zum Kontext der Problementstehung.
Eine Kernfrage lautet: Wer ist an der Pro-
blemerzeugung und am Aufrechterhalten
des Problems beteiligt? Lösungsorientie-
rung bedeutet: Der Fokus wird vom Prob-
lemsystem zum Lösungssystem verlagert:
Wer (und was) ist wichtig für die Lösung
des Problems? Der amerikanische Psy-
chotherapeut und Fachbuchautor Steve
de Shazer und sein Team haben die Lö-
sungsorientierung zu einer eigenen Be-
ratungsform ausgebaut. Sie stellen stan-
dardmäßig folgende Fragen:
• „Angenommen Ihr Problem ist gelöst:
Was ist dann anders?“
• „Welche Ausnahmen vom Problem gab
es? Wann und wo war das? Was war
damals anders?“
Solche Fragen verlagern den Schwer-
punkt der Aufmerksamkeit vom Problem
und dem, was nicht funktioniert, hin zur
möglichen Lösung. Außerdem wird nach
Ressourcen gefragt: Welche Beteiligten
haben welche Fähigkeiten, Stärken, kraft-
vollen und „gesunden“ Seiten? Ressour-
cenorientierung bedeutet: Coaches gehen
davon aus, dass ihre Klienten in der Regel
die erforderlichen Möglichkeiten und
Potenziale haben, ihre Probleme selbst
(oder mit selbst organisierter Unterstüt-
zung) zu lösen. Dieses Bewusstsein gilt es
ihnen auch zu vermitteln. Doch wie fast
immer gibt es Ausnahmen von der Regel.
Deshalb lautet ein weiteres wesentliches
Coaching-Prinzip: einen Unterschied ma-
chen, der einen wirklichen Unterschied
macht. Das heißt für Coaches konkret,
dass sie sich in Klienten-Gesprächen zum
Beispiel fragen:
• „Ist es in dieser Situation (in dieser
Familie, bei diesem Klienten) wirklich
zielführend, den Blick vor allem auf die
Ressourcen zu richten, oder
• wäre es zielführender, das ‚reale‘ Pro-
blem zu analysieren und zu ‚bearbei-
ten‘?“ (also das Gespräch zum Beispiel
auf die materielle Existenzsicherung
des Klienten zu fokussieren oder die
konkrete Sachhilfe, die er benötigt)?
Prinzip 6:
Kunden-/Klientenorientierung
Coaches sind persönliche Dienstleister,
die für ihre Leistungen bezahlt werden
– direkt oder indirekt. Folglich orientiert
sich der Coachingprozess primär an den
Interessen und Zielen ihrer Klienten be-
ziehungsweise Coachees und nur sekun-
där an ihren eigenen Zielen. Deshalb ist
ein zentrales Element des Coachings die
Klärung der Aufträge der Klienten. Diese
werden so weit operationalisiert, dass
möglichst allen Beteiligten klar wird, wie
die Zielerreichung aussieht und woran
man sie erkennt. Ob und wann das Ziel
erreicht ist, entscheidet jedoch der Kli-
ent beziehungsweise Kunde. Er ist der
Experte in Bezug auf die Inhalte der Be-
ratung, also der „Kundige“ seiner Prob-
leme. Folglich ist er auch der Experte für
seine Lösungen – der Coach ist nur der
Experte für den Prozess.
Prinzip 7:
Die Wirklichkeit ist eine subjektive
Konstruktion
Gefragt wird im systemischen Coaching
nicht danach, wie es „wirklich“ ist, son-
dern nach Ideen und Bedeutungsgebun-
gen. Denn die „Wirklichkeit“ (einer Per-
son) wird stets als eine subjektive, also
vom Individuum selbst konstruierte er-
achtet, in die unter anderem individuelle
Erfahrungen und Werte einfließen. Und
die Probleme sowie deren Symptome? Sie
werden im Zusammenhang mit erstarrten
Wirklichkeitskonstruktionen gesehen,
aus denen der Coachee sich ohne Un-
terstützung nicht oder nur schwer lösen
kann. Aufgabe des Coaches ist es, dem
Coachee neue Perspektiven/Sichtweisen
und somit neue Möglichkeiten zu eröff-
nen und nicht „falsche“ durch „richtige“
Wirklichkeitskonstruktionen zu ersetzen.
Systemische Praxis wird – in Anlehnung
an Heinz von Foerster, einem Mitbegrün-
der der kybernetischen Wissenschaft – oft
verstanden unter dem Leitmotiv: „Anders
sehen – anders handeln“.
Eine beobachter-unabhängige Wirklich-
keit gibt es beim systemischen Coaching
nicht (beziehungsweise ist uns Menschen
nicht zugänglich). Denn, alles was wir
wahrnehmen, was um uns passiert sowie
was andere tun, hat immer auch mit uns
zu tun beziehungsweise damit, wie wir
die Ereignisse und Wahrnehmungen in-
terpretieren. Unsere subjektive „Wirk-
lichkeit“ ist somit auch eine Reaktion auf
unser Dasein und Verhalten.
Sabine Prohaska
R
Buchtipp.
Welche Coaching-Methode passt zu welchem
Coaching-Anlass? Coaching-Anfänger suchen häufig nach
Methoden, die sich in der Praxis schnell und einfach
anwenden lassen. Sie brauchen Antworten auf Fragen wie:
Was mache ich, wenn jemand mit einem Entscheidungs-
problem zu mir kommt? Oder: Welche Methode kann ich
anwenden, wenn das Thema meines Klienten Karrierebe-
ratung lautet?
Sabine Prohaska ist nicht nur Expertin für die „Grundprin-
zipien“ des Coachings, sondern kann auch bei konkreten
Methodenfragen helfen. Zusammen mit Paul Bischofber-
ger, Georg Breiner, Andrea Jindra, Verena Merkatz und
Franziska Schmalzl hat sie das Buch „Coaching in der
Praxis: Tipps, Übungen und Methoden für unterschiedliche
Coaching-Anlässe“ (Junfermann, 2013, 128 Seiten, 15,90
Euro) verfasst. Es ist nach Themenbereichen geordnet und
bietet viele Denkanstöße. Gedanken zum systemischen
Ansatz und zum Humor im Coaching runden das Buch ab.
Sattelfest als Coach
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