wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
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ten ihre Curricula und teilweise auch ihre
Weiterbildungsmaterialien vor. Als Grund
für die Nicht-Teilnahme gaben die Weiter-
bildner zum Beispiel an: „Unser Curricu-
lum kann und will ich leider nicht aus der
Hand geben, da es einen konzeptionellen
Wert hat, der finanziell nicht einschätz-
bar ist.“ Oder: „Ihre Arbeit erscheint uns
sehr interessant, jedoch möchten wir aus
Wettbewerbsgründen unser detailliertes
Curriculum nicht aus der Hand geben.
Würde Ihnen auch unsere Broschüre aus-
reichen?“. Die Reaktionen der Anbieter
kommentierte Möller in ihrem Vortrag
kurz und knapp: „Da wurde ein riesiges
Geschiss gemacht“.
Nur wenige ließen sich in die
Karten schauen
Die meisten qualifizierten Weiterbildun-
gen hat die „Systemische Gesellschaft
(SG) - Deutscher Verband für systemische
Forschung, Therapie, Supervision und
Beratung e. V.“ mit 43 Anbietern. Davon
machten aber nur fünf bei der Befragung
mit. An zweiter Stelle steht der „Deutsche
Bundesverband Coaching (DBVC)“ mit
30 Anbietern. Davon machten neun mit.
Besonders gering war die Teilnahme bei
der „Deutschen Gesellschaft für Systemi-
sche Therapie, Beratung und Familienthe-
rapie (DGSF)“. Von 21 qualifizierten Wei-
terbildungsanbietern legten nur zwei ihr
Curriculum vor. Zur inhaltsanalytischen
Untersuchung der Dokumente griffen
die Forscherinnen auf Schlüsselkonzepte
zurück, die im Coaching als notwendige
Wissensbasis gelten: Von Achtsamkeit
über Emotionsregulation und Verhaltens-
modifikation bis zur Zielformulierung.
„Wir haben geschaut, wo es belastbare
Konzepte gibt, die man auch fürs Coa-
ching nutzen sollte“, erklärt Professorin
Möller. Diese Schlüsselkonzepte wurden
dann der von Astrid Schreyögg erstellten
Wissensstruktur im Coaching zugeordnet.
Die Ergebnisse zeigen, dass Konzepte wie
Werte, die Coaching-Beziehung und die
Coaching–Definition, der Coaching-Pro-
zess, Konflikt und Konflikthandhabung
sowie Auftragsklärung und Entwicklung
des Coaching-Profils in den Curricula
relativ häufig genannt wurden. Elf Kon-
zepte wie Selbstregulation, implizite Füh-
rungstheorie, Emotionale Intelligenz und
Agilität, kritische Lebensereignisse oder
Nebenwirkungen des Coachings wurden
in keinem Curriculum berücksichtigt.
Zudem analysierten die beiden Forsche-
rinnen die Literaturangaben der Anbie-
ter. „Nur die wenigsten geben überhaupt
Literatur an“, so Möller. Gab es in den
Lehrplänen Verweise auf Autoren, han-
delte es sich dabei meist um veraltete und
populärwissenschaftliche Veröffentli-
chungen. „Verweise auf neuere Coaching-
Forschung konnten nicht gefunden wer-
den“, so die Psychologie-Professorin. Ihr
Fazit: „Für Außenstehende bleibt zumeist
unklar, ob und wenn ja, auf welchen wis-
senschaftlichen Erkenntnissen die behan-
delten Konzepte der Weiterbildung fußen.
Interessierten, die sich selbst aufmachten,
eine „gute“ Coaching-Weiterbildung zu
suchen, gibt Möller folgende Denkan-
stöße:
1.
Eine gute Coaching-Weiterbildung
muss ein stimmiges Theorie-Praxis-Kon-
zept vorweisen, das eine Verbindung von
den zugrunde liegenden Annahmen bis
zum konkreten beraterischen Handeln
schafft und angekoppelt ist an aktuelle
wissenschaftliche Erkenntnisse.
2.
Sie darf nicht nur Methoden und Tools
vermitteln, sondern muss eine berateri-
sche Identität ausbilden. Dazu muss sie
auch wesentliche Teile an Selbsterfahrung
und Reflektion umfassen.
3.
Sie muss unterschiedliche Lernformen
umfassen, eine sinnvolle Lernarchitektur
beinhalten, die im Weiterbildungsverlauf
Theorie, Praxis und Transfer verknüpft
und einen Integrationsort haben, an dem
die vielfältigen Lernerfahrungen verzahnt
werden können.
4.
Sie muss Bezüge zu anderen arbeits-
weltlichen Beratungsformaten herstellen
und in Übereinstimmung mit dem bera-
tungswissenschaftlichen Diskurs stehen.
5.
Sie muss Aufnahmevoraussetzungen
definieren und die Motivation zur Coa-
ching-Weiterbildung im Weiterbildungs-
verlauf systematisch reflektieren.
6.
Sie muss von erfahrenen Weiterbild-
nern geleitet werden. Vorhanden sein
sollten eigene Beratungs- und Trainings-
erfahrungen.
Mehr zum Thema: Eine ausführliche
Darstellung der Untersuchung von Prof.
Dr. Heidi Möller und Marion Hellebrandt
wird in Heft 3 (September 2015) der
Quartalsschrift „Wirtschaftspsychologie
aktuell“, die diese Untersuchung mit un-
terstützt hat, veröffentlicht werden.
Bärbel Schwertfeger
Psychologische Schule
USA
Großbritannien Deutschland
Neurolinguistisches Programmieren
(NLP)
13%
22%
36%
Systemischer Ansatz
0%
2%
55%
Transaktionsanalyse (TA)
0%
7%
17%
Verhaltensmodifikation
4%
12%
4%
Performance Coaching oder Goal Setting
4%
10%
0%
Keine Hinweise auf eine psychologische
Richtung
72%
63%
15%
Auf welcher Basis arbeiten Coachs?
Internet-Recherche.
Bereits im Jahr 2014 analysierte der
Osnabrücker Psychologie-Professor Siegfried Greif die Internet-
Seiten von 50 Weiterbildungen zum Coach. Er suchte nach
Hinweisen, welcher psychologischen Richtung sich die Anbieter
schwerpunktmäßig verpflichtet fühlen. In Deutschland über-
wiegt klar der systemische Ansatz.