wirtschaft und weiterbildung 7-8/2015 - page 45

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
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lich geht es beim Coachen nie um die
Suche nach Schuldigen beziehungsweise
den Auslösern einer Situation, weil alles
mit allem verbunden ist. Vielmehr ist das
Veranschaulichen und Verändern von
(Kommunikations-, Wahrnehmungs- und
Interpretations-)Strukturen ein wesentli-
ches Ziel systemorientierter Modelle und
Denkfiguren.
An die Stelle linearer Betrachtungsweisen
– A verursacht B – treten zirkuläre, kreis-
förmige Betrachtungsweisen: A wirkt
auf B, und B wirkt auf A zurück. Bei der
zirkulären Betrachtungsweise geht es
also um Wechselbeziehungen. Die Ma-
xime lautet: Blicke weiter, schaue auf das
Ganze!
Prinzip 2:
Allparteilichkeit und Neutralität versus
Parteilichkeit
Neutralität ist eine wichtige Haltung von
Coaches. Sie beinhaltet eine gelassene
Neugier gegenüber allen Sichtweisen, Er-
klärungen und Werten – und seien sie dem
Coach noch so fremd. Neutralität zeigt
sich auch in der Allparteilichkeit – also im
Bestreben, alle Mitglieder des Systems aus
ihrer Perspektive heraus zu verstehen und
ihre Sichtweisen zu wertschätzen. Zuwei-
len ist es sinnvoll, als Coach auch gegen-
über Problemen und dem Wunsch nach
Veränderung neutral zu sein. Fragen, die
eine entsprechende Neutralität signalisie-
ren, sind unter anderem:
• „Wie würde Herr/Frau X das beschrei-
ben?“
• „Was spricht dafür, alles so zu lassen,
wie es ist?“
Das Prinzip der Allparteilichkeit hat je-
doch Grenzen. Coachs haben als Konflikt-
lotsen auch die Aufgabe, die Coachees,
also ihre Klienten, zu ermächtigen, sich
gegen ungerechte Strukturen zu wehren
– die zum Beispiel eine ökonomische,
politische oder soziale Benachteiligung
bewirken. Also müssen sie beim Prinzip
der Neutralität darauf achten, wann eine
andere Grundhaltung der Situation ange-
messener ist.
Prinzip 3:
Grundhaltung des Nicht-Wissens
Hiermit ist nicht gemeint, dass profes-
sionelle Coachs so tun, als wüssten
sie nichts. Vielmehr bezieht sich diese
Grundhaltung auf die Art des Umgangs
mit ihrem Wissen. Coachs formulieren
und artikulieren Hypothesen nicht aus
der überlegenen Haltung eines Exper-
ten heraus, der mehr als der Klient weiß
(und/oder kann), sondern aus der be-
scheidenen Haltung des Nicht-Wissens.
Coachs sind quasi Experten des Nicht-
Wissens. Denn professionelle Coaches
wissen zwar viel, sie wissen aber nicht,
was das Beste für ihre Gesprächspartner
ist. Das müssen diese im Dialog mit dem
Coach selbst entdecken. Außerdem ken-
nen oder erahnen die Coaches aufgrund
ihrer Erfahrung und Profession zwar
mögliche Lösungen des Problems. Doch
sie wissen nicht, was die Lösung des
Coachees ist – denn sie sind keine „Re-
zeptgeber“ oder gar untertänige „Rezept-
lieferanten“, sondern „Befähiger“ und
„Ermöglicher“.
Besonders wichtig ist es, die Grundhal-
tung des Nicht-Wissens in Zwangskon-
texten einzunehmen (beziehungsweise
durchzuhalten). Außerdem in Situatio-
nen, in denen der Coach vom Coachee
(oder vom ihn beauftragenden System)
als Experte, sprich Problemlöser, ange-
fragt wurde. In ihnen können Coachs
zwar durchaus eine erste eigene Meinung
kundtun oder Einschätzung geben, diese
sollte jedoch stets als vorläufige sowie
zu überprüfende und gegebenenfalls re-
vidierbare Einschätzung gekennzeichnet
sein. Denn der Coachee ist und bleibt
auch dann der Experte für das Problem
und seine Lösung. Und dies gilt es zu ar-
tikulieren.
Prinzip 4:
Wertschätzung und Respekt für die
Person
Ein systemisches Coaching setzt Respekt
und Wertschätzung für die Person des
Coachees voraus. Sie sind die Basis für
eine fruchtbare Zusammenarbeit. Res-
pektlos kann ein Coach sich jedoch ge-
genüber dem Problem des Coachees und
seinen Symptomen zeigen – nicht selten
ist dies sogar nötig, um Impulse zur Ver-
änderung zu setzen. Dies ist jedoch nur
möglich, wenn die Beziehung Coach-
Coachee für den Coachee erkenn- und er-
fahrbar von Respekt und Wertschätzung
geprägt ist. Sonst besteht die Gefahr, dass
der Coachee die Respektlosigkeit gegen-
über seinem Problem als Ausdruck man-
gelnder Wertschätzung seiner Person in-
terpretiert.
Foto: Olivier Le Moal / Fotolia
Sabine Prohaska
ist Inhaberin des
Trainings- und
Beratungsunter-
nehmens „Semi-
nar Consult Prohaska“, Wien, das
unter anderem Trainer und Coachs
ausbildet. Im Oktober 2013 erschien
ihr Buch „Coaching in der Praxis:
Tipps, Übungen und Methoden für
unterschiedliche Coaching-Anlässe“.
Seminar Consult Prohaska
Märzstraße 55/13
A-1150 Wien
Tel. +43 664 3851767
AUTORIN
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