ware eröffnet hier weitere Möglichkeiten.
Sie analysiert nicht nur den Inhalt, son-
dern auch die Körpersprache, die Mimik
und den Wortschatz der Kandidaten. So
können individuelle Persönlichkeits-
merkmale unabhängig von Sympathie
oder Antipathie des Recruiters in die
Gesamtbewertung einfließen. Das soll
dem Auswahlprozess zu mehr Objektivi-
tät verhelfen.
Ähnliches leisten auch Sprachanalyse-
softwares. Damit lassen sich beispiels-
weise anhand eines Telefongesprächs
Profile erstellen, die Aufschluss über
Kommunikationsverhalten und Denk-
muster des Bewerbers geben. Auch das
Stresslevel lässt sich mithilfe einer sol-
chen Stimmanalyse bestimmen. (Zu den
derzeit diskutierten, auch datenschutz-
rechtlichen, Bedenken des Einsatzes sol-
cher Tools in der Bewerberauswahl oder
zur Eignungsdiagnostik lesen Sie bitte
unser Titelthema in Heft 2/2019 „Künst-
liche Intelligenz“.) Neben dem Recruting
lassen sich derartige Tools auch bei der
Mitarbeiterschulung einsetzen.
Im Sourcing bieten selbstlernende Mat-
chingsysteme wie etwa Pocket Recrui-
ter ein automatisches Abgleichen und
Zuordnen von Lebensläufen und spezi-
fischen Jobanforderungen an. Zur Vor-
auswahl geeigneter Kandidaten dienen
Online-Assessments. Diese haben den
Vorteil, dass viele Bewerber gleichzeitig
einen standardisierten Test absolvieren
können. Intelligente Algorithmen ana-
lysieren anschließend die Daten. So las-
sen sich Qualifikationen, Softskills oder
Motivation der Bewerber überprüfen und
vergleichen.
Mit Video-Assessments können Unter-
nehmen Mimik, Gestik und Körperspra-
che analysieren und so Glaubwürdigkeit
und Persönlichkeitsprofile prüfen. Vi-
deo-Teamassessment-Tools ermöglichen
es, agile Projektteams basierend auf einer
fundierten datenbasierten Kandidaten-
auswahl optimal zu besetzen.
KI bringt neue Lösungen im
Performance und Learning
Management
Im Performance Management, der
Karriereplanung und beim Learning
Management wird KI ebenfalls neue
Softwarelösungen hervorbringen. Die An-
wendungen sind so konzipiert, dass sie
Fähigkeiten und Verhaltensweisen von
besonders leistungsstarken Mitarbeitern
zunächst analysieren und daraus Emp-
fehlungen und/oder Maßnahmen für
andere Mitarbeiter entwickeln. Ebenso
können sie Feedback und Daten unter-
schiedlich leistungsstarker Teams aus-
werten und vergleichen. Die Ergebnisse
werden dann im Coaching dazu genutzt,
den Mitarbeitern Entwicklungsstrategien
aufzuzeigen. Workday bietet hierzu bereits
eine Anwendung. Darüber hinaus kann
eine KI-basierte Software entsprechend
ihrer Analyseergebnisse selbstständig
Lern- und Trainingsinhalte erstellen.
Hersteller, die solche Tools entwickeln,
sind beispielsweise Ultimate Software und
ADP. In Lernplattformen werden zukünf-
tig „netflixartige“ Algorithmen integriert,
um die Lerneffizienz und -effektivität zu
verbessern. Der Markt für diese neuen
Anwendungen ist noch jung, doch das
Potenzial von KI ist so enorm, dass alle
marktführenden Hersteller bereits eifrig
daran arbeiten.
Der Faktor Mensch: Wo die
künstliche Intelligenz ihre
Grenzen findet
Wie bei jeder Softwarelösung ist es ins-
besondere bei KI-basierter wichtig, auf
die zugrunde liegenden Annahmen und
Daten der Anwendung zu achten. Zu-
ELKE SINGLER ist Beraterin und analy
siert regelmäßig für das Personalmagazin
die Entwicklung des HR-Softwaremarkts.
dem muss KI-basierte Software auf ent-
sprechend große Datenpools zugreifen
können. Zum Beispiel sollte eine selbst-
lernende Anwendung zur Vorauswahl
von Lebensläufen regelmäßig mit späte-
ren Daten zur Job-Performance der Mit-
arbeiter gespeist werden. Nur so kann
die Software analysieren, welche Muster
sich in Lebensläufen von leistungsstarken
Mitarbeitern abzeichnen. Zu beachten:
Auftretende Korrelationen bilden nicht
zwingend Kausalitäten ab. Das heißt, die
Performance überdurchschnittlich leis-
tungsstarker Mitarbeiter könnte auch
Ursachen haben, die außerhalb der Soft-
wareerfassung liegen.
Die Risiken KI-basierter Software liegen
darin, dass ihre Ergebnisse nur so gut
sind wie die Vorgaben, auf denen sie be-
ruhen. Ist ein Unternehmen beispielswei-
se hierarchisch organisiert und dominiert
ein autoritärer Führungsstil, so wird die
Software Mitarbeiter mit entsprechen-
dem Persönlichkeitsprofil für künftige
Führungsaufgaben vorschlagen. Möchte
man jedoch Hierarchien abschaffen und
teamorientiertes Arbeiten fördern, ist
dies in den Algorithmen entsprechend
zu berücksichtigen.
Wie die KI-basierte Software zu ihren
Ergebnissen kommt, wird für die User
entscheidend sein. Derzeit ähneln die
Anwendungen eher einer Blackbox. Das
muss sich ändern. Transparenz und
Nachvollziehbarkeit sind gefragt, ehe die
Software in großem Stil eingesetzt wer-
den kann. HR-Bereiche müssen bis da-
hin eine entsprechend hohe Datenkom-
petenz aufbauen. Ein brisantes Thema
sind außerdem die rechtlichen Rahmen-
bedingungen. In HR fließen Daten aus
unterschiedlichen Quellen zusammen.
Daraus können mittels People Analytics
viele entscheidungsrelevante Informatio-
nen generiert werden, doch gilt es dabei
immer die DSGVO im Blick zu haben.
Wer angesichts der bevorstehenden
Entwicklungen durch KI-basierte HR-Software um seinen Job fürchtet, sei be-
ruhigt. Experten gehen davon aus, dass
ausreichend Aufgaben bei den HR-Mit-
arbeitern verbleiben werden. Aufgaben,
die menschliches Einschätzungs- und
Einfühlungsvermögen erfordern, erledigt
die Software nicht.
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HR-Management
personalmagazin 03.19